Grafing:Späte Einigung

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Schädel-, Nasen- und Jochbeinbruch: Eine Krankenschwester war bereits wegen Körperverletzung verurteilt. In einem Berufungsverfahren wurde das Verfahren nun wegen "geringer Schuld" eingestellt

Von Andreas Salch, Grafing

Die Angeklagte und ihre Nachbarin sind sich nicht grün. Seit zwei Jahren schikanieren sie sich gegenseitig mit Anzeigen bei der Polizei. Mitunter werden die Verfahren eingestellt, weil es keine Zeugen gibt. Wenn aber doch, dann geht die Sache vor Gericht. So wie an diesem Montag, als die Krankenschwester auf einer Anklagebank am Landgericht München II saß.

Das Amtsgericht Ebersberg hatte sie im August vergangenen Jahres wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Sie soll ihre Nachbarin, einer Muslima, mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihr das Kopftuch vom Kopf gezogen haben. Das Opfer erlitt eine Schädel-, Nasen- und Jochbeinprellung. "Ich habe die Frau weder angerührt noch geschlagen", versicherte die Krankenschwester dem Vorsitzenden Richter bei ihrer Vernehmung. Gegen das Urteil legte die 55-Jährige Berufung ein. Was war geschehen?

Es war am 14. Januar, 2014, als die beiden Frauen im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses, in dem sie wohnen, aufeinandertrafen. Die Tür zum Waschraum im Keller sei verschlossen gewesen, behauptete die Angeklagte. War sie aber nicht, beharrte das Opfer. Die 49-Jährige ist sich vielmehr sicher: An jenem 14. Januar hätte ihre Nachbarin, deren Sohn und eine weitere Person sie abgepasst. "Das war ein Plan", so die Frau. Sie hätten ihr den Weg abgeschnitten und sie in den Keller geschubst. Dabei sei sie mit dem Kopf gegen eine Wand geprallt. Die Angeklagte und die Männer hätten sie angeschrien. Dann soll die Krankenschwester zugeschlagen haben. Es vergehe kein Tag, an dem diese ihr nicht irgendetwas antue, klagte die 49-Jährige. Ihre Nachbarin mache " alles kaputt". Die Krankenschwester dagegen empörte sich, dass das mutmaßliche Opfer sie aus dem Haus haben wolle. Sogar eine Unterschriftenliste habe die 49-Jährige schon herumgehen lassen. Die Verteidigerin der Krankenschwester, Rechtsanwältin Claudia Wüllrich, betonte zu Beginn der Verhandlung, dass für sie nur ein Freispruch in Frage komme.

Die Frage nach den Tätern trat in der Verhandlung jedoch in den Hintergrund. In der Vergangenheit hatte das Amtsgericht Ebersberg in einem sogenannten Gewaltschutzverfahren versucht, Frieden zu stiften. Die Krankenschwester und ihre Nachbarin mussten sich verpflichten, nicht miteinander zur reden und sich nicht zu nahe zu kommen. Das war gut gemeint, funktionierte aber nicht. Die Krankenschwester habe ihr mit einer Geste sogar schon damit gedroht, die Kehle aufzuschlitzen, behauptete das Opfer. Dabei soll die 55-Jährige ein Messer in der Hand gehalten haben. Am vergangenen Samstag soll sie eine Vase gegen ihre Türe geworfen haben, so die 49-Jährige. Gesehen habe sie aber niemand.

Der Vorsitzende Richter Martin Hofmann bat schließlich die Verteidigerin und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zu einem nicht-öffentlichen Rechtsgespräch. Das Ergebnis: Das Verfahren gegen die Krankenschwester wurde wegen "geringer Schuld" eingestellt. Die Kosten für die Anwältin der Krankenschwester und den Anwalt des mutmaßlichen Opfers trägt die Staatskasse.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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