Informationsfreiheitssatzung:Gläsernes Rathaus

Lesezeit: 2 min

In Grafing dürfen die Bürger künftig die Akten der Stadtverwaltung einsehen

Von Thorsten Rienth

Beinahe schon regelmäßig stand sie in den vergangenen Jahren auf der Tagesordnung des Stadtrats. Doch jedes Mal lehnte die konservative Mehrheit eine Grafinger Informationsfreiheitssatzung ab. Im Kommunalwahlkampf vor ein paar Monaten wendete sich das Blatt. Nun machten sich auch CSU und Freie Wähler für die Neuerung stark. In seiner jüngsten Sitzung hat sie der Grafinger Stadt nahezu einstimmig beschlossen. Das Thema war praktisch vom ersten Tag des neuen Stadtrats an gesetzt. Gleich in der konstituierende Sitzung hatte die neue Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) mitgeteilt: "Ich habe die Stadtverwaltung damit beauftragt, einen Entwurf für eine Grafinger Informationsfreiheitssatzung auszuarbeiten." Fast auf den Tag genau zwei Monate liegt dieser Entwurf nun vor.

Er sieht im Kern nicht weniger als eine Neuordnung in der Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Bürgern vor. Wer bis Dienstag im Grafinger Rathaus Einsicht in bestimmte Themen wollte - beispielsweise die Kalkulation der Friedhofsgebühren - war auf das Entgegenkommen der Verwaltung angewiesen. Informationsfreiheitssatzungen drehen das Prozedere um. Es ist nicht mehr der Bürger, der nachweisen muss, dass er ein berechtigtes Interesse an der Herausgabe dieser oder jener Information hat. Das Rathaus müsste nachweisen, dass berechtigte Interessen - beispielsweise das Persönlichkeitsrecht Dritter - entgegenstehen.

CSU-Chef Sepp Carpus nannte die Satzung "ein Zeichen der Zeit". Der Zugang zu Informationen müsse so unkompliziert wie möglich sein. "Wichtig ist uns, dass wir uns in zwei Jahren noch einmal zusammensetzen und schauen, wie sich das in der Praxis gelaufen ist." Grund für diesen Zusatz ist die vor allem in der CSU in der Vergangenheit verbreitete Sorge, ein plötzlicher Anstieg der Anfragen könnte die Verwaltung lahmlegen. Wohl auch deshalb betonte diese schon in ihrer Beschlussvorlage, dass so ein Szenario eher unwahrscheinlich ist. Man habe sich bei Gemeinden erkundigt, bei denen eine solche Satzung teilweise schon seit Jahren gelte. Derartige Erfahrungen habe niemand gemacht. Grüne und SPD, die die Satzung gemeinsam mit dem Bündnis für Grafing (BfG) seit langem fordern, sehen sich nun bestätigt. "Alle wollen mehr Offenheit und Transparenz", sagte die Grünen-Fraktionschefin Christiane Goldschmitt-Behmer. "Dann muss man auch so konsequent sein, und diese Satzung beschließen." Regina Offenwanger (SPD) äußerte sich ähnlich. "Die Bürger müssen wissen, dass sie wirklich etwas in der Hand haben, wenn sie einmal etwas brauchen." Ohne Informationsfreiheitssatzung ginge das nicht. FW-Stadträtin Gabriela Wischeropp hatte sich schon als Bürgermeisterkandidatin für eine solche Satzung ausgesprochen - als erste aus dem konservativen Lager. "Es ist ein Zeichen an die Bürger, dass es der neue Stadtrat mit der Transparenz ernst meint." Mit dem Beschluss sei das Thema aber nicht zu Ende. Informationen müsse das Rathaus grundsätzlich aktiver kommunizieren. "Aus meiner Sicht ist das eine Einstellungsfrage."

© SZ vom 11.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: