Nach Brandstiftung:Zimmerer baut Grafinger Dobelkapelle originalgetreu nach

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In der Werkstatt von Josef Fritz entsteht derzeit ein Nachbau. Nach einer Brandstiftung ist es bereits das fünfte Mal, dass der kleine Holzbau vom Waldrand wieder aufgebaut werden muss.

Von Anja Blum, Grafing

Wie viele Stoßgebete die Grafinger angesichts der abgebrannten Dobelkapelle gen Himmel gesandt haben, ist nicht bekannt. Doch es müssen einige gewesen sein - schließlich wurden sie erhört: In Eisendorf entsteht in diesen Tagen ein Nachbau der komplett hölzernen Kapelle, schon im Frühjahr soll Einweihung gefeiert werden.

Doch nicht nur Gebete haben möglicherweise dazu beigetragen, dass die Dobelkapelle nun wieder aufersteht, sondern auch handfestere Dinge: Viele Grafinger hatten gespendet, nachdem die Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde, Archivar Bernhard Schäfer und die Stadt dazu aufgerufen hatten.

Letztere war die Eigentümerin des Sakralbaus, was ebenfalls positive Folgen hatte: "Die Dobelkapelle war über die Stadt versichert, deswegen gab es nach dem Brand Geld", erklärt Schäfer. Insofern könnten die Spenden nun für die Gestaltung des Innenraums und der Außenanlage verwendet werden, die Versicherung zahle den Neubau. Die Ursache des Feuers - vermutlich Brandstiftung - konnte allerdings nicht geklärt werden.

Der Boden der Werkstatt gleicht einem Meer aus Sägespänen, darauf schwimmt ein Gerüst aus dicken, hellen Balken - eine der Seitenwände der Kapelle. Darum herum knien vier junge Burschen, mit allerhand Werkzeug hantierend. Der Zimmerer Josef Fritz aus Eisendorf hatte bei der Ausschreibung des Neubaus durch die Stadt den Zuschlag bekommen.

Nun nutzt er mit seinem Team die Wintermonate, in denen die meisten Baustellen ruhen, für die Arbeit an der Kapelle. Um diese möglichst originalgetreu - so der Auftrag - wieder erstehen zu lassen, hat Fritz sich von Schäfer Fotos vom Vorgänger besorgt, sogar einen Bauplan hat er aus dem Rathaus bekommen. Doch der stimme leider nicht mit dem Erscheinungsbild der abgebrannten Dobelkapelle überein, so der Zimmerer.

Zwei mal zog die Kapelle um

Der Grund dafür ist wohl, dass das kleine Bauwerk eine höchst wechselvolle Geschichte hinter sich hat: Der Nachbau, an dem Zimmerer Fritz gerade arbeitet, ist bereits die fünfte Version des Kirchleins, hinzu kamen zwei Umzüge.

Laut Schäfer war der Stifter der ersten Dobelkapelle am südlichen Waldrand ein gewisser Trometer, Irlbauer von Oberelkofen. Damals glich sie einem schmucken Sommerhäuschen. Als dieses baufällig wurde, ließ es Sophie Stadler aus Weyarn, die mit Grafing verwandtschaftlich verbunden war, im Jahre 1870 an selbiger Stelle durch eine neue Holzkapelle mit zierlichem Spitztürmchen ersetzen.

Doch auch dieses wurde mit der Zeit marode, also ließ um 1910 der Grafinger Färber Egid Daxenberger, der die Betreuung der Kapelle nach dem Tod Stadlers übernommen hatte, eine aus seinem Garten stammende Holzkapelle an den Platz versetzen. 1951 dann wurde das im neugotischen Stil gehaltene Kirchlein - auf Betreiben des Kunstschreiners Ernst Bauer, eines Enkels Daxenbergers - auf eine Lichtung mitten im Dobelwald versetzt, um ihm dort wieder seine durch die zunehmende Bebauung verloren gegangene Abgeschiedenheit zurückzugeben. Doch das stille Plätzchen hatte zur Folge, dass Rowdies über die Kapelle herfielen und Feuer legten.

1984 wurde daher beschlossen, einen Neubau am ursprünglichen, weniger abgelegenen Standort zu errichten. Nach Skizzen des Heimatkundlers Hans Kießling entstanden Baupläne, die Bauhofmitarbeiter Sepp Jilka in die Tat umsetzte. Die Betreuung des neuen Sakralbaues übernahm nun die Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde.

Die Dobelkapelle ist also ein wahrer Phönix - und den Grafingern vermutlich gerade deshalb besonders ans Herz gewachsen. Das weiß auch Zimmerer Fritz. "Da liegt vielen was dran, außerdem gehen da Gott und die Welt spazieren", sagt er. "Da darf man sich also nix erlauben." Doch die Sorge scheint unbegründet: Mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail wird das makellose, massive Lärchenholz in der Eisendorfer Werkstatt behandelt.

Der Chef zeichnet an, wo die für das Bundwerk nötigen Aussparungen sein müssen, der Rest der fünfköpfigen Mannschaft setzt die Vorgaben um. Es wird gesägt, gehämmert und gestemmt, die geschwungenen Verzierungen bedürfen allergrößter Genauigkeit. Die überkreuzten Bänder und Riegel des Bundwerks nämlich werden nur in einander gesteckt, ohne Leim oder Schrauben. Die Wände der Kapelle gleichen also riesigen Puzzles aus Holz. "Das ist alles Handwerk", sagt Fritz, "und gerade für die Lehrlinge eine sehr schöne Aufgabe. So was machen sie wahrscheinlich den Rest ihres Lebens nicht mehr." Denn mit den stattlichen Bauernhäusern sterbe so langsam auch das Bundwerk aus.

Gott sei Dank, möchte man da ausrufen, gibt es jetzt wieder eine Dobelkapelle.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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