Glonn:Auf Abstand

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Normalerweise benutzen diese Straße deutlich größere Gefährte als das kleine rote Bobbycar. Unter anderem deswegen hat ein Anlieger in Glonn gegen die Erweiterung der benachbarten Zimmerei geklagt - ein Fall für die Juristen vom Bayerischen Verwaltungsgericht. (Foto: Andreas Junkmann)

Weil eine Glonner Zimmerei ihren Betrieb umbauen will, klagt der Nachbar vor dem Verwaltungsgericht. Beim Ortstermin wird deutlich, dass er damit nicht durchkommt - und wohl sogar selbst Baurecht verletzt hat

Von Andreas Junkmann, Glonn

Das rote Bobbycar parkt auf dem regennassen Asphalt am Straßenrand. Vom Fahrer fehlt jede Spur. Das liegt daran, dass es nicht etwa von einem Kind an dieser Stelle platziert worden ist, sondern von einem erwachsenen Mann. Dieser wohnt im Haus nebenan und verfolgt mit dem Spielzeugauto ein ganz spezielles Ziel: die Lastwagen abzubremsen, die auf dem schmalen Weg tagein tagaus zur nebenan gelegenen Zimmerei pendeln. In Zukunft könnte das Bobbycar für den Mann sogar noch wichtiger werden, denn der Betrieb plant umfangreiche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen - was wiederum zu noch mehr Verkehr führen dürfte. Gegen diese Pläne hat der Nachbar nun Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.

Als sich die Delegation der neunten Kammer der Münchner Justizbehörde in Glonn zum Ortstermin einfindet, liegt der Geruch von frisch geschnittenem Holz in der feuchten Luft. Im Innenhof der Zimmerei erklärt die Vorsitzende Richterin Cornelia Dürig-Friedl, was es mit den Umbauplänen des Betriebs auf sich hat: So soll das Bestandsgebäude teilweise abgerissen und wieder neu aufgebaut werden. Die Sanierungsmaßnahmen betreffen vor allem die Werkstatt, aber auch die Büroräume sollen umziehen und an der Westseite des Betriebs eine neue zusätzliche Garage entstehen. Just an der Stelle aber haben die Nachbarn vor einigen Jahren an ihr Haus angebaut. Durch die Pläne der Zimmerei befürchten diese nun, dass ihnen der Betrieb damit zu sehr auf die Pelle rückt - und haben dagegen geklagt.

Der Vorwurf lautet unter anderem, dass beim Neubau die nötigen Abstandsflächen zu ihrem Grundstück nicht eingehalten würden. Beim Blick auf den Lageplan wird schnell deutlich, dass dieser Einwand nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Denn tatsächlich liegt eine knappe Überschneidung vor. Den Nachbarn stört außerdem die aus seiner Sicht fehlende Erschließung des Geländes, denn die Zufahrtsstraße habe sich durch Baumaßnahmen über die Jahre immer weiter verengt. Und obendrein liegt der Betrieb in einem Hochwasserschutzgebiet, der geplante Umbau würde die Fließgeschwindigkeit des Wassers erhöhen, so die Befürchtung des Klägers.

Als die Richter die Örtlichkeit aber etwas genauer unter die Lupe nehmen, zeigt sich, dass diese Vorwürfe womöglich zu einseitig sind. Denn auch bei den Umbauarbeiten am Wohnhaus der Kläger lief offenkundig nicht alles plangetreu - unter anderem sind damals ebenfalls die Abstandsflächen etwas großzügig ausgelegt worden. "Derjenige, der die Abstandsflächen selbst nicht einhält, kann sich nicht beim Nachbarn beschweren", sagt deshalb der Rechtsvertreter der Zimmerei.

Auch das Argument der angeblich unzureichenden Erschließung hält dem Augenschein der Richter nicht so recht Stand. Zwar ist die Straßenbreite mit etwa 4,60 Meter tatsächlich knapp bemessen, wie eine kurze Überprüfung per Meterstab ergibt, allerdings wäre der Kläger für die Herstellung des Geh- und Fahrtrechts theoretisch selbst zuständig, da ihm die Straße gehört. Das sieht dieser aber gar nicht ein, denn die Zimmerei beteilige sich weder an den Instandhaltungs- noch an den Reinigungskosten. "Den Schaden haben wir", so der Mann.

Von einem weiteren Versuch, das Bauvorhaben mit dem Verweis auf die möglichen Außenbereichslage des Grundstücks zu verhindern, will Richterin Dürig-Friedl ebenfalls nichts wissen. Es grenze hier Wohnen an Gewerbe, ein klassisches Mischgebiet also, so die Vorsitzende, die dem Kläger deshalb nicht viel Hoffnung auf den Erfolg seiner Intervention machen kann. "Die Klage wäre abweisungsreif."

Um den Nachbar-Frieden trotzdem wieder halbwegs gerade zu rücken, bringt Dürig-Friedl schließlich einen Kompromiss ins Spiel. Vielleicht könne man die Garage ja etwas kürzer bauen und die Zufahrt als öffentliche Straße umwidmen. Dadurch könne man sich dann die anfallenden Unterhaltskosten unter allen Anliegern aufteilen - ein Vorschlag, dem die Vertreter der Zimmerei nicht nur bereitwillig zustimmen, sondern sogar erklären, den Großteil der Kosten übernehmen zu wollen.

Nun liegt es an den jeweiligen Rechtsvertretern, auszuloten, wie eine mögliche Lösung aussehen könnte. Dass eine solche her muss, daran lässt Dürig-Friedl keinen Zweifel. Dem Kläger gibt sie deshalb zum Abschied noch ein paar eindringliche Worte mit auf den Weg: "Ich schlage vor, dass Sie ihre Klage nochmal bei einem Glas Rotwein überschlafen. Denn Nachbarn gehen nicht weg und auch der Ärger bleibt."

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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