Ebersberg:Der letzte Akt des Ebersberger Kulturkreises

Lesezeit: 3 min

Geldsorgen, zu viel Konkurrenz, Überalterung: Der Ebersberger Kulturkreis wird sich nach dieser Spielzeit nach 30 Jahren auflösen. Vorher soll es einen fulminanten Abschied geben.

Von Anja Blum, Ebersberg

Nun ist es sicher: Der Vorhang fällt. Schon länger hat Angelika Kratzer gehadert mit ihrem Schicksal, wie sie es vermutlich nennen würde, von Anbeginn bis heute Chefin des Ebersberger Kulturkreises zu sein - doch erst jetzt ist klar: Sie wird den Hut nehmen, und mit ihr die gesamte Vorstandschaft. Dieses Jahr wird der Verein seine geplanten Veranstaltungen noch wie gewohnt über die Bühne bringen, 2018 steht eine letzte Versammlung an, bei der laut Kratzer "alles abgewickelt wird", dann ist, nach 30 Jahren, endgültig Schluss.

Öffentlich gemacht hat Kratzer die Entscheidung am vergangenen Wochenende, als der Kulturkreis im Alten Speicher "Opern auf Bayrisch" erklingen ließ. Ein fulminanter Abend vor vollem Haus - und damit auch ein schöner Abschied von der großen Bühne in Ebersberg. Im Alten Speicher wird der Kulturkreis nämlich nie wieder aktiv sein.

Entstanden ist der Ebersberger Verein 1987, die damalige CSU-Stadträtin Kratzer gründete ihn, wie sie augenzwinkernd erzählt, "auf Geheiß" des damaligen Bürgermeisters Hans Vollhardt. "Er wollte, dass aus dem Alten Kino ein Kulturraum wird, und hat jemanden gesucht, der sich darum kümmert."

Doch als die Kleinkunstbühne dann fünf Jahre später eröffnet wurde, setzte sich die Gruppo di Valtorta als Betreiber durch, der Kulturkreis ging leer aus. "Aber sollten wir deswegen alles hinschmeißen?" Natürlich nicht, sagt Kratzer, schließlich habe der Verein da schon etwa 80 Mitglieder gezählt und einiges an Erfahrung gesammelt. Und so blieb der Kulturkreis ein Vagabund, der überall sein anspruchsvolles Unwesen trieb - von der Sieghartsburg über die Pfarrkirche bis zum Klosterbauhof.

Die finanziellen Sorgen wurde der Verein nie los

Mit der fehlenden Heimat einher geht wohl eines der größten Probleme des Kulturkreises: die finanziellen Sorgen, die ihn laut Kratzer bis heute quälen. Der Verein hat sich von Anbeginn an der Hochkultur verschrieben - eine Entscheidung, die fast zwangsläufig zu hohen Gagen einerseits und spärlich besetzten Rängen andererseits führte. Von der Stadt gab es zwar immer wieder "wohltuende Spritzen" und Kratzer füllte die Kasse jedes Jahr mit Kulturreisen auf, doch wenn alle Stricke gerissen wären, hätte sie auch hier die Verantwortung übernommen.

Bislang ist es immer gut gegangen, auch wenn Einnahmen und Ausgaben seltenst ausgeglichen waren, selbst wenn das Publikum so zahlreich erschien wie bei den "Opern auf Bayrisch" im Alten Speicher. "Obwohl die Veranstaltung wirklich sehr gut besucht war, haben wir wieder etwa 4000 Euro Miese gemacht", sagt Kratzer. Schon alleine deshalb, weil die Nebenkosten immens seien. "Man muss neben Gage und Miete für Essen sorgen, Gebühren an Gema und Künstlersozialkasse abführen, die Technik bezahlen und sogar die Garderobe. Es gibt einfach nichts geschenkt", so ihr Fazit.

Angesichts dessen die Veranstaltungen mehr dem Geschmack des Publikums anzupassen, kam für den Kulturkreis indes nie in Frage. "Das Niveau senken? Niemals!", sagt Kratzer noch heute. "Die Leute, die gekommen sind, waren ja immer begeistert und haben es bedauert, dass nicht mehr da waren." Der Applaus und der Dank seines kleinen, aber feinen Publikums - das sei stets der Motor gewesen, der den Kulturkreis angetrieben habe.

Das zweite Problem ist: die Konkