Im Landkreis:Wiederentdeckte Tradition als Stütze des Glaubens

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In der Hohenlindener Pfarrei Sank Josef ermöglicht es unteranderem diese Aufnahme von etwa 1962, das "Heilige Grab" zu rekonstruieren. Repro: Peter Hinz-Rosin (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ältere Menschen kennen sie aus ihrer Kindheit, jahrzehntelang waren sie verpönt, jetzt erleben die "Heiligen Gräber" eine Renaissance

Von Michaela Pelz, Ebersberg

"Gekreuzigt, gestorben und begraben" - selbst unregelmäßige Kirchgänger kennen diesen Teil des Glaubensbekenntnisses. Auch die Bedeutung der Worte ist jedem geläufig, der schon einmal die Ostergeschichte gehört hat - die dazugehörigen Bilder drängen sich einem Menschen aus dem 21. Jahrhundert fast schon automatisch auf. Doch wie war das in früheren Zeiten? Was konnte der Vorstellungskraft der Leute auf die Sprünge helfen, sie ohne Ablenkung über die Ereignisse nachdenken lassen?

Zum Beispiel ein greifbares Objekt, um die Geschichte plastisch zu machen. Wie früh sich diese Idee durchsetzt, zeigt das fest installierte, stuckverzierte Bauwerk im südlichen Seitenschiff der Stiftskirche Sankt Cyriakus in Gernrode. Laut Gemeinde ist diese "älteste erhaltene Nachbildung des Grabes Christi nördlich der Alpen" noch "vor dem ersten Kreuzzug" (1096) entstanden. Populär werden die Heiligen Gräber in der Barockzeit - und zwar als dreidimensionales, mobiles Oster-Bild, das den Menschen Gelegenheit geben soll, sich in besonderer Atmosphäre dem Gebet und den Gedanken an das Leiden und Sterben Christi hinzugeben.

Typischerweise von örtlichen Zimmerleuten oder Schreinern gefertigt, variieren die hölzernen Installationen in Machart, Größe, Ort und Dauer der Ausstellung. Bei den eher kleineren, nicht selten vor einem Seitenaltar aufgestellten Exemplaren handelt es sich um eine üppig mit Blumen dekorierte, halbrunde Konstruktion als Imitation der Begräbnisgrotte, in der zwischen Karfreitag und Ostersamstag auf einer Bahre der Grablegungs-Christus zu sehen ist, bewacht von Engeln. Er wird nach der Osternacht durch den auferstandenen Heiland ersetzt, der dann allerdings nicht mehr auf dem Brett in der Höhle liegt, sondern sich entweder oberhalb von ihr oder an einem anderen prominenten Platz befindet - etwa im Hochaltar.

In oder auf den Grabbegrenzungen in Felsen- oder Säulenoptik sind mit buntem Wasser gefüllte Glaskugeln ("Schusterlampen") befestigt, die von hinten beleuchtet werden, was in der oft abgedunkelten Kirche eine ganz eigene, fast meditative Stimmung erzeugt. Mancherorts ergänzen gemalte Hintergründe das Ensemble, mit zum Thema passenden Landschaften samt entsprechender Vegetation - oder dem, was sich der jeweilige Künstler darunter vorstellt. Teilweise sind die Heiligen Gräber aber auch so monumental, dass sie den kompletten Altarraum einnehmen. Der Aufbau der begehbaren Kulissen dauert dann nicht selten mehrere Tage und wird aufgrund des damit verbundenen Aufwands im Mehrjahresrhythmus durchgeführt. In solchen Fällen lässt man den Komplex oft stehen bis Himmelfahrt und nutzt ihn für passende Theaterstücke, sogar Oratorien werden dafür komponiert.

In den Zeiten der Aufklärung wurden die Heiligen Gräber erstmals verboten - die Gläubigen sollen sich auf theologische Inhalte und nicht auf diese theatralische äußere Form konzentrieren. Das änderte sich im 19. Jahrhundert - es wurde sogar möglich, Heilige Gräber über den Versandhandel zu beziehen. Nicht nur solche aus Holz: 1895 legte man sich in Sankt Vitus in Iffeldorf ein von der böhmischen Manufaktur Zbitek gefertigtes Exemplar aus handgeschliffenen, mehrfarbigen Glassteinen zu, "dessen Anblick selbst Männern Thränen der Freude und Rührung entlockt und zur Andacht gestimmt" habe, so ein historisches Dokument der Pfarrei. Immer ausgefeilter wurden die Konstrukte - Mechanik kam zum Einsatz. Dabei gab es bisweilen auch Pannen, wie Zeitzeugen erzählen: Wenn sich etwa der abzusenkende "Leichnam" verklemmt und noch sichtbar ist, während der Auferstandene schon über dem Grab schwebt. Doch das ist natürlich nicht der Grund, warum die Heiligen Gräber 1962 ein weiteres Mal verschwanden. Das lag vielmehr am Zweiten Vatikanischen Konzil. Vielen Gläubigen blieben da nur Kindheitserinnerungen oder alte Fotos, während die oft sperrigen Bestandteile der Heiligen Gräber in Schuppen und auf Dachböden verstaut und nicht selten vergessen wurden.

Das änderte sich vor einigen Jahren, als immer mehr Gemeinden die Tradition wieder aufleben ließen, auch im Landkreis Ebersberg. Geschuldet ist dies vielleicht der Sehnsucht nach handfesten Symbolen als Gegengewicht zu den virtuellen Realitäten, die das Leben vieler Menschen dominieren. Eventuell ist es auch der Wunsch, bewegende spirituelle Momente, wie sie mit der Auferstehungsbotschaft verbunden sind, in Gemeinschaft zu erleben, losgelöst vom immer gleichen Alltagseinerlei.

Diese Übersicht der Erzdiözese München und Freising zeigt Standorte und Öffnungszeiten: www.heilige-graeber.de. Achtung: Corona bedingt sind Abweichungen möglich.

© SZ vom 01.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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