Ebersberger Amtsgericht:Freispruch nach tödlichem Unfall

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Das Amtsgericht Ebersberg. (Foto: EBE)

Amtsgericht spricht Autofahrer vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Seine Frau war bei einem Unfall vor einem Jahr ums Leben gekommen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Ein tragischer Zufall oder Fahrlässigkeit? Darüber musste nun das Amtsgericht Ebersberg entscheiden. Angeklagt war ein 51-jähriger Kfz-Spengler, dessen Ehefrau vor einem Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Der Wagen der beiden war im südlichen Landkreis in einer Kurve von der Spur abgekommen und in ein entgegenkommendes Auto geprallt. Dessen Insassen wurden lediglich leicht verletzt. Letztlich kam das Gericht zu der Überzeugung, dass niemand an dem Unfall schuld war und sprach den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei.

So richtig verstanden hat der 51-Jährige die ganze Sache bis heute nicht. Er frage sich, warum er vor Gericht sitzen müsse, und nicht die Leute, die seine Frau totgefahren hätten, so der Angeklagte. Zumindest daran, dass andere Verkehrsteilnehmer keinerlei Verschulden am Tod der Ehefrau des Angeklagten hatten, gab es aber keinerlei Zweifel. Deutlich schwieriger zu beantworten war schon die Frage, ob überhaupt jemand an dem tödlichen Unfall Schuld war. Die Staatsanwaltschaft beantwortete dies eindeutig mit Ja und beschuldigte den Angeklagten der Fahrlässigkeit. Auch wenn kein Fahrfehler des 51-Jährigen vorlag, sei dieser zumindest indirekt für den Unfall verantwortlich, da er zu alte Reifen auf das Auto montiert habe.

Die Reifen waren alt. Aber waren sie auch für den Unfall verantwortlich?

Tatsächlich waren diese bis zu 14 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft hatte daher einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung in Höhe von 7500 Euro beantragt, ein Antrag dem Richterin Vera Hörauf allerdings nicht folgte, weshalb es nun zur Verhandlung kam.

Vor Gericht bestritt der Angeklagte nicht, dass er selbst die Reifen besorgt und auf das Auto montiert hatte. Allerdings hätten die Reifen den geltenden Bestimmungen entsprochen, die Profiltiefe sei ausreichend gewesen. Dies bestätigte auch ein Sachverständiger, der den Unfallort und das Autowrack untersucht hatte. Das Profil hatte noch eine Tiefe von vier bis acht Millimeter besessen, mindestens vorgeschrieben seien 1,6 Millimeter. Zwar seien die Reifen des Unfallwagens schon zwischen neun und 14 Jahren alt und möglicherweise nicht mehr so griffig gewesen wie neue. Allerdings gebe es keinerlei Verordnung oder Bestimmung, welche ein Höchstalter für Reifen festlege.

Der TÜV hätte die Pneus nicht beanstandet

Wäre der Angeklagte damit beim TÜV gewesen, hätte man ihn anstandslos weiterfahren lassen, so der Sachverständige. Möglicherweise hätten ihn die Prüfer auf das Alter der Reifen hingewiesen und empfohlen, demnächst neue zu kaufen, "aber er hätte mit diesen Reifen eine Plakette bekommen".

Auch ob der Angeklagte selbst hätte erkennen können, dass die Reifen überaltert waren, blieb nach Aussage des Experten zumindest fraglich. Die wenigsten wüssten, dass Reifengummi nach sechs bis sieben Jahren an Elastizität und damit an Griff verliere, so der Sachverständige, und das habe einen einfachen Grund "die meisten sind eh lange zuvor abgefahren". Zudem sei es bei einem nicht abgefahrenen Reifen nicht einfach, das Alter zu erkennen, dies gehe lediglich aus einer kleinen eingeprägten Nummer im Gummi hervor.

Ohnehin sei nicht sicher, ob der Zustand der Reifen überhaupt maßgeblich zu dem Unfall beigetragen hatte, so der Sachverständige. Den fatalen Crash bezeichnete er als "den ungewöhnlichsten Unfall, den ich je untersucht habe". Zunächst war der Wagen in einer Kurve ins Schleudern geraten, schon daran seien mehrere Faktoren verantwortlich. Zum einen war die Fahrbahn feucht und abgefahren, außerdem habe der Wagen, ein älteres Modell mit Automatikgetriebe, beim Ausfahren und Beschleunigen einen sogenannten "Kick-Down" vorgenommen, also in einen niedrigeren Gang umgeschaltet und so das Ausbrechen begünstigt.

In diesem Moment kam ein anderes Fahrzeug entgegen, welches den Wagen des Angeklagten ausgerechnet an einem wenig geschützten Teil der Beifahrerseite traf, wo die Ehefrau saß. Durch den Aufprall habe sich außerdem noch der Motor verschoben, so dass der Gaszug blockierte und das Automatikgetriebe von selbst in den Rückwärtsgang schaltete. In der Folge prallte das Auto des Angeklagten mehrmals mit dem Heck gegen das andere Fahrzeug, bis schließlich der Motor aussetzte, da die Benzinleitung gerissen war.

Richterin Hörauf versuchte in einem Rechtsgespräch eine Verständigung zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft zu erreichen, um das Verfahren einzustellen. Doch die Anklagevertreterin hielt am Vorwurf der fahrlässigen Tötung fest und bestand auf einem Urteil - was dann nicht im Sinne der Staatsanwaltschaft ausfiel. Dass es zu dem tödlichen Unfall kam, habe an "einer Verkettung unglücklicher Faktoren gelegen", die vom Angeklagten nicht hätte verhindert werden können, so die Richterin und sprach den 51-Jährigen frei.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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