Ebersberg:Hungern, um gehört zu werden

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Eine Gruppe junger Männer aus Pakistan und Afghanistan protestiert vor dem Landratsamt gegen nervenzehrend lange Asylverfahren und das Arbeitsverbot

Von Anselm Schindler und Barbara Mooser, Ebersberg

"Die Nacht war ganz schön kalt", sagt Baskarat Abbas und friemelt an seinem Schlafsack herum. "Aber wir haben noch Hoffnung, dass sich an unserer Situation was ändert, deshalb bleiben wir hier." Ein schwarzes Stofftransparent, aufgespannt zwischen einem Verkehrsschild und einem Baum, flattert vor dem Landratsamt im Wind. "Dry Hunger Strike" steht mit großen weißen Lettern darauf geschrieben. Am Rand des Parkplatzes sitzen, zwischen Schlafsäcken und Decken, knapp 20 junge Männer und ein paar Unterstützerinnen.

Die Asylsuchenden hatten sich bereits am Montagnachmittag vor der Behörde versammelt und ihre Transparente ausgerollt, "Bleiberecht für alle sofort", "We want Freedom" oder "Refugees Welcome" steht darauf. Die Protestler kommen überwiegend aus Pakistan und Afghanistan, sie befinden sich seit Dienstagmorgen im Hungerstreik, auch trinken wollen sie nichts mehr. "Keiner hat sich bisher für uns interessiert, vielleicht hört man uns jetzt zu", sagt ein 33-Jähriger, der in einer Unterkunft in Grafing lebt.

Die Flüchtlinge aus Pakistan und Afghanistan haben sich mit Decken und Schlafsäcken auf dem Parkplatz vor dem Landratsamt niedergelassen.

Sie verweigern seit Dienstag Essen und Trinken.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Behörde lässt die Männer gewähren, so lange alles friedlich bleibt.

Die Geflüchteten streiken für Bleiberecht und für die Möglichkeit zu arbeiten - im Landratsamt hat man, nach Rücksprache mit der Polizei, entschieden, sie vorerst gewähren zu lassen. "Solange alles friedlich ist, steht von unserer Seite nichts entgegen", sagt Dieter Lerchl, Chef der Polizeiinspektion Ebersberg. So sieht man es auch in der Behörde: Grundsätzlich stehe es jedem zu, seine Meinung frei zu äußern, schreibt Landrat Robert Niedergesäß in einer Stellungnahme, solange das friedlich geschehe und niemand gefährdet werde. Angemeldet ist die Protestaktion bis Ende der Woche.

Baskarat Abbas, pakistanischer Asylbewerber, lebt bereits seit vier Jahren in Deutschland, noch immer sei über seinen Asylantrag nicht entschieden, sagt er. Eine Rückkehr in die Heimat sei für ihn undenkbar, "wenn man daheim leben könnte, wäre keiner von uns hier", sagt der 27-Jährige. Auch die Zustände in Deutschland seien für viele Asylbewerber nicht tragbar. "Wir dürfen nur in der Unterkunft sitzen", sagt er. Dabei wolle jeder einfach nur seinen Lebensunterhalt selbst verdienen und sein Leben selbst gestalten: "Wir brauchen kein Sozialgeld, wir können selber etwas tun."

Auch Moustapha Biaye, der vor einigen Jahren aus dem Senegal floh, ist wütend: "Die Politiker in der EU sagen immer, dass es wichtig ist, dass die Kinder in Afrika in die Schule gehen. Aber was ist hier? Viele Flüchtlinge bekommen hier auch keine Deutschkurse, wo ist da die Moral?" Aus einem der vorbeifahrenden LKW pöbelt jemand in Richtung Asylbewerber, seine Stimme geht im Verkehrslärm unter. Biaye und Abbas versuchen, ihn zu ignorieren, Abbas schüttelt den Kopf. "Hier kamen schon einige vorbei, die uns beleidigt haben, die wollen sich aber auch gar nicht anhören, was wir zu sagen haben". Viele der Aktivisten, die beim "Refugee Struggle for Freedom" - so heißt das Netzwerk, das die Protestaktion organisiert, mitmachen, seien bereits in ihrer Heimat für Menschenrechte auf die Straße gegangen, berichtet Abbas, der derzeit in Passau lebt, und nach Ebersberg gekommen ist, um bei der Koordinierung der Protestaktion zu helfen.

Landratsamt und Polizei haben inzwischen auch das Bayerische Rote Kreuz über den Hungerstreik informiert. Am frühen Nachmittag kommt ein Krankenwagen vorbei, Sanitäter machen sich ein Bild von der Lage.

Der "Refugee Struggle for Freedom" koordiniere sich über Facebook und E-Mail-Verteiler, erklärt Abbas. Aus Ebersberg hätten sich inzwischen rund 30 Geflüchtete dem Protestnetzwerk angeschlossen. Dem Netzwerk gehe es auch um politische Kritik, ergänzt Moustapha Biaye: "Woher kommt die Armut in Afrika, woher kommen die Waffen und die Kriege? Der Westen hat viel Ungerechtigkeit in die Welt gebracht - und dann gehen die Menschen weg aus ihren Ländern, aber hier leben dürfen sie nicht? Wo sollen wir denn hin?"

Mit der Polizei sei vereinbart, dass das BRK sofort informiert werde, wenn sich der gesundheitliche Zustand der Protestler verschlechtere, erklärt BRK-Einsatzleiterin Martha Stark. Kreislaufprobleme oder Schwindelgefühle seien die ersten Symptome bei starkem Flüssigkeitsmangel - bei jungen Erwachsenen träten solche Symptome in der Regel aber erst nach etwa drei Tagen auf.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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