Einer gegen alle :Georg Reitsberger startet Alleingang gegen Umfahrung

Lesezeit: 3 min

Einer gegen alle: Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger von den Freien Wählern. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Der Vaterstettener Bürgermeister setzt sich über seinen Gemeinderat hinweg und stoppt das Verfahren für die Trassen-Pläne.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) legt die Umfahrung für Weißenfeld und Parsdorf auf Eis. Dies erklärte er am Donnerstag in der Gemeinderatssitzung. Bis auf weiteres werde die Gemeinde weder am laufenden Planfeststellungsverfahren weiterarbeiten noch Grundstücksverhandlungen im Zusammenhang mit der Umgehung führen. Eine Diskussion darüber fand im Gremium nicht statt, die neue Lage wurde unter dem Tagesordnungspunkt Bekanntgaben verkündet, zu dem laut Gemeindeordnung keine Debatte zulässig ist.

Seine Entscheidung begründet Reitsberger damit, dass die von einer Mehrheit im Gemeinderat, aber immer gegen die Stimme des Bürgermeisters beschlossene Trassenvariante überholt sei. Denn diese geht von einem Autobahnkreuz aus, wie es derzeit besteht. Im November hatte aber die Autobahndirektion eine geplante Ertüchtigung der Verbindung von A94 und 99 vorgestellt, die nach Auffassung Reitsbergers viele Probleme lösen könnte, wegen derer man eigentlich die großräumige Umfahrung bauen wollte.

So könnte die Ausweitung der A 94 auf bis zu zehn Spuren eine Umfahrung nördlich von Parsdorf überflüssig machen. Der geplante Ausbau der Kreisstraße EBE 4 beziehungsweise M 18 - diese soll weiter nach Westen verlegt und leistungsfähiger gemacht werden - könnte dann als Ableitung für eine reine Weißenfelder Umfahrung dienen. Bereits bei der Vorstellung der Pläne im Gemeinderat vor zwei Monaten hatten die Freien Wähler eine entsprechende Umplanung der Umfahrung gefordert. Statt der weiträumigen Umgehung Weißenfelds im Norden und Westen brachten sie eine alte Bekannte ins Spiel: die Südschleife (siehe unten).

Genau diese will Reitsberger nun erneut prüfen lassen, wie er am Donnerstag erklärte. Dafür soll aus Mitteln des Bürgermeisterbudgets - Mittel, über die ein Gemeindeoberhaupt ohne Zustimmung des Gemeinderates verfügen kann - Verkehrsplaner Harald Kurzak die neue alte Variante überprüfen. Konkret soll die zu erwartende Verkehrsentlastung durch die "Bürgermeister-Variante III" für Weißenfeld, Parsdorf und Hergolding untersucht werden. Ebenfalls geprüft werden soll, ob man sich die Parsdorfer Schleife sparen könnte. Beides habe die Autobahndirektion bei einem Gespräch grundsätzlich für möglich gehalten, so Reitsberger.

Es gibt bereits scharfe Kritik

Bis die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen, will Reitsberger die Arbeiten an der anderen Trassenvariante stoppen. Weder werde die Gemeinde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eingegangene Einsprüche bearbeiten noch Verhandlungen über den Kauf von für die neue Straße nötige Grundstücke führen.

Dies mache zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin keinen Sinn, sagt der Bürgermeister am Freitag auf Nachfrage, schließlich stehe die genaue Trasse erst nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens fest und damit auch, welche Grundstücke man wirklich brauche. Aber vielleicht brauche es ja am Ende viel weniger Land, um die Ortschaften vom Verkehr zu entlasten, dies soll die Prüfung nun ergeben. "Mein Bestreben war immer, dass das nicht mitten durch die Landschaft geht", sagt Reitsberger, "wenn man es nicht untersucht, habe ich mein Amt als Bürgermeister nicht ernst genommen".

Dass Reitsberger dieses Amt vielleicht zu ernst nimmt, sprich Dinge veranlasst, die ein Bürgermeister gar nicht darf, ist dagegen die Auffassung bei den beiden größten Gemeinderatsfraktionen. "Aus unserer Sicht geht das so nicht, der Bürgermeister hat Gemeinderatsbeschlüsse umzusetzen", sagt SPD-Fraktionssprecher Sepp Mittermeier. "Der Bürgermeister kann jederzeit aus seinem Budget einen Gutachter beauftragen", sagt der CSU-Fraktionschef Michael Niebler, "was er aber nicht kann, ist ein Verfahren, das der Gemeinderat beschlossen hat, anzuhalten". Denn genau dies bedeute die Anordnung des Bürgermeisters, die Einsprüche im Planfeststellungsverfahren nicht weiter zu bearbeiten, sagt auch Mittermeier. "Jetzt ist die Gemeinde am Zug, wir müssen der Regierung unsere Stellungnahmen dazu liefern, vorher geht es nicht weiter."

Vaterstetten drohen Millionenverluste

Was im speziellen Fall durchaus unangenehme Folgen für die Gemeinde haben könnte, warnen die beiden Fraktionschefs. Denn Vaterstetten hat eine Vereinbarung mit dem Investor des jüngsten Parsdorfer Gewerbegebietes getroffen: Dieser beteiligt sich mit 4,5 Millionen Euro am Bau einer Umgehung - aber nur wenn diese bis 2023 fertiggestellt ist. Laut Reitsberger werde die Verzögerung durch die neue Prüfung lediglich drei Monate betragen - wenn danach das Verfahren wie geplant fortgesetzt wird. "Oder das neue Konzept ist so überzeugend, dass man das Risiko eingeht", sagt der Bürgermeister.

Ein Risiko, das, so Mittermeier und Niebler, Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder tragen. Denn wenn durch die Verzögerung das Geld des Investors verloren geht, wäre das ein Schaden für die Gemeinde, für das die politisch Verantwortlichen unter Umständen mit ihrem Privatvermögen haften müssten.

So weit dürfte es in Vaterstetten indes nicht kommen. Zum einen werde man bei der Rechtsaufsicht im Landratsamt überprüfen lassen, ob das Vorgehen des Bürgermeisters zulässig ist, kündigt Mittermeier an. Zudem soll es möglichst in der kommenden Sitzung am 8. Februar einen Antrag geben, "dass das Verfahren fortgesetzt werden muss". Dies befürwortet auch Niebler: "Politisch besteht Klärungsbedarf." Man werde sich mit der SPD abstimmen, "es gibt ja eine stabile Mehrheit in dieser Sachfrage."

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: