Ebersberg:Finanziell im Aufwind

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Durch die neue Einspeisevergütung rechnen sich ab nächstem Jahr Großrotoren selbst im eher windarmen Münchner Umland.

Lars Brunckhorst

Der Wind hat sich gedreht. Seit der Atomausstieg beschlossen ist, hat auch die CSU ihr Liebe zur Windkraft entdeckt. Geht es etwa nach Bayerns bisherigem Umweltminister Markus Söder sollen sogar Landschaftsschutzgebiete für Windräder geöffnet werden, damit der Freistaat bis 2022 die Energiewende schafft. Mit diesem politischen Rückenwind drücken auch immer mehr Investoren in die ehemals verschmähten, weil als windarm geltenden Regionen - zu denen unter anderem das Münchner Umland gehört.

Auf einmal gilt die Schotterebene als geeigneter Standort für Windkraftanlagen. Die Münchner Stadtwerke oder Firmen wie Green City Energy, die sechs Rotoren im Ebersberger Forst errichten will, versprechen sich eine lukrative Energiegewinnung. Dabei liegt der zu erwartende Ertrag weit unter dem in anderen Gegenden Deutschlands. So schätzt etwa der auf die Beurteilung von Windenergieanlagen spezialisierte Nürnberger Gutachter Peter Markert die Windgeschwindigkeiten im Raum Ebersberg niedriger ein als im bayerischen Windatlas. Markert, der gerade eine Standortuntersuchung für die Gemeinde Vaterstetten erstellt hat, hat die sogenannte Windhöffigkeit auf der Grundlage von Daten des Deutschen Wetterdienstes berechnet. Und danach wird nur an ganz wenigen Punkten rundum Vaterstetten der sogenannte Referenzertrag erzielt. Dieser wird bei einer Windgeschwindigkeit von mehr als 5,3 Metern in der Sekunde erreicht, das entspricht knapp 20 Stundenkilometern. Bei Frotzhofen, also zwischen Anzing und Purfing, wäre das wohl der Fall, im Westen von Purfing werden dagegen die schlechtesten Werte erreicht - dabei liegen genau hier die größten Flächen für Windräder.

Warum aber glauben Investoren und Energiekonzerne, dann trotzdem Windenergie in der Region nutzen zu können? Das liegt zum einen daran, dass die Windkraftanlagen der neueren Generation schon bei geringeren Windgeschwindigkeiten anlaufen und die Rotoren außerdem immer größer werden. Mittlerweile sind Nabenhöhen von 140 Metern und Rotorblätter von 50 Metern Standard. Ein weiterer, entscheidender Grund aber ist, dass der Referenzertrag vom kommenden Jahr an keine Rolle mehr spielt.

Dieser wurde seinerzeit vom Bundesgesetzgeber eingeführt, um eine Verspargelung der Landschaft zu verhindern und Windräder auf küstennahe Gebiete oder das Meer zu konzentrieren. Nach dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) erhalten nur solche Anlagen eine Einspeisevergütung garantiert, die den Referenzertrag erreichen. Dieser aber wird infolge des beschlossenen Atomausstiegs zum 1. Januar abgeschafft. Danach werden alle Windräder, die ans Netz gehen, mit einer garantierten Vergütung belohnt, wie Experte Markert in Vaterstetten erklärte. Das bedeutet: Windkraftanlagen können sich betriebswirtschaftlich auf einmal auch hierzulande rechnen. Je nach Betriebs- und Finanzierungsmodell gebe es "ökonomische Perspektiven auf einen wirtschaftlichen Erfolg", so Markert. "Die Entscheidung fällt letztlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht."

Heißt das, Windräder sind unter Umständen von der Gesamtbilanz ein ähnlicher Unsinn wie Wasserkraftwerke, die beim Hochpumpen des Wassers in einen Stausee mehr Strom verbrauchen als sie produzieren, sich aber rechnen, weil sie ihren Strom zu teuren Spitzenzeiten verkaufen, während die Pumpen mit billigem Nachtstrom laufen? So weit ging Markert in Vaterstetten nicht: Er gehe davon aus, dass die tatsächlichen Windgeschwindigkeiten und damit der Ertrag größer seien, als die konservative Datenbasis ergibt. Die Windkraftindustrie verfüge mit Sicherheit über Erkenntnisse, die eine bessere Ertragssituation erwarten ließen. Klarheit können allerdings nur Probemessungen liefern.

© SZ vom 05.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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