Tortendesignerin aus Grafing:Süße Unikate

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Eine Dracheninsel für den Kindergeburtstag, eine Fußballmannschaft für den Bayern-Fan, ein Traum in Weiß für die Hochzeit: Tanja Leijten designt Torten für jeden Anlass. Dabei hat die Grafingerin eigentlich etwas ganz anderes gelernt.

Von Anja Blum

Tanja Leijtens Refugium sieht ein bisschen aus wie ein OP: In der Mitte des kleinen Raumes steht ein blank polierter, hüfthoher Edelstahltisch, hell beschienen von zwei großen Scheinwerfern. An den Wänden silberne Regale mit zahllosen Schachteln und anderen Behältnissen, in denen Leijten ihre Werkzeuge und Materialien aufbewahrt.

Den SZ-Kuchen bezeichnet Tanja Leijten als "abstrakte Herausforderung". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch die Grafingerin hat mit Medizin nichts am Hut, ganz im Gegenteil: Ihr Metier ist klebrig und süß. Leijten designt Torten. Auf Kundenwunsch entstehen unter ihren Händen essbare Kunstwerke in 3D, lauter Unikate. Sei es eine Dracheninsel für den Kindergeburtstag, eine Fußballmannschaft für den Bayern-Fan, ein Cello für die Musikerin oder ein Traum in Weiß für die Hochzeit. Dabei ist Leijten kein Motiv zu kompliziert, selbst "die abstrakte Herausforderung", eine Torte für die SZ Ebersberg zu kreieren, nimmt sie gerne an. "Mir macht es einfach Spaß, mich immer wieder in neue Themen reinzudenken", sagt die 41-Jährige.

Die Grafingerin ist Lebensmittelchemikerin. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Neben dem handwerklichen Können fasziniert Tanja Leijten an der Tortenkunst nämlich vor allem das Kreative: Am Anfang stehe meist eine ausführliche Recherche, sagt sie, inklusive Zeichnungen und Notizen in einem kleinen Ideenbuch, dann wälze sie das Thema ein paar Tage im Kopf hin und her - bis irgendwann der zündende Gedanke komme. "Nicht ganz so einfach war zum Beispiel das Cello, weil ich von Instrumenten so gut wie gar keine Ahnung habe", erzählt sie. "Die Kunden haben aber verständlicherweise großen Wert darauf gelegt, dass der Kuchen weder einer Geige noch einem Kontrabass ähnelte. Also hatte ich während der Herstellung Fotos von Cello, Kontrabass und der Violine an meiner Wand hängen."

Viel Liebe zum Detail, handwerkliches Geschick und Kreativität sind die Zutaten für Tanja Leijtens Tortenkunst. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch auch die SZ-Torte bereitet Leijten ein wenig Kopfzerbrechen, über die Icons und Piktogramme des Online-Auftritts der Zeitung tastet sie sich an mögliche Realisierungen des Themas heran. Das zauberhafte Ergebnis: kleine Kameras, Stifte und Zeitungen zieren die Himbeer-Sahne-Torte im typischen SZ-Grün, oben prangen das Logo und ein paar weiße Rosen. "Weil sie für eine Frau ist", sagt Leijten und lacht.

Doch die Grafingerin geht ihren Beruf eher kreativ an: Sie designt Torten für jeden Anlass. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Designkrümel" nennt Leijten, die mit ihrer Familie in Dichau wohnt, ihr Projekt, ein Name, der ihre Bescheidenheit widerspiegelt: "Das ist doch noch kein Beruf", sagt sie, schließlich habe sie noch nicht mal einen Laden. Bislang kann sie lediglich ein Gewerbe, einen höchst ansprechenden Internetauftritt und durchschnittlich zwei Aufträge pro Woche vorweisen.

Trotzdem: Wird sie nach ihrem Beruf gefragt, weicht Leijten meist erst einmal aus, nur wenn jemand genauer nachhakt, zeigt sie Fotos. "Damit ist dann alles gesagt." Und die Reaktionen? "Die Leute sind immer wieder erstaunt, dass man all das essen kann, und meinen, dafür seien die Torten doch viel zu schade." Leijten selbst jedoch hat mit der Vergänglichkeit ihrer Kunst kein Problem: "Ich freue mich, wenn die Torten schön sind - und schmecken."

Eigentlich ist Leijten promovierte und staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin und arbeitete als solche viele Jahre in der Forschungsabteilung einer großen Brauerei in den Niederlanden. "Da ging es aber nicht um irgendwelche Panschereien, sondern darum, die üblichen Herstellungsprozesse so zu optimieren, dass man das gewünschte Aroma erhält", erklärt Leijten. 2011 zog sie mit Mann, drei Kindern und dem Wunsch, weiter zu arbeiten, wieder zurück nach Grafing. "Aber hier in München gibt es kaum entsprechende Stellen."

