Ebersberg:Ein Urteil und viele Zweifel

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Ein Asylbewerber wird wegen falscher Dokumente verurteilt

Von Anselm Schindler, Vaterstetten

Das letzte Wort hat der Angeklagte. Der 38-jährige Pakistani warf Richterin Vera Hörauf vor dem Urteilsspruch im Ebersberger Amtsgericht verunsicherte Blicke zu, er bitte sie darum, von einer Geldstrafe abzusehen. Nur, wenn er endlich eine Arbeitserlaubnis bekomme, dann könne er die Strafe auch abbezahlen, sagte der Asylbewerber, der in einer Sammelunterkunft im nördlichen Landkreis lebt. Hörauf verurteilte ihn trotzdem, sie könne nicht all zu weit vom üblichen Strafmaß abweichen, erklärte die Richterin in der Urteilsbegründung. Verurteilt wurde der 38-jährige wegen unerlaubter Einreise in die Bundesrepublik und des Beschaffens von falschen amtlichen Ausweispapieren.

Im Dezember 2015 wurde der Pakistani in Simbach am Inn von der Polizei aufgegriffen. Bei seiner Durchsuchung fanden die Beamten ein Dokument der tschechischen Grenzpolizei, als Herkunftsland war dort Afghanistan eingetragen. Gegen den 38-Jährigen wurde deshalb ein Verfahren wegen unerlaubter Einreise und Verschaffung falscher Ausweispapiere eingeleitet, schließlich kommt der Mann aus Pakistan, wie er selbst zugibt.

Vor einigen Wochen dann erhielt der Asylbewerber einen Strafbefehl: 60 Tagessätze zu je zehn Euro, es stand also eine Gesamtstrafe von 600 Euro im Raum. Der Asylbewerber legte Widerspruch ein, deshalb wurde das Verfahren neu aufgerollt. Der Fall wurde bereits am Dienstag verhandelt. In der Sitzung stellte der Anwalt die Seriosität der Urteilsbegründung im Strafbefehl infrage. Dort stehe, dass der Angeklagte den deutschen Polizeibeamten die Urkunde ihrer tschechischen Kollegen gezeigt habe, um sie über seine Herkunft zu täuschen. Das allerdings sei falsch, schließlich habe er das Papier nicht vorgezeigt, die Beamten hätten es lediglich bei der Durchsuchung gefunden. Zudem habe sein Mandant weder wissen können, was in dem Dokument genau steht, noch dass er damit nicht in Deutschland einreisen dürfe.

Außerdem sei fraglich, so der Anwalt, ob es sich bei dem Dokument überhaupt um eine Urkunde handele, die als Ausweispapier anzuerkennen sei. Um über diese Frage Klarheit zu schaffen, ließ Richterin Hörauf das Dokument übersetzen, weshalb erst am Donnerstag weiterverhandelt werden konnte. Die Grenzpolizei habe die Zettel ausgefüllt und die Geflüchteten dann weitergeschickt, berichtete der 38-Jährige bereits am Dienstag. Beim Ausfüllen habe der eine Polizist zu seinem Kollegen gesagt: "Schreib für ihn auch Afghanistan auf, sonst wird er zurückgeschoben".

Das Dokument bescheinigte dem Angeklagten, sich auf der Durchreise zu befinden und in einem anderen Land einen Asylantrag stellen zu wollen, das war nach der Übersetzung klar. Und da der Angeklagte bereits zugeben habe, dass er wusste, dass in dem Dokument ein falsches Herkunftsland stehe, spiele es keine Rolle, ob er das Dokument lesen könne, argumentierte Hörauf. Sie sei auch der Meinung, dass das Formular dazu geeignet sei, Aufschluss über die Herkunft des Asylbewerbers zu geben, so Hörauf. Es handele sich also um ein "ausweisähnliches" Dokument.

Sie glaube dem Pakistani zwar, dass er das Dokument nicht bewusst der deutschen Polizei vorgezeigt habe, allerdings stelle bereits die Beschaffung und die Einfuhr des Papieres eine Straftat dar. Hörauf blieb also beim Strafmaß des Strafbefehls, die 600 Euro kann der Flüchtling in Raten abbezahlen.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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