Grafing:Für wenige gibt es das Bauland günstiger

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Der neue Grundsatzbeschluss nimmt in den Grafinger Vorberatungen knapp die erste Hürde. Er soll sicherstellen, dass auch weniger Betuchte sich ein Grundstück leisten können.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Bei der Diskussion über künftige Grafinger Baulandausweisungen zeichnet sich für den Kompromissvorschlag von Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) eine Mehrheit ab. Freie Wähler, Grüne und SPD haben die Vorlage im Bauausschuss am Dienstag mit sieben zu fünf Stimmen angenommen. Steht die Koalition auch im Stadtrat, gibt es in Grafing künftig weniger Bauland für Einkommensschwache. Das allerdings ist dann günstiger.

30, 65, 35, 40 sind die Eckzahlen des Grundsatzbeschlusses zur Grafinger Wohnungsbaupolitik. Dieser regelt, unter welchen Bedingungen in Zukunft billige Flächen zu teurem Bauland werden dürfen: 30 Prozent davon muss der Grundstückseigentümer kostenlos als Erschließungsflächen abgeben. Vom Rest darf er 65 Prozent auf den freien Markt bringen. Die verbleibenden 35 Prozent muss er 40 Prozent unter dem aktuellen Bodenrichtwert an Einkommensschwache verkaufen. Bisher musste er die Hälfte des Baulands vergünstigt abgeben, aber nur 20 Prozent unter dem Bodenrichtwert.

Im Mittelpunkt stünden günstige Wohnungen, günstiges Wohnbauland und öffentlich geförderte Wohnungen, umriss die Bürgermeisterin das Ansinnen. Die Zielsetzung des früheren Grundsatzbeschlusses bleibe also weitgehend beibehalten. Bei Hausgrundstücken gibt es allerdings eine deutliche Neuerung: Sie dürfen nur noch unbebaut veräußert werden. Dies ist gewissermaßen der Lerneffekt aus der teuren Wolfsschlucht. Dort hatte es Grundstück und Haus nur aus einer Hand vom Bauträger gegeben.

Neu ist auch eine Formulierung, an die sich Stadträte sowie potenzielle Grafinger Häuslebauer und Wohnungskäufer wohl erst gewöhnen müssen. "Es gibt kein Einheimischenmodell mehr - vergessen Sie dieses Wort einfach", stellte Obermayr klar. Das Konstrukt heiße in Zukunft "Wohnraumversorgung für die einkommensschwache örtliche Bevölkerung".

Was etwas sperrig klingt, liegt an einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Würden Personen wegen ihrer Gemeindezugehörigkeit zu sehr begünstigt, verstößt das gegen die im europäischen Recht verankerte Niederlassungsfreiheit. Die Dauer des Wohnsitzes darf also allenfalls noch ein kleiner Grund für den Zuschlag sein. Früher war das der Hauptgrund. Welche Auswirkungen das letztendlich auf die Vergabekriterien hat, berät der Stadtrat in einer seiner nächsten Sitzungen gesondert.

Die Bürgermeisterin drückte es bildlich aus: "Wir beschließen heute, mal grundsätzlich Fußball zu spielen. Mit zwei mal elf Mann oder Frau und einem Ball. Auf einem Feld, das 68 mal 105 Meter groß ist, mit zwei Toren und zweimal 45 Minuten lang." Abseits, Elfmeter, Eckball seien dann Sache des Kriterienkatalogs. Nur nichts vermischen war das Ansinnen der Klarstellung. Zwölf eng bedruckte Seiten zählt der Beschlussvorschlag insgesamt. Dazu gab es ein dreiseitiges Positionspapier vom Bündnis für Grafing (BfG). Theoretisch hätte es sich also bis zum Morgen diskutieren lassen.

Dass es deutlich schneller ging, lag auch daran, dass die Fraktionen den Beschluss bereits untereinander und in der Fraktionssprechersitzung ausgiebig diskutieren konnten. So reichte es im Bauausschuss, kurz noch einmal die Argumente anzusprechen. Freie-Wähler-Chef Christian Einhellig nannte die 30-, 65-, 35-, 40-Prozent-Verteilung "ein richtiges und klares Zeichen, wohin wir wollen".

Nach Ansicht von SPD-Stadtrat Ernst Böhm spiegelt die Aufteilung einerseits die Realität auf dem Grundstücksmarkt wider, "andererseits ermöglicht sie in einem akzeptablen Umfang preisgünstigeres Bauen". Für Grünen-Fraktionschefin Christiane Goldschmitt-Behmer zählte vor allem, dass verbilligtes Bauland in Zukunft noch billiger wird.

Die Opposition zu Aussagen wie diesen bildeten CSU und Bündnis für Grafing (BfG). Der CSU ging es vor allem ums Prinzipielle. "Wenn wir über einen Grundsatzbeschluss reden, dann will ich auch vorher die Kriterien festgelegt wissen, oder um im Bild zu bleiben: Ob nicht jemand am Ende einfach den Fußball mit beiden Händen ins Tor trägt."

Dem BfG fasste der Beschluss nicht weit genug. Vorsitzender Heinz Fröhlich warb für eine deutlichere Abkehr von geförderten Einfamilien- und Doppelhaushäusern.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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