CSU im Landkreis Ebersberg:In der Demografiefalle

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Thomas Huber denkt schon einmal darüber nach, wie er die Mitgliederzahl der CSU erhöhen kann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der neue CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber nennt die Mitgliederwerbung als eine seiner Hauptaufgaben. Das ist aus der Perspektive der Partei auch bitter nötig. Denn obwohl die Zahl der Landkreisbürger wächst, verlieren die Ortsverbände Anhänger.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

"Glückauf, Dein Peter", mit diesen Worten zog sich Peter Gauweiler vor wenigen Wochen nach einem gehörigen Donnerwetter in der CSU als deren stellvertretender Chef zurück. Ein solches Donnerwetter samt wütendem Rücktritt eines Promis hat der Ebersberger CSU-Kreisverband zwar noch nicht erlebt, dennoch haben ihm in den vergangenen Jahren zahlreiche andere seiner Mitglieder "Glückauf" gewünscht. Deren Zahl ist seit gut einem Jahrzehnt rückläufig. Was erklärt, warum der neue Kreisvorsitzende Thomas Huber als eines seiner ersten Aufgaben die Mitgliederwerbung ausgegeben hat. Ob die Trendwende gelingt, muss sich zeigen, sicher ist indes schon jetzt: die Bedingungen dazu sind nicht die besten.

Das Ziel ist klar formuliert. Bis zum Ende des Jahres 2016 will die CSU im Landkreis 2016 Mitglieder haben. Das kündigte Huber in seiner Antrittsrede als Kreisvorsitzender an. Auf den ersten Blick eine durchaus leistbare Aufgabe: Derzeit gibt es rund 1800 Landkreisbürger mit CSU-Parteibuch, bei zehn oder elf Neuzugängen pro Monat wäre das erklärte Ziel zu erreichen. Anwärter auf eine Mitgliedschaft gäbe es theoretische genügend, immerhin leben im Landkreis Ebersberg laut Statistischem Landesamt derzeit mehr als 131 000 Einwohner.

Zum Leidwesen der Christsozialen wollen aber immer weniger Ebersberger bei ihnen Mitglied sein. Am meisten Zulauf hatte die CSU im Jahr 2003, als 2082 ihrer Parteibücher im Landkreis im Umlauf waren, seit damals gehen die Zahlen stetig zurück. Vor zehn Jahren hatte die Kreis-CSU noch 2033 Mitglieder, also immerhin 17 mehr, als der neue Vorsitzende in eineinhalb Jahren gerne hätte. Der derzeitige Stand entspricht dagegen etwa den Zahlen von 1993, die der langjährige Kreisvorsitzende Richard Gürteler zu seinem Abschied präsentierte, damals waren es rund 1850.

Genauere Zahlen über die Entwicklung der Mitgliederzahlen hat der Kreisverband - veröffentlicht sehen will man diese aber nicht, wie Kreisgeschäftsführerin Inge Winkelkötter sagt. Denn man befürchtet offenbar, dass aus den Statistiken Schlüsse gezogen werden, die der Partei nicht gefallen. Zumindest legt das eine Aussage der Kreisgeschäftsführerin nahe, wonach eventuelle Schwankungen bei der Mitgliederzahl etwa bei einzelnen Ortsverbänden lediglich lokale Ursachen und damit keine generelle Aussagekraft hätten. Womit Winkelkötter erstens bestätigt, dass es wohl nicht unwesentliche Schwankungen bei den Mitgliederzahlen der Ortsverbände gibt, und dass man zweitens beim Kreisverband darüber durchaus besorgt zu sein scheint.

