Grasbrunn:Hammer!

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Jan-Frederick Behrend am Marimbaphon, Wolfgang Rummel auf der Cajón, Andrej Kauffmann am Vibraphon und Sönke Schreiber mit Glocken und Becken. (Foto: Christain Endt)

Beim Vaterstettener Neujahrskonzert trommeln "Elbtonal Percussion" auf allem, was einen Ton erzeugt. Die vier Hamburger zeigen, dass Schlagzeuger mehr sind als nur Taktgeber

Von Christian Endt, Grasbrunn

Wie nennt man jemanden, der ständig mit Musikern herumhängt? Schlagzeuger. Zum brüllen komisch, oder? Tatsächlich kennt jeder Schlagzeuger diese Ansicht, er sei ja irgendwie kein richtiger Musiker, weil ja "nur" für den Rhythmus zuständig. Ein Vorwurf, den man den vier Mitgliedern von Elbtonal Percussion sicher nicht machen kann. Das Quartett beweist, dass man ganz allein mit Schlaginstrumenten wunderbare Musik machen kann. Zuletzt mit ihrem Auftritt beim ersten Vaterstettener Rathauskonzert des Jahres im Bürgerhaus Neukeferloh.

Dass selbst die Hamburger nicht von Schlagzeuger-Witzen verschont bleiben, erzählen sie gleich in der ersten Ansage. Bei einem Auftritt in Würzburg seien sie gefragt worden: "Machen Sie das Trommeln auch aus therapeutischen Gründen?" Einer der "vielen Momente des Selbstzweifels" sei das gewesen, erzählt Bandleader Jan-Frederick Behrend augenzwinkernd. Behrend ist es, der viele Stücke mit leisen Melodien auf dem Marimbaphon einleitet. Seine Mitmusiker Andrej Kauffmann, Wolfgang Rummel und Sönke Schreiber steigen nach und nach mit ein. Einer geht mit ans Marimba, ein anderer klopft einen sanften Beat auf der Cajón und der Vierte schlägt leise das Ride-Becken.

Die Bühne des Bürgerhauses ist vollgestellt mit Schlaginstrumenten aller Art: Marimba- und Vibraphone, große und kleine Trommeln, Cajones, Djemben, Bongos, Becken, Gongs, Glockenspiele. Jedes Stück ist anders besetzt, die vier Musiker sind jedes Mal anders positioniert. Manche Instrumente spielen sie mit Holzsticks, andere mit Filzschlägeln, wieder andere mit bloßen Händen. Behrend schlägt das Marimba bisweilen mit vier Stöcken gleichzeitig. Für einzelne Passagen kommen außerdem kleine Handinstrumente wie Shaker und Schleifpapier zum Einsatz. Und Elbtonal Percussion bringen vollen Körpereinsatz: Sie trampeln, stampfen, rufen, brüllen: Jo! Ha! Manche Songs klingen wie ein Dschungel mit Affengebrüll und Vogelgezwitscher. Wenn sich einer der vier an die große, aus einem ausgehöhlten Baumstamm gefertigte Trommel stellt, fühlt man sich wie auf einer römischen Galeere, auf der besonders schnell gerudert werden muss.

Die Formation bezeichnet ihren Stil als "kreativen Crossover", mit vielen weltmusikalischen Einflüssen. So haben sie bereits trommelnde Mönche auf der japanischen Insel Sado besucht und sich von ihnen inspirieren lassen. Auch mit der New Yorker U-Bahn waren die Percussionisten offenbar schon unterwegs - an die dort auf Eimern spielenden Straßenmusiker erinnert jedenfalls das Stück "Stumping Buckets". Behrend, Kauffmann, Rummel und Schreiber stehen dabei am vorderen Bühnenrand nebeneinander, jeder hat einen etwa hüfthohen, umgedrehten Kübel vor sich stehen. Darauf stellen sie je einen zweiten, kleinen Eimer, auf dem sie schnelle Grooves trommeln. Dazwischen werfen sie die kleinen Eimer wie in einer Zirkusnummer hin und her - und setzen sie natürlich genau passend zum Takt wieder auf. Bei dieser Nummer haben die ganz in schwarz gekleideten und sonst sehr ernst und konzentriert guckenden Musiker sichtlich eine fast kindliche Freude (auch das ein alter Witz: Mama, wenn ich erwachsen bin, möchte ich Schlagzeuger werden! - Du musst dich schon entscheiden, beides geht nicht).

Im klassischen Orchester gibt es einen Dirigenten, der Tempo und Dynamik eines Stücks vorgibt. In den modernen Musikrichtungen ist es der Schlagzeuger, an dem sich alle orientieren. Wer ist der Chef in einer Gruppe ohne Dirigent, aber mit vier Drummern? Bei Elbtonal Percussion klappt es. Sie spielen mal ganz leise, mal ganz laut, werden langsamer und schneller und sind immer tight, immer im Einklang zueinander. Dabei halten sie meist nicht einmal Blickkontakt. Das vorletzte Stück "Lift Off!" stammt vom amerikanischen Komponisten Russel Peck. Mit drei Mann und neun Tomtoms simuliert es den Start eines Helikopters mit schnellen, rollenden, lauter werdenden Schlägen auf der großen Trommel, gebrochen mit Akzenten auf den kleinen Hänge-Toms und untermalt von grellweißen, flackernden Bühnenlicht. Zum Schluss spielt Behrend eine leise Ballade auf dem Vibraphon, bevor es in der Zugabe erneut komisch wird: Mit Schürzen und Hauben klopfen die Musiker mit Kochlöffeln auf Tischen und Tellern und rufen dazu dauernd: "Mahlzeit!"

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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