Fasching in Grafing:Lenz derbleckt: Berliner Gspusis geben sich die Klinke in die Hand

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Wiggerl, Giagl und Ferdl verbreiten am Freitagabend Faschingsweisheiten - unter anderem über die vermeindlichen Liebschaften des FRAUEN-neuhartinger Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz. (Foto: Christian Endt)

Beim 120. Faschingsvarieté des TSV Grafing wird die Lokalprominenz aufs Korn genommen. Einem Politiker wird ein Foto zum Verhängnis.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Wo ist eigentlich die dramatische Filmmusik geblieben? Wo die Fanfaren? Und der Applaus? Was soll aus dem Rest des Abends noch werden, wenn schon der Einzug so schiefläuft? Also haben sich die drei Faschingsclowns Wiggerl, Giagl und Ferdl eben ohne Brimborium durch die Zuschauerränge nach vorne auf die Stadthallenbühne geschoben. Mal eben schnell ein Bier von irgendeinem Tisch stibitzt und gleich den ersten rausgehauen: Das Gute an den Grafingern sei, lobt Giagl, "dass du denen ein fast leeres Bierglas klauen kannst, aber der Rest da drinnen immer noch kalt ist". Rauf auf die Bühne und schnell runter mit dem Gebräu.

Als Wiggerl, Giagl und Ferdl sind Hermann Holzmann, Martin Weigand und Stefan Marschner eigentlich nur der Sidekick des 120. Grafinger Faschingsvarietés. Während hinter dem Vorhang die Bühne für die nächsten TSV-Artisten umgebaut wird, machen sie vor der Bühne den Clown - und spotten mit Sketchen, Gstanzln und Liedern über die Lokalpolitik. Besonders reizvoll daran ist wie eh und je, die Fragen, welcher Teil ihrer Geschichten tatsächlich wahr ist, was nur zur Hälfte simmt und welche Details zwecks der Dramaturgie hinzu gedichtet wurden.

Einer der ersten, den es erwischt, ist Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Die Clowns spielen auf den umstrittenen Sanierungsfall des Ebersberger Sparkassen-Gebäudes an. Weil Niedergesäß deshalb pleite sei, habe er seither überall seine Frau Alexa dabei - und die ihren Geldbeutel. "Sonst könnte der Robert nicht einmal mehr sein Bier bezahlen."

Oder Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Sie hätte 46 bayerische Bürgermeister-Kolleginnen zum Meinungsaustausch in die Bärenstadt eingeladen, berichten die Clowns. Am Ende seien die Rathauschefinnen zu elft in den Turmstuben der Stadthalle gesessen. "Da gab's aber diesmal keine Kleinkunst, sondern einen Hühnerstall."

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(Foto: Christian Endt)

Spott für "Bundes-Andi",...

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...tanzende Sternschnuppen...

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...und eine Persiflage auf die Stammtische der Stadt...

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...gab es beim Grafinger Varieté.

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Thomas Urban und Felix Richter präsentierten die Show.

Womöglich sei Obermayrs Posten im Rathaus ohnehin nur Tarnung, mutmaßen sie. Beruht die eigentliche Arbeit nicht vielleicht auf einer Zusammenarbeit mit einem polnischen Autoschieberring? "Schaut's euch doch mal die neuen Grafinger Kreisverkehre an", sagt Wiggerl. "Die sind so groß, dass du selbst mit eingerasteter Lenkradsperre noch problemlos durchfahren kannst." Gerade als Grüne könnte Obermayr doch wenigstens Blumen auf den Mittelinseln sähen.

Stadtrat Heinz Fröhlich vom Bündnis für Grafing wünschen sie singend hinter den Mond, dorthin "wo du herkommst". Natürlich, die Tradition will es so, derblecken sie ihn einmal mehr dafür, dass sein Bündnis vor Jahren den Schnapskonsum auf der Bühne untersagen wollte. Und da kommt auch schon die Bedienung und stellt die nächsten drei Ramazotti auf die Bühne.