Zumal nicht selten gerade diejenigen der CSU den Rücken kehren, die gemeinhin als ihre unerschütterlichen Stammwähler gelten: die Senioren. So löste sich Anfang vergangenen Jahres, nur wenige Wochen vor der Kommunalwahl, die Hohenlindener Senioren-Union auf. Grund war, dass sich die älteren CSU-Mitglieder schon seit längerer Zeit von ihrem Ortsverband übergangen fühlten, etwa bei der Nominierung der Kandidaten bei der Kreistagswahl. Die wurde für die CSU in Hohenlinden dann übrigens zum Denkzettel, sie stürzte von 58 Prozent im Jahr 2008 auf nur noch 38 Prozent ab. Auch bei der Bürgermeisterwahl in Grafing, der Heimatstadt des neuen CSU-Kreisvorsitzenden, fuhren den Christsozialen die eigenen Senioren in die Parade. Dass CSU-Bewerberin Susanne Linhart in der Stichwahl gegen Angelika Obermayr von den Grünen verlor, lag nicht zuletzt daran, dass einige Mitglieder der Grafinger Senioren-Union mehr oder weniger offen zusammen mit dem scheidenden Amtsinhaber Rudolf Heiler - der sich bereits 2009 mit seiner CSU überworfen hatte - gegen die eigene Kandidatin agitierten. Und in Markt Schwaben haben die Christsozialen schon seit einiger Zeit Konkurrenz von ungewöhnlicher Seite bekommen - von ihrem langjährigen Ortsvorsitzenden. 2010 trat Hubert Bauer aus Partei und Fraktion aus, zur Gemeinderatswahl 2014 gründete er seine eigene Gruppierung, die auf Anhieb zwei der 24 Sitze errang.

Und es gibt noch ein weiteres Problem. Denn auch wenn sich die Zahl der Mitglieder mittelfristig auf einen Wert zwischen 1800 und 2000 einpendelt, wäre das nur scheinbar eine Stabilisierung. Tatsächlich ist es ein nicht unerheblicher Rückgang. Grund ist, dass die Bevölkerung des Landkreises wächst, und zwar deutlich. Gab es 1993 noch etwa 115 000 Ebersberger, waren es 20 Jahre später bereits 16 000 mehr, ein Zuwachs um rund 13 Prozent. Die rund 1800 Mitglieder zur Zeit des Vorsitzenden Gürteler verliehen der CSU im Landkreis also mehr Gewicht, als die 1800 Mitglieder aktuell. Auch in den kommenden Jahren ist davon auszugehen, dass es immer mehr Landkreisbürger geben wird, zwischen einem halben bis einem Prozent dürfte die Bevölkerung pro Jahr zunehmen. Will die CSU ihren Einfluss nicht verlieren, muss sie mindestens genauso schnell wachsen. Rein rechnerisch müsste die Partei daher bereits jetzt mehr als 2100 Mitglieder haben, um auf den gleichen Anteil an der Bevölkerung zu kommen, wie im Jahr 1993. Nimmt man als Referenzpunkt die Einwohnerzahlen des Kreises von 2003 und von 2013, müsste es heute sogar mehr als 2230 Christsoziale im Landkreis geben.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse der Kommunalwahlen seit 2002. Hier verlor die CSU Prozente etwa in gleichem Maße, wie sie in den zwölf Jahren Mitglieder verlor. Waren es bei der Kreistagswahl noch 53,7 Prozent, sank der Wert sechs Jahre später auf 46,5 und im vergangenen Jahr auf 41,2 Prozent. Ähnlich sieht es in den Städten und Gemeinden des Landkreises aus, auch hier blieb die CSU bei den Wahlen der vergangenen Jahre zwar meist stärkste Partei, zu absoluten Mehrheiten reicht es aber nicht mehr. Außer in Oberpframmern halten die Christsozialen derzeit in keinem kommunalen Gremium des Landkreises mehr als die Hälfte der Sitze. Dabei ist die absolute Zahl der Stimmen, sieht man von Ausreißern wie etwa 2014 in Grafing oder Vaterstetten ab, kaum zurückgegangen. Aber ähnlich wie bei der Zahl der Mitglieder, ist auch bei der Zahl der Wählerstimmen der demografische Faktor ein Problem für die CSU: Mehr Landkreisbürger sind zwar mehr Wähler - aber eben nicht unbedingt für die CSU. Deren Wählerzahl bleibt zwar annähernd gleich, verliert aber angesichts der steigenden Bevölkerungszahl an Gewicht.

Hier gegenzusteuern dürfte ein hartes Stück Arbeit für den neuen Kreisvorsitzenden werden, und eines, an dem er sich messen lassen muss. Denn ein klares Ziel wie die 2016 CSU-Mitglieder zum Ende kommenden Jahres, ist leicht zu überprüfen. Vielleicht ist es da kein Zufall, dass Huber nach seiner Nominierung zum Kreisvorsitzenden ausgerechnet Vorgänger Richard Gürteler als sein Vorbild nannte. Denn dessen 22-jährige Ägide bescherte der Kreis-CSU den größten Mitgliederzuwachs ihrer Geschichte: als der Glonner Bäckermeister 1967 Vorsitzender wurde, hatte der Kreisverband nämlich gerade einmal 400 Mitglieder.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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