Ebersberg:Hiebe mit dem Nordic-Walking-Stock

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Eine 72-Jährige muss eine Geldstrafe zahlen, weil sie ihre Nachbarin angegriffen hat.

Von Andreas Salch, Ebersberg

Freundinnen werden die beiden Frauen wohl nicht mehr. Wie auch, nach all dem, was vorgefallen sein soll: üble Beschimpfungen und Schläge mit Nordic-Walking-Stöcken gegen den Oberarm. Die mutmaßliche Übeltäterin, eine 72-jährige Rentnerin aus dem nördlichen Landkreis, war dafür vom Amtsgericht Ebersberg im Sommer dieses Jahres zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro verurteilt worden. Das entspricht 150 Tagessätzen. Jetzt trafen sich die zwei Frauen wieder vor Gericht, und zwar vor dem Landgericht München II, wo die 72-Jährige Berufung gegen ihre Verurteilung in der ersten Instanz einlegte.

Die Angeklagte ist nicht mehr gut auf den Beinen, weshalb sie sich mit Nordic-Walking-Stöcken abstützt. "Wo darf ich mich hinsetzen", fragte die Rentnerin laut und mürrisch beim Betreten des Gerichtssaals. "In die erste Reihe", antwortete der Staatsanwalt höflich. Die Frau erschien ohne Anwalt. Was denn das Ziel ihrer Berufung sei, wollte Richterin Sabine Klemt wissen. "Ich will meine Ruah ham. Herrschafts is des ein Zirkus", entfuhr es der Rentnerin. Die Verhandlung schien aus dem Ruder zu laufen, doch Richterin Klemt bewahrte die Ruhe. Sie machte der 72-Jährigen klar, dass sie es gewesen sei, die Berufung eingelegt habe. Wenn sie die aufrecht erhalten wolle, dann solle sie sich auch bitteschön ordentlich verhalten.

Die Angeklagte bebte und legte los: "Die Freche" unter ihr habe fast nie ein vernünftiges Wort mit ihr geredet. Gemeint war das mutmaßliche Opfer, ebenfalls Rentnerin und 78 Jahre alt. Die beiden Frauen, die sich offenbar noch nie grün waren, leben seit vielen Jahren in einem Mehrparteienhaus. Die Angeklagte lebt allein in einer Wohnung und zwar genau über der ihrer mutmaßlichen Widersacherin.

Am 19. November vergangenen Jahres begegneten sich die beiden nachmittags in einem Park. Die 78-jährige Rentnerin ging mit ihrem Hund Gassi. Als die Angeklagte sie sah, soll sie ihre Nachbarin schon aus der Ferne mit allerlei Verbalinjurien belegt haben. Und in dem Moment, in dem die Frauen aneinander vorbeigingen, soll die 72-Jährige mit einem ihrer Nordic-Walking-Stöcke ihrer Widersacherin gegen den Oberarm geschlagen haben. Die Angeklagte behauptete, sie sei zuvor absichtlich geschubst worden und versicherte, sie habe ihre Nachbarin nicht beleidigt. "Ich möcht die Sach' hinter mich bringen", drängte die 72-Jährige und grummelte: "Des werd' dermaßen überjubelt."

Das Opfer schilderte den Vorfall freilich völlig anders. "Wenn Sie die Frau kennen würden . . .", sagte die 78-Jährige zu Richterin Klemt. Auf deren Frage, ob es zwischen ihr und der Angeklagten denn immer so zugehen würde, erwiderte die Zeugin: "Ja, die ganze Straße kennt sie, die ist so böse, die Frau." Da die 72-Jährige sich keinen Anwalt genommen hatte, hielt sie das Plädoyer selbst und verlangte in forschem Ton einen Freispruch. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft meinte unter anderem, er habe sich ein Bild von der Angeklagten machen können und sagte, dass das Urteil des Amtsgerichts in Ordnung sei.

Dem schloss sich auch das Gericht an. Richterin Klemt warnte die Angeklagte: Wenn sie nicht damit aufhören, ihre Nachbarn zu beleidigen, müsse sie auch mit einer Freiheitsstrafe rechnen. "Sie wären nicht die erste, die in Ihrem Alter ins Gefängnis kommt", ermahnte Richterin Klemt die 72-Jährige.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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