Grafing:Langfristiges Zuhause für Flüchtlinge

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Im früheren Grafinger VHS-Gebäude könnten mithilfe eines Städtebauprogramms Wohnungen für anerkannte Asylbewerber entstehen.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Für das bis aufs Erdgeschoss brandschutzgesperrte Volkshoch- und Musikschulgebäude in der Rotter Straße in Grafing gibt es eine neue Option: Mitten in der Stadt könnten dort Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge entstehen. Noch ist diese Möglichkeit zwar nur ein Planspiel mit vielen Unbekannten. Doch der Umbau hätte Charme: Der Freistaat plant einen attraktiven Fördertopf für derartige Projekte aufzusetzen. Ganz einfach wird die Umsetzung allerdings nicht.

"Es gibt Überlegungen der Regierung von Oberbayern, die Schaffung von Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge speziell zu fördern", bestätigt Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Das Programm ziele auf sanierbare und möglichst innenstadtnahe städtische Gebäude ab. Dass sich im Erdgeschoss der "RO8" der Grafinger Jugendtreff (JIG) befindet, sei kein Ausschlusskriterium. "Gedacht wird auch an eine Kombination mit Sozialwohnungen und sogenanntem Gemeinbedarf wie Jugend und Kultur."

Aus finanzieller Sicht ist das Projekt sehr attraktiv. Die Rede ist von einer Förderung der Umbaukosten in Höhe von 90 Prozent. Der Förderrahmen ginge damit weit über die üblicherweise von der Städtebauförderung anvisierte Unterstützung von etwa 50 Prozent hinaus, ordnete die Rathauschefin ein. Beschlossen ist freilich noch gar nichts. Im Stadtrat werde man die Option genau prüfen, kündigt sie an. Dabei gehe es nicht nur um die mögliche finanzielle Unterstützung, stellt Obermayr klar und verweist auf das jüngste Bürgerbegehren zur weiteren Verwendung der Rotter Straße 8.

Ende vergangenen Jahres hatte eine Gruppe um Stadtrat Heinz Fröhlich vom Bündnis für Grafing (BfG) ein Bürgerbegehren zur Zukunft des alten Schulhauses gestartet. "Sind Sie dafür, dass das Grundstück Rotter Straße 8 im Eigentum der Stadt bleibt, mit dem Ziel, hier Raum für Bildung, Kultur und Begegnung zu erhalten?" Innerhalb weniger Wochen hatten die Aktiven die nötigen Unterschriften zusammen. Obwohl unter anderem damit die rechtlichen Voraussetzungen gegeben waren, kam es nicht zum Entscheid. Eine Stadtratsmehrheit aus Grünen, Freien Wählern, SPD und dem BfG beschloss das Ansinnen im Januar kurzerhand selbst - per Antrag, der im Wortlaut genau dem entsprach, worüber auch in einem Entscheid abzustimmen gewesen wäre. Abhilfebeschluss ist die Bezeichnung eines solchen Vorgangs.

"Wenn in der Rotter Straße 8 Wohnungen entstehen sollen, hat das in keiner Weise mehr etwas mit der Intention vom Bürgerbegehren oder dem Abhilfebeschluss zu tun", sagt Fröhlich jetzt. Er verweist auf die Gemeindeordnung und die einjährige Bindungswirkung des Beschlusses. Aufheben könne der Stadtrat sein Votum nur für den Fall, dass sich in der Zwischenzeit die Sach- und Rechtslage "wesentlich" geändert hätte. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein neu aufgelegtes Programm der Städtebauförderung dem genügt", sagt Fröhlich. Es gibt im Stadtrat aber auch Stimmen, die in einer 90-Prozent-Förderung sehr wohl eine wesentlich geänderte Grundlage sehen.

Auf diese Diskussion will sich Sepp Carpus, als CSU-Ortsvorsitzender der Chef des größten Grafinger Partei-Ortsverbands, noch gar nicht einlassen. "Für uns zählen jetzt erst einmal die Fakten." Wie hoch sei die Förderung unterm Strich tatsächlich? Für welchen Zeitraum würde im Falle einer Umsetzung aus dem alten Schulhaus ein Wohnhaus werden? "Solche Dinge müssen die Stadträte natürlich erst einmal wissen." Um das aufzubereiten, hat die Stadtverwaltung viel Zeit. Die nächste Stadtratssitzung ist für Anfang Oktober terminiert. Dass es dabei ausschließlich um eine Sanierung des alten Schulhauses geht, ist wenig wahrscheinlich. "Das Programm an sich finden wir toll - aber es gibt ja noch eine Reihe anderer städtischer Gebäude. Es muss ja nicht gleich die Rotter Straße sein", sagt Fröhlich.

Das markante über 100 Jahre alte Gebäude steht nicht grundlos so sehr im Fokus des Grafinger Stadtrats: Völlig überraschend hatte das Landratsamt dort im Dezember 2008 umfangreiche Brandschutzmängel festgestellt und weite Teile des Gebäudes gesperrt. VHS und Musikschule müssen die meisten ihrer Kurse dezentral auf das Gemeindegebiet verteilen. Zahlreiche Kurse wandern nach Ebersberg ab, wo die Stadt just in den Jahren zuvor umfangreich in eine VHS- und Musikschulinfrastruktur investiert hatte.

Erst das Konjunkturpaket, dann ein Neubau per Investorenmodell und schließlich eine Sanierung des Gebäudes über eine Genossenschaft - so oft es in Grafing Hoffnung hab, so oft zerstörte sie sich wieder. Nun könnte aus dem alten Schulhaus ein langfristiges Zuhause für anerkannte Flüchtlinge werden. Die Konsequenzen für VHS- und Musikschule wären gleichwohl weitreichend.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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