Gassi geht der Huber Tom nur noch, "wenn irgendein Zeitungsfuzzi dabei ist"

Dem CSU-Stadtrat und Landtagsabgeordneten Thomas Huber dichten sie ein Lied aus der Perspektive seiner Hündin Lisl an. "Verdammt, du ziehst mich", singen sie zu Matthias Reims "Verdammt, ich lieb' dich"-Akkorden. Gassi gehe der Huber Tom nur noch, "wenn irgendein Zeitungsfuzzi dabei ist".

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Der Grafinger Thomas Huber dürfte auch bei seinem zweiten Antritt per Direktmandat in den Landtag einziehen. Wie weit geht seine politische Reise? Unterwegs mit einem CSUler, der sonst für laute Töne bekannt ist.

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Hubers Fraktionskollegen und Marktplatzmetzger Franz Saißrainer wollen sie mit dem Lehrling bei der Leberkas-Produktion beobachtet haben. "Wenn rauskommt, was da reinkommt - dann kommen wir rein und nicht mehr raus." Auch der frühere Hasi-Schmeckerbäcker Josef Reindl bekommt sein Fett weg, oder besser gesagt: seinen Senf. Ob der eigentlich wisse, was er da mit dem Verkauf seiner Bäckereikette angerichtet habe? Der Hieb gilt freilich vielmehr Reindls Nachfolger. Der hatte sein Sortiment um die nicht ganz unumstrittene Kreation eines Weißwurst-Hotdogs erweitert.

Auch über den Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU) haben die Clowns so einiges gesteckt bekommen. Dass der "Bundes-Andi" noch Single sei, stimme nur zum Teil. In Wirklichkeit würden sich die Berliner Gspusis nur so die Klinke bei ihm in die Hand geben. Das Poster, das sie zum vermeintlichen Beweis hochhalten, zeigt Lenz im Gruppenbild mit einem halben Dutzend spärlich bekleideter Frauen.

Die echten Stars des Abends könnten die Kinder der Clowns sein. Sie kommen aus den Reihen des TSV Grafing. Wie immer sind allerlei Kinder-, Jugend- und Leistungsturngruppen mit dabei, gleiches gilt für die Showtanzgruppe High Energy. Dazu Abordnungen von Freiwilliger Feuerwehr und den IG Tschippendales-Nachfolgern Movimento.

Unter Schwarzlicht gemoonwalkte Michael Jackson-Medleys, tanzende Sternschnuppen, Hebefiguren ohne Ende oder Hip-Hop-Gymnastik sehen die Besucher. Das diesjährige Faschingsprinzenpaar Prinzessin Annabelle I und Prinz Daniel I hängt den Varieté-Direktoren Thomas Urban und Felix Richter den Orden der Grafinger Faschingsbären um den Hals.

Auch die Faschingsbären selbst treten mit einem Sketch auf. Die Sprachwissenschaftlerin "Professor Dr. Dr. Woswoasi" analyisert darin fünf Phasen eines Stammtischabends. Freilich artet die Angelegenheit mit zunehmendem Alkoholkonsum komplett aus. Im letzten Akt müssen sich die eben noch Frauenwitze erzählenden Buben entblößen: "Schatzi, holst du mich bitte ab", säuselt einer ins Telefon. Und natürlich, zum großen Finale nach vier Stunden, steigt die Show der TSV-Garde.

Kaum eine TSV-Turngruppe, die nicht ihren großen Auftritt gehabt hätte. Was von den Organisatoren auch exakt so gewünscht ist. Wo Kinder turnen, gibt es Geschwister, Eltern und Großeltern, die zuschauen wollen. Vier übers verlängerte Wochenende Varietés kommen so seit Jahren zusammen, jede von ihnen ausverkauft.

Und am Ende geht immer noch einer drauf, auch wenn's ein Trinkspruch ist, zum Beispiel der hier: "Es lebe die Liebe, der uneheliche Beischlaf, der Papst und das Puff!" Na, dann Prost - und bis zum nächsten Mal.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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