Also musste eine Alternative her - und Leijten besann sich auf ihre Leidenschaft, das Backen. "In der Küche Dinge zusammenzubringen und daraus was Neues entstehen zu lassen - das habe ich schon als Kind sehr gerne gemacht." Die Mutter sei dafür allerdings nicht der Auslöser gewesen: "Meine Mama hat eigentlich nie gebacken. Aber sie hat es bei uns Kindern zugelassen." Offenbar eine nachhaltige, positive Erfahrung: Noch heute treffen sich die Geschwister in der Vorweihnachtszeit zum gemeinsamen Plätzchenbacken.

Also belegte Leijten gleich einen Kurs in Tortenkunst in Schottland, einer der Hochburgen dieses Metiers. "Ich dachte, wenn schon, denn schon - und war bei einem, der für die Queen backt." Doch ganz so leicht, wie es klingt, gelang der Grafingerin die berufliche Neuorientierung nicht, denn um Torten verkaufen zu dürfen, muss man Konditor sein. Mehr als ein Jahr kämpfte sie trotz ihrer beruflichen Vorkenntnisse - Promotion zu dem Thema "Fehlaromastoffe in Schokoladenkeksen" - um die Ausnahmeerlaubnis, an der Prüfung für das Konditoren-Handwerk teilnehmen zu dürfen. Vergangenes Jahr war es dann so weit, und Leijten bestand. Außerdem darf die Grafingerin ihre Torten nicht zu Hause backen: Ihre Rohlinge entstehen in einer externen, vom Lebensmittelamt geprüften Küche. "Fremdbacken", nennt das Leijten.

In ihrem kleinen Studio in Dichau, auf dem OP-Tisch, bringt Leijten ihre Werke also lediglich zu Ende, das heißt, hier verziert sie alle ihre Torten, Kuchen und Kekse. Die wichtigste Zutat dabei: Fondant, eine klebrige, weiche Masse aus Zucker, Gelatine und Fett. "Die Kinder lieben es - sei es zum Kneten oder Essen", sagt Leijten. Sie selbst schätzt vor allem die schier unendlichen Möglichkeiten der Gestaltung, die die Dekorpaste bietet.

Für die SZ-Torte etwa färbt sie die Masse grün ein und überzieht damit den gesamten Rohling. Auch die kleinen Kameras, die Rosen und das Logo fertigt sie daraus. Die Blüten etwa entstehen, indem Leijten aus lauter kleinen Fondantkügelchen Blätter formt und um einen Kegel anordnet. Ein Vorgang, der Leijten wie selbstverständlich von der Hand geht - beim Selbstversuch allerdings gnadenlos zum Scheitern verurteilt ist: Die Rosenblätter hängen lustlos herab, als hätten sie seit Tagen kein Wasser gesehen.

Doch Fondant ist für Leijten nur der Grundstock ihres Schaffens, darüber hinaus arbeitet sie mit allen möglichen Süßigkeiten und anderen essbaren Materialien. Bei der SZ-Torte etwa kommen weiß-rote Zuckerstangen zum Einsatz, daraus macht die Tortendesignerin kleine Stifte. Für die Blitze der Kameras hat sie rote Gummischlangen bereit gelegt, als Gerüst für das Logo dienen Nudeln, die kleinen Zeitungen sind aus Esspapier, mit Lebensmittelstift bemalt. In den Regalen lagern unzählige Pasten, Farben, Puder und Glitzer, Ausstecher, Kellen, Roller und Modellierwerkzeuge. Zur Befestigung ihrer kleinen Kunstwerke am Kuchen nutzt Leijten einen selbst gemischten, flüssigen Kleber aus Zucker und Kukident. "Extra stark, aber ohne Pfefferminzgeschmack", warnt die Grafingerin, "sonst schmeckt's komisch."

Momentan ist Leijten dabei, ihr Portfolio zu erweitern. "Ich möchte für jeden Anlass und Geschmack etwas bieten", sagt sie. Auf der Homepage präsentieren schon jetzt schöne Fotos Torten für verschiedene Anlässe, doch die meisten Kunden kommen durch Mundpropaganda nach Dichau. Schließlich ist jeder Geburtstagskuchen eine potenzielle Werbemaßnahme. Wer dann bei Leijten einen individuelle Torte bestellt, muss mit mindestens 80 Euro rechnen. Angesichts teurer Zutaten und aufwendiger Herstellung allerdings ein fairer Preis: "Mit einer Torte bin ich mindestens drei Stunden beschäftigt", sagt Leijten. "Ist die Recherche kompliziert, kann es noch viel länger dauern."

Leijtens Traum wäre ein Refugium über ihren OP-Raum hinaus: "Ein kleiner Laden mit Ausstellungsmöglichkeit, in dem ich auch Kurse geben könnte, samt eigener Backstube - das wär's", schwärmt sie. Doch bis es soweit ist, wird sie wohl noch viele Geburtstagskinder glücklich machen.

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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