Festival-Veranstalter:Mehr als Leidenschaft

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Sie haben kaum noch geschlafen: Frank Haschler und die Initiatoren der IG Jazz Ebersberg organisierten ihr ersten Festival - ehrenamtlich und mit großem Erfolg.

Von Rita Baedeker, Grafing

Wenn Menschen ein Jazzkonzert mit einem Gottesdienst vergleichen, wenn sie es als "schönstes Konzert in ihrem ganzen Leben" bezeichnen, dann muss etwas Besonderes passiert sein.

Wenn ein Weltstar aus Übersee wie der Bassist Ron Carter der Kreisstadt Ebersberg, die kennenzulernen er sich nie hätte träumen lassen, via Facebook ein dickes Lob, oder vielmehr Like zukommen lässt, dann muss auch das Gründe haben.

Die Erklärung für diese und andere euphorische Reaktionen auf das Festival Ebe-Jazz 15 im vergangenen Oktober, hatte Jazzprofessor Joe Viera, der kurz und knapp feststellte: "Alles richtig gemacht!"

Bei einem Festival mit 105 Musikern und 22 Veranstaltungen an sieben Spielorten auf Anhieb alles richtig zu machen, und das bei einer Non-Profit-Veranstaltung, ist für ehrenamtlich tätige Laien eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Um einen solchen "Tanker" vom Stapel zu lassen und zehn Tage lang auf Kurs zu halten, braucht man mehr als Leidenschaft und Durchhaltevermögen, mehr als gute Geister, großzügige Sponsoren, eine freundlich gesinnte Glücksgöttin Fortuna und die Fähigkeit, eine gewisse Zeit lang mit weniger als vier Stunden Nachtschlaf auszukommen.

Wie das Publikum in selige Trance versetzt wird

Nicht zu reden vom Klein-Klein rund um Tourpläne, Musik-Agenturen, Transporte, Hotelunterkünfte, Catering, Rechte, Finanzen und was sonst noch alles hinter und neben den Kulissen passiert, bevor ein Ron Carter oder Chris Potter ihr Publikum in selige Trance versetzen.

Das Jazzfestival, bei dem, wie die Organisatoren berichten, Kosten ebenso wie Einnahmen "aus dem Ruder liefen", so dass es weder Gewinne noch Verluste gab, erwuchs aus einem Grafinger Samenkorn, das gedieh und erblühte. Genährt wurde es vom Engagement und der Spielfreude eines Frank Haschler, seines Zeichens Schlagzeuger, eines Joachim Jann, der Saxofon spielt, und eines Josef Ametsbichler, der als Musik-Pädagoge am Bass von Anfang an eine gestaltende Rolle inne hatte. Schon bald erwarb man sich als "Initiative Jazz.Grafing" in der Münchner Szene einen guten Ruf.

Dieses frühe Engagement der "Gründerväter" Frank Haschler, Joachim Jann und Josef Ametsbichler mündete im Januar 2014 in die Interessengemeinschaft Ebe-Jazz. Beides, die Gründerjahre und der Einstieg in den Club der Festival-Veranstalter, bot Lesern Anlass, das Team als Kandidaten für einen Tassilopreis vorzustellen. "Diese Bewegung sollte für vergangenes und zukünftiges Kulturschaffen nominiert werden", hieß es. Die vielen Jazz-Konzerte und Jam-Sessions seien eine große Bereicherung des Kulturangebots im Landkreis, sagen Musikfreunde, die früher im Kastenwirt und seit einiger Zeit in der Turmstube der Grafinger Stadthalle eine Heimat finden.

Richtig hohe Wellen der Zustimmung aber schlug das Jazzfestival - und das nicht nur bei den Fans. Um dieses grandiose Musikfest auf die Beine zu stellen, holten sich die Grafinger Jazzer als professionellen Partner den Verein Altes Kino Ebersberg und Markus Bachmeier ins Boot. Als sichere Basis und "Mantel", wie Haschler sagt. Auch die Kommunale Musikschule Ebersberg-Grafing schloss sich an, die der Jugend einen eigenen Jazz-Aktionstag, Auftritte und die Chance, sich vor großem Publikum zu beweisen, verschaffte. Gewissermaßen als künstlerischer Leiter und Botschafter stellte sich der Kirchseeoner Bassist und Jazzprofessor Martin Zenker zur Verfügung.

Zenker hat durch seine Lehrtätigkeit weltweit Verbindungen in die Szene. "Sie alle gehören zur IG Jazz", sagt Haschler mit Stolz und Freude. Alle zogen an einem Strang, auch der Freistaat und die Kommunen sowie etliche Sponsoren. Das nächste Festival im Herbst 2017 ist bereits in Planung.

Doch Kontakte, Engagement und eine gut geölte Organisation sind noch lange keine Garantie für einen Erfolg, wie die IG Jazz ihn einfahren durfte. Man muss - siehe Joe Viera - alles richtig machen. Das bedeutet, ein Programm auf die Beine zu stellen, das Jugendliche ebenso einbindet wie Ältere, ein Programm mit Top Acts und Amateuren, eines, das Kennern genügt, aber auch jenen gefällt, die von Jazz keinen Schimmer haben. Vom Bigband-Sound bis zur Jazz-Messe, von Jazz aus Afrika und Lateinamerika bis zu Soul und elektronischen Sounds reichte das Angebot, die Kinder bekamen ihr Jazzmärchen, sogar Film und Foto waren vertreten. 3500 Besucher nicht nur aus dem Landkreis, auch aus Bayern und aus Österreich wurden gezählt.

Doch auch das erklärt nicht die lockere und herzliche Stimmung dieser Tage im Oktober, Tage, die lange in der Erinnerung haften bleiben. Ein bisschen hat auch Gott damit zu tun. Als Ron Carter sich ins Goldene Buch eintrug und alle, die dabei waren, verzauberte; als Amateure und Stars sich nach dem Gig zum Jammen in der Zimtblüte einfanden. Als Carter beschloss, Martin Zenker für dessen Lehrtätigkeit Exemplare seiner Bass-Schule zu schenken. Als der Jazz in Ebersberg war und viele Menschen ein wenig glücklicher machte.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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