Grafing:"Baggl-Bruno" und die Macht der Geräte

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In seinem neuen Programm beschäftigt sich nun auch Bruno Jonas mit der digitalen Revolution. Diese Idee hatten vor ihm schon andere - in Grafing überzeugt der Kabarettist eher in seiner Paradedisziplin.

Rezension von Korbinian Eisenberger, Grafing

Dieses helle Schimmern im Publikum, nein, das gefiel ihm ganz und gar nicht. Da hatte also ein Gast ein digitales Gerät dabei, einen Tablet-PC oder ein Smartphone, und dann auch noch angeschaltet, vor seinen Augen - ein Anlass für eine bissige Improvisation: "Ich spiele hier jetzt einfach meinen Stiefel weiter runter."

Der Buchautor und Kabarettist Bruno Jonas hatte sich nur kurz geärgert, die Szene war schnell wieder verdrängt. Und dennoch, so wirkte es, hatte der Privatmensch für ein paar Sekunden den Satiriker von der Bühne verdrängt. In Jonas' neuem Programm "Nur mal angenommen..." zeigte sich, wie sehr Bühne und Wirklichkeit im Kabarett oft zusammenhängen. Die Gäste in der ausverkauften Grafinger Stadthalle bekamen am Freitagabend nicht nur gewohnt bissige Politsatire zu sehen. Jonas gewährte auch Einblicke in seine Begegnungen mit der digitalen Revolution. "Die Geräte haben eine Macht über uns", sagt er, der PC, "der macht nie, was ich will".

Jonas ist in guter Gesellschaft, Kabarett über Digitalmedien und ihren Einfluss auf die Gesellschaft liegt im Trend. Der TV-Komiker Urban Priol ("Neues aus der Anstalt") präsentierte sich auf dem Ebersberger Kulturfeuer jüngst mit einem Tablet-PC auf der Bühne, kommentierte während seines Auftritts im Sommer aktuelle Nachrichten. Zuletzt hatte der Kabarettist Michael Altinger im Alten Kino ein ähnliches Leitmotiv gewählt, ein Smartphone, das er immer wieder herauszog, um sich über sich selbst zu wundern. Die Digitalisierung der Kleinkunst, das ist derzeit in Mode.

Bruno Jonas, beschäftigt sich allerdings weniger direkt mit den Geräten selbst, als mit ihren Auswirkungen. Seit Mitte Oktober erzählt der 64-Jährige auf der Bühne aus seiner virtuellen Wohnung im Münchner Stadtteil Haidhausen, einem Zentrum für Bestellungen aus dem Internet. Als Bühnenbild dienen Jonas Paketstapel, Online-Lieferungen, die der "Baggl-Bruno" für seine Nachbarn entgegen nimmt. "Ich bin ein Autodidakt in der Paketannahme", sagt er, sinniert über Dropbox-Clouds, Playstation-Spiele und Computer-Updates; und wundert sich - mal ironisch, mal irritiert - darüber, dass es noch keine Apps für Feuerzeuge gibt.

Im Müncher Lustspielhaus würde manches nicht mehr als Brüller herhalten

Seine Bühnenfigur, in der Jonas, der Passauer, seit 1979 durch Deutschland tourt, sieht die Digitalisierung mit einer inneren Distanz, fühlt sich bisweilen von ihr überfordert, erwähnt manches, was im Münchner Lustspielhaus wahrscheinlich kaum mehr als Brüller herhalten würde. Jonas Gleichnis des Menschen als digitale "Benutzeroberfläche" wirkt überholt, Kleinkunst-Kollege Willy Astor hat selbige schon vor 15 Jahren aufgestellt, und Witze über Apps gibt es seit es Smartphone gibt. Die Grafinger störten sich daran hingegen weniger, ärgerliche Computer-Updates beschäftigen die Menschen eben bisweilen auch im Jahr 2016 noch.

Im zweiten Teil entwickelt sich "Nur mal angenommen..." von einer Abrechnung mit Medien und Internet hin zu einer philosophisch-politischen Analyse. Jonas gibt zwar weiter den "Klugscheißer" - wie er es selbst formuliert - schießt gegen Zeitungs-Feuilletonnisten und Fernseh-Moderatorinnen. Allerdings nutzt er dies vor allem als Überleitung zu einer klugen Sprachanalyse, ausgehend von der entscheidenden Frage: "Wird das Richtige falsch, wenn es der Falsche sagt?" Es geht um den AfD-Politiker Alexander Gauland und dessen Aussage, die Leute würden den farbigen Fußballer Jerome Boateng nicht als Nachbar wollen: Einem Linken wäre dieser Satz als Beobachtung ausgelegt worden, Gauland hingegen als Rassismus.

Am stärksten ist der Linguist Bruno Jonas auch in seinem elften Bühnenprogramm in seiner klassischen Disziplin: dann, wenn er gewohnt scharfsinnig zum politischen Rundumschlag ausholt. Mal aufbrausend, mal räsonierend, mal empathisch, mal verklausuliert, verschont er weder US-Präsident Donald-Trump (keiner sei besser geeignet für das korrupte Politikergeschäft), noch Grünen-Chef Anton Hofreiter, der als langhaariger Erlöser über Wasser gehen könne, "a Pfützn schafft er" zumindest. So kennt man ihn, und wer den Kabarettisten Bruno Jonas zudem schätzt, dem dürften auch diese 150 Minuten gefallen.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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