Lebendschach in Ebersberg:Kreisrätin schlägt Landrat

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Mit einer Lebendschach-Partie feiert die Schachunion Ebersberg-Grafing ihr 50-jähriges Bestehen. Gekommen sind Kreis- und Lokalpolitikerin, eine Grüne erweist sich als besonders schlagkräftig.

Von Anja Blum

Was für ein Zug! Die Veranstaltung, mit der die Schachunion Ebersberg-Grafing am Sonntag ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert hat, hat ihren Zweck, "Appetit auf Schach zu machen", bestens erfüllt. Denn sie zeigte nicht nur, wie intelligent dieser Zeitvertreib ist, sondern auch wie unterhaltsam und erhellend: Wie kaum ein anderes Spiel ist Schach reich an Symbolik, hier lassen sich - mit ein wenig geistiger Beweglichkeit - Bezüge zu fast allen Bereichen des Lebens herstellen. Das bekamen die Zuschauer am Sonntag auf höchst charmante, aber unmissverständliche Art nahe gebracht.

Der Verein hatte eingeladen zu einer Lebendschach-Partie, die einer aufwendigen Theateraufführung glich: Die beiden Großmeister Helmut Pfleger und Vlastimil Hort spielten im Ebersberger Klosterbauhof einen Klassiker nach, ein Duell zwischen Akiba Rubinstein und José Raul Capablanca aus dem Jahr 1928, wobei die Zuschauer das Geschehen auf einem riesigen Spielbrett verfolgen konnten. Die Figuren nämlich werden beim Lebendschach von Menschen dargestellt, in diesem Fall von einer Reihe bekannter Kommunalpolitiker und dem Schachnachwuchs des Landkreises.

Besonders stolz zeigte sich Regisseur Georg Schweiger, Chef der Schachunion, auf die Anwesenheit des "Traumduos" Pfleger und Hort - und das völlig zu Recht. Die beiden Schachlegenden, bekannt auch aus ihrer Fernsehsendung "Zug um Zug", führten mit größter Kompetenz, aber auch mit viel Humor durch das wahrlich wilde Geschehen auf dem Spielbrett.

Als wüssten sie nicht genau, wie die Geschichte endet, kommentierten die beiden Moderatoren die einzelnen Züge, als sähen sie diese das erste Mal - und ließen so die Zuschauer an den möglichen Gedanken, Ahnungen und Überlegungen der Erfinder der so originellen wie klar verständlichen Partie teilhaben. "Du machst mir ja alles nach, was soll denn das werden?", fragte etwa Pfleger seinen Kontrahenten zu Beginn.

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(Foto: Christian Endt)

Bei Georg Schweiger, dem Chef der Schachunion Ebersberg-Grafing, passte sogar die Fliege zum Jubiläum.

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(Foto: Christian Endt)

Heiß unter der Pferdemaske dürfte es diesem Springer hier geworden sein.

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(Foto: Christian Endt)

Spektakel in schwarz und weiß: Die Aufführung der Schachunion Ebersberg-Grafing aus der Ferne betrachtet.

Dann wieder erklärte Hort, dass er jetzt einmal "die Dame ein wenig kitzeln" werde, um Bewegung in die Sache zu bringen. "Vergiftete Bauernopfer" waren hier im Spiel, genauso wie "die Infanterie, die immer vorgeschickt wird". Und eine kleine Bäuerin, der Pfleger voraussagte, dass sie in ihrem Leben noch Großes vollbringen werde. "Du wirst Dich in eine Königin verwandeln!"

Nach einer üblichen Eröffnung mit vorrückenden Bauern und Springern nimmt diese Partie jedenfalls schnell Fahrt auf. Die Figuren werden reihenweise geschlagen, was angesichts ihrer teils großen Bekanntheit und ihrer unterschiedlichen politischen Couleur freilich nicht nur schachstrategisch interessant war.

Als besonders schlagkräftig erwies sich die schwarze Dame, dargestellt von der grünen Kreisrätin Waltraud Gruber. Mit einem diskreten Lächeln fegte sie Bauern, Läufer, Springer weg, sogar Landrat Robert Niedergesäß von der CSU, einer der beiden weißen Türme, war vor ihr nicht sicher. Am Ende aber rächte diesen sein Stellvertreter Toni Ried, ebenfalls CSU und Turm.

Da die beiden Könige dargestellt wurden von den Stadtoberhäuptern Ebersbergs und Grafing, Angelika Obermayr (Grüne) und Walter Brilmayer (CSU), konnte man die Partei freilich als Wettstreit unter Nachbarn deuten. Doch wer nun gehofft hatte, seine Heimat als Sieger hervorgehen zu sehen, wurde enttäuscht: Die Schachunion hatte die Partie klug ausgewählt, denn sie endete mit einem Patt, so dass die politische wie regionale Neutralität gewahrt blieb.

Zum Schuss standen sich die weiße Dame alias Doris Rauscher, Landtagsabgeordnete der SPD, und der schwarze Obermayr-König direkt gegenüber, im Hintergrund bedrohte ein schwarzer Freibauer hoffnungslos den weißen Brilmayer-König. "Die Dame und der König könnten sich jetzt bis in alle Ewigkeiten verfolgen - deswegen biete ich ein Unentschieden an", resümierte Pfleger. "Im besten politischen Sinne."

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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