Entscheidung am 24. Juli:Kreisrat zieht für Tempolimit in Straußdorf vor Gericht

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Die Straußdorfer Ortsdurchfahrt ist nicht besonders breit - ganz im Gegensatz zu den Lastwagen, die hier unterwegs sind. Für Fußgänger ist besonders die Engstelle an der Kirche problematisch, denn für einen anständigen Gehweg fehlt der Platz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Straußdorfer CSU-Politiker Martin Lechner verklagt den Freistaat. Es geht um eine "gefährliche Engstelle".

Von Wieland Bögel, Grafing

Das Tempolimit in Straußdorf wird ein Fall für die Justiz. Geklagt hat die Familie des Straußdorfer CSU-Kreisrates Martin Lechner gegen den Freistaat, der für die Straße zuständig ist. Gefordert wird eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Kilometer pro Stunde. Ob dieser Forderung entsprochen werden muss, darüber entscheidet das Verwaltungsgericht am 24. Juli. Bisher gilt Tempo 50.

Der schnelle Durchgangsverkehr ist nicht erst seit Lechners Klage ein Ärgernis in Straußdorf. Bereits seit Jahren gibt es immer wieder Forderungen, die Autos zumindest im Ortskern etwas abzubremsen. Grundsätzlich ist ein Tempolimit auf Staatsstraßen möglich, wenn etwa eine Ortsdurchfahrt an einer besonderen Gefahrenstelle vorbeiführt. Diese liegt beispielsweise vor, wenn eine Schule, ein Kindergarten oder ein Seniorenheim in unmittelbarer Nähe ist.

Für die Straußdorfer ist auch der Bereich um die Kirche ein besonders gefährlicher, wie Martin Lechner nun wieder betont. Die Straße laufe hier entlang der Mauer vor der Kirche durch eine "gefährliche Engstelle", der schmale Gehweg sei bei Weitem nicht ausreichend: "Wenn da zwei Lastwagen aneinander vorbeifahren, hat man als Fußgänger Angst, an die Wand gebatzt zu werden." Nicht zuletzt seien auf dem schmalen Gehweg viele Schulkinder unterwegs, sagt Lechner, besonders für diese wäre es sicherer, wenn der Verkehr wenigstens etwas langsamer wäre.

Genau dies hatten die Straußdorfer bereits vor zweieinhalb Jahren gefordert, auf der Teilbürgerversammlung in Elkofen. Seitens der Grafinger Verwaltung und des Stadtrates schien man durchaus Sympathien für dieses Anliegen zu haben, es wurde ein entsprechendes Gesuch an die zuständigen Stellen geschickt. Mit eindeutigem Ergebnis: Der Bereich rund um die Straußdorfer Kirche sei einfach nicht gefährlich genug, um das Recht auf freie Fahrt einzuschränken, befanden 2016 unisono die Straßenverkehrsbehörde des Landratsamts, die Polizei und das Straßenbauamt Rosenheim.

Gefährdungen fließen nicht in die Unfallstatistik ein

Denn zwar wurden die Vorgaben für Tempolimits in den vergangenen Jahren gelockert, dennoch brauche es eine "konkrete Gefährdung", so die Experten damals. Und eine solche sei nicht auszumachen - schließlich habe es 2016, als die Stellungnahme erstellt wurde, keinen einzigen Unfall gegeben. Auch übermäßige Raserei der Autofahrer konnten die Fachleute damals nicht feststellen. Laut einer Messung, welche die Verkehrsbehörde des Landratsamtes anführte, seien nur etwa ein Prozent der Autos zu schnell an der Kirche vorbeigefahren - und das auch nur geringfügig zu schnell.

Zwar berichteten viele Straußdorfer von sehr konkreten Gefährdungen und Beinahe-Unfällen, doch diese fließen eben nicht in die Unfallstatistik ein. Und nur diese ist entscheidend bei der Frage nach dem Tempolimit, so die Experten 2016. Sie empfahlen statt einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Autos eine Umleitung für Fußgänger: Statt vor der Kirche über die Staatsstraße, sollten diese doch einfach hintenrum über den Friedhof laufen.

Dass man dort bisher noch kein Unfallopfer des Straßenverkehrs bestatten musste, ist für Lechner indes kein Grund, auf ein Tempolimit zu verzichten. "Man muss doch nicht erst warten, bis es Schwerverletzte oder gar Tote gibt." Im Gegensatz zu den Verkehrsexperten von Polizei, Landratsamt und Straßenbauamt ist er davon überzeugt, dass die Stelle gefährlich ist. Lechner will auch das Verwaltungsgericht davon überzeugen.

Diese Möglichkeit stand bereits einmal im Raum, kurz nach der Ablehnung des Grafinger Gesuchs an die Verkehrsbehörden. Anfang 2016 hatte der Stadtrat darüber beraten, ob Grafing beim Verwaltungsgericht Tempo 30 in Straußdorf einklagen solle, sich allerdings mehrheitlich dagegen entschieden. Zwar war das Gremium der einhelligen Meinung, die Straße vor der Straußdorfer Kirche sei eine sehr gefährliche. Andererseits rechnete man sich aber kaum Chancen auf einen Erfolg vor Gericht aus. Lediglich SPD-Stadtrat Ernst Böhm stimmte damals dafür, den Klageweg zu beschreiten, sein Argument damals: "Der schlimmste Fall wäre ja nur eine Ablehnung."

Ähnlich klingt Martin Lechner, fragt man ihn nach den Erfolgsaussichten seiner Klage gegen den Freistaat. "Wir versuchen es jetzt mal, wenn es nichts wird, haben wir eben Pech gehabt." Der Ausgang des Verfahrens sei absolut offen, sagt Lechner, entsprechende Präzedenzfälle gebe es nämlich nicht. Für komplett aussichtslos hält er seine Aktion indes nicht, schließlich wurde die Klage zur Verhandlung vom Verwaltungsgericht zugelassen. Und auch eine Niederlage wäre immer noch besser, als gar nichts zu tun, findet Lechner: "Ich will mir später nicht vorwerfen, nicht alles versucht zu haben."

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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