Wahlkampf:Warum kommt bei der Rente nichts von der Union?

Lesezeit: 3 min

Lukas Schmid (ganz links), Ewald Schurer (nicht ganz so weit links), Anna-Maria Lanzinger (vorderer Tisch) und Andreas Lenz am Mittwochabend bei der Podiumsdiskussion der Bundestagskandidaten im Grafinger Kastenwirt. (Foto: Christian Endt)

Die Bundestags-Direktkandidaten aus Erding und Ebersberg debattieren in Grafing über Renten, Rüstung und Mindestlohn. Der einzige Konservative kommt aus Frauenneuharting.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Man stelle sich vor, es kommen die Bundestagskandidaten - und keiner geht hin. Abgesehen von ein paar Gewerkschaftlern und den Abordnungen einiger umliegender Ortsverbände ist nicht arg viel mehr losgewesen am Mittwochabend im Grafinger "Kastenwirt". Dorthin hatte der Ebersberger Kreisverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) eingeladen, um mit den gemeinsamen Direktkandidaten der Landkreise Ebersberg und Erding zu diskutieren. Vielleicht war es aber gerade diese kleine Runde, die dem sonst durchprofessionalisierten Parteiengefüge eine ganz persönliche, fast überparteiliche Note verpasste.

Meistens ist es recht einfach, einen Politiker in die parteipolitische Schublade zu stecken, doch an diesem Abend war das etwas anders. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz fuhr im Elektroauto nach Grafing. Lukas Schmid, Abiturient und Bundestagskandidat der Linken, hatte sich hingegen ganz unrebellisch in einem weißen Hemd samt Krawatte aufs Podium gesetzt. Wo nun also Äußerlichkeiten und Präferenzen bei der Fortbewegung nicht mehr zur parteipolitischen Abgrenzung taugen, da konnte es nun um die Inhalte gehen.

Das lag auch mit an der Moderatorin Birgit Frank. Die Journalistin setzte sich in die dunkelrot-rot-grün-schwarze Runde auf dem Podium und stellte erst einmal klar, was es an diesem Abend alles nicht geben werde: Gefälligkeitsfragen und Floskeln. In diesem Sinne, warum komme denn eigentlich bei der Rente nichts von der Union? Eine Frage für Andreas Lenz.

Noch nie seien die Renten so stark gestiegen, wie in den vergangenen Jahren, entgegnete der Frauenneuhartinger. "Was mir Sorgen macht, sind die Jahre nach 2030, wenn die demografische Bugwelle, die wir vor uns herschieben, am größten ist." Es bleibe also noch Zeit. Die Rentenkommission wolle die Union nach der Wahl einsetzen, weil eine ernsthafte Debatte im Wahlkampf kaum denkbar sei.

Ohne Schilder wäre es schwer, die Kandidaten ihren Parteien zuzuordnen

Linken-Kandidat Schmid schüttelte da schon heftig den Kopf und verwies auf die deutschen Rüstungsausgaben. "Locker" seien da im Jahr 40 Milliarden Euro einsparbar. Die könnten dann in höhere Renten gesteckt werden. "Es sollte auf jeden Fall eine Mindestsicherung von 1050 Euro im Monat geben und das Rentenniveau zurück auf 53 Prozent steigen." Was sie ärgere, klagte die Erdingerin Anna-Maria Lanzinger (Grüne), dass von Altersarmut überproportional viele Frauen betroffen seien. "Das weiß man seit Jahren, aber außer schönen Bekundungen passiert da nichts."

Tatsache sei doch, meldete sich SPD-Abgeordneter Ewald Schurer zu Wort: "Die Rente baut sich auf. Wenn wir Niedriglöhne abschaffen, dann schaffen wir die Zukunft für eine gute Rente." Notfalls, Stichwort Mindestlohn, müsse man die Arbeitgeber zu höheren Löhnen zwingen, was in einer Koalition mit der Union wahrlich keine einfache Sache sei.

Den Mindestlohn habe die Union doch aber mitgetragen, entgegnete Moderatorin Frank. Das stimme schon, sagte Schurer, aber eben nur als "absolute Unterschranke gegen brutale Ausbeutung". Und selbst die könne "systematisch unterlaufen" werden, weil die Wirtschaft erfolgreich gegen stärkere Kontrollen etwa auf Baustellen lobbyiere.

Mit den stärkeren Kontrollen sei er einverstanden, sagte Lenz. "Aber wenn in einer mittelständischen Bäckerei der Zoll mit der vorgehaltenen Waffe kommt, dann stellt man doch eine ganze Branche unter Generalverdacht." Linken-Kandidat Schmid nutzte das zum direkten Konter: Seit wann der Generalverdacht denn bei der CSU ein Problem sei? "Sie gehören doch zu denjenigen, die im Internet und im Kommunikationsbereich normale Leute unter Generalverdacht stellen!"

Lenz versus Lanzinger

Lanzinger sagte, sie halte den Mindestlohn nicht nur in seiner Höhe für reformbedürftig. "Zu was führt die Regelung denn? Dass Praktikanten nur noch Dreimonatsverträge bekommen, damit sie weiter für drei Euro die Stunde arbeiten können - ich habe auch zu denen gehört." Vom Grundprinzip her seien die Löhne aber nun einmal Sache der Tarifpartner, warf Lenz ein.

Überhaupt ging Lenz recht geschickt zu Werke, er, der einzige Konservative auf dem Podium, schaffte es dennoch, kaum Angriffsfläche zu bieten. Er nahm einfach Positionen ein, die auch aus der linken Ecke stammen könnten. Als Moderatorin Frank die Rente eines Gebäudereinigers im Jahr 2030 auf etwas über 500 Euro im Monat bezifferte, da fuhr ihr Lenz dazwischen: "Ich bin nicht der Meinung, dass das richtig ist!", ehe er an anderer Stelle mahnte: Man sei "immer nur so sozial, wie man mit den Schwächsten der Gesellschaft umgeht."

Wo die parteipolitischen Grenzen zwischen den Lagern verlaufen, wurde trotzdem klar, etwa beim Thema Preise fürs Wohnen: "Viele Kommunen können sich den Bau von Wohnungen doch gar nicht leisten", sagte Lanzinger. "Natürlich sehe ich den Bund in der Pflicht, die Kommunen finanziell zu unterstützen."

Lenz sah den Ansatz dagegen eher im privaten Sektor: "Es braucht Anreize, dass die Leute so viele Wohnungen bauen wie benötigt werden, das kann der Staat doch alleine gar nicht finanzieren." Immerhin herrschte grundsätzliche Einigkeit: Wohnpreise sinken nur dann, wenn das Angebot erhöht - also: gebaut - wird.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: