Hebamme aus Moosach:Christkindl und Septemberbabys

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Maria Seidl besucht die Babys und ihre Familien auch in den Wochen nach der Geburt noch regelmäßig und gibt Tipps - wenn diese nötig sind. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Maria Seidl hat schon mehr als 1000 Kindern auf die Welt geholfen

Von Michaela Pelz, Moosach

Rund um Weihnachten hochschwanger zu sein, ist keine reine Freude. Das wusste nicht nur die Heilige Jungfrau, sondern davon können auch all jene Frauen ein Lied singen, die während der vorweihnachtlichen Einkäufe jede Kaufhaustoilette kennengelernt haben, weil das Baby auf die Blase drückt und die sich mehr als auf die Bescherung auf den Moment freuen, an dem sie ihren erschöpften Körper nach dem üppigen Festtagsessen aufs heimische Sofa sinken lassen können. Allerdings machen Mütter von Winterkindern meist nur vereinzelt diese Art von Feiertagserfahrungen. Wer hingegen jedes Jahr mit (fremden) Strapazen und Zipperlein rund um die Geburt zu tun hat, sind Hebamme Maria Seidl und ihre Kolleginnen.

Als Angestellte der Kreisklinik in Kombination mit einer freien Tätigkeit als Nachsorgehebamme hat die gebürtige Ingolstädterin, die 1996 in den Landkreis gezogen ist und jetzt in Moosach wohnt, während der rund 1000 Geburten seit dem Ende ihrer Ausbildung schon allerhand erlebt. Noch gut erinnert sie sich an jenen Nachtdienst, bei dem gleich fünf Babys am 24. das Licht der Welt erblickten. Damals gab es ihre drei Söhne noch nicht, denn auch in Ebersberg darf, wer Kinder hat, an Heiligabend möglichst daheim sein - im Gegenzug ist für die anderen an Silvester dienstfrei. "Das Schichtsystem ist leider für viele unattraktiv und belastend, aber es hilft ja nix, Kinder kommen auch sonntags und nachts," schildert Seidl die Problematik, mit der ihr Berufsstand zu kämpfen hat.

Gleichzeitig spürt man, wie gern die 44-Jährige Teil des "netten und kollegialen" Teams ist, das 2018 in Ebersberg 708 Menschlein entbunden hat (Zahlen für dieses Jahr gibt es naturgemäß noch keine, die Größenordnung wird aber wohl ähnlich sein). Das hängt sicher auch mit den Bedingungen im Kreißsaal zusammen. "Die Haltung ist pro Spontangeburt, selbst bei Frauen, die beim ersten Kind einen Kaiserschnitt hatten - sofern keine körperlichen Probleme vorliegen." Auch schätzt sie den Freiraum, den man ihr für eigenverantwortliches Arbeiten lässt. Das ist leider nicht in allen Krankenhäusern selbstverständlich. Dabei gilt laut Paragraf 4 des Hebammengesetzes: Bei jeder Geburt muss zwar eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger dabei sein - die Anwesenheit eines Arztes oder einer Ärztin hingegen ist nicht vorgeschrieben.

Jenseits der medizinischen Aspekte ist für Seidl bei einer Geburt und auch beim Umgang mit dem Neugeborenen aber etwas ganz anderes absolut entscheidend: "Vertrauen in sich selbst! Viele Frauen machen instinktiv viel richtig - wir sind Säugetiere, das steckt alles in uns, es muss nur nach oben kommen." In dieser Eigenverantwortlichkeit und dem Bauchgefühl möchte die sympathische Mittvierzigerin "ihre" Gebärenden und Wöchnerinnen bestärken. Bis das Kind acht bis zehn Tage alt ist, besucht sie die Familien täglich zuhause, später je nach Bedarf, aber mindestens einmal wöchentlich für insgesamt sechs bis acht Wochen. Dabei wiegt sie die Babys und schaut ansonsten erst einmal zu, wie sich die Eltern beim Füttern, Wickeln und Baden anstellen. "Wenn sie es gut machen, will ich gar nichts ändern."

Besonders freut sich Seidl, wenn sie anlässlich des dritten oder vierten Kindes erneut in eine Familie kommen darf - kein seltener Fall in ihrem Einsatzgebiet, dem südlichen Landkreis. Wenn es ältere Geschwisterkinder gibt, sind die Väter meist auch routinierter. Erstlingspapas wiederum muss die Hebamme zuweilen im Hinblick auf einen "zupackenden" Körperkontakt bestärken: "Das Kind hat die Geburt überstanden, da bricht nicht so leicht etwas ab." Wichtig sei auch, den Neumüttern zu vermitteln, dass sie und das Kind "ankommen und Wurzeln schlagen dürfen" und absolut nicht, wie überall suggeriert wird, unmittelbar nach der Geburt wieder schlank und einsatzfähig sein müssten. "In der ersten Zeit dürfen sie auch einfach nur daheim sein, für sich. Sobald der Nabel abgefallen ist, sollen sie aber dann ruhig das Nest zum Spazierengehen wieder verlassen, und wenn es nur für 30 Minuten ist."

Das Faible für den eigenen Beruf drückt sich bei Maria Seidl auch in einem eher ungewöhnlichen Hobby aus. Sie sammelt Störche. "Gut zwanzig werden es neben dem Pendelstorch im Arbeitszimmer wohl sein - aus Plüsch, Metall und Holz, sogar Schleichtiere sind dabei." Zusätzlich fotografiert sie die Störche, die oft im Zusammenhang mit der Ankunft eines neuen Erdenbürgers von Freunden aufgestellt werden und fertigt aus den Bildern Collagen an, die im Hausgang hängen. "Das müssen meine Männer mittragen", sagt sie und lacht. Überhaupt strahlt sie nicht nur wohltuende Ruhe, sondern auch viel Heiterkeit aus. So kommt auch die augenzwinkernde Bemerkung nicht überraschend, dass der geburtenstärkste Monat übrigens der September sei. Wenn das nicht passt! Welch schönere, bleibende Erinnerung an das "Fest der Liebe" könnte es wohl geben?

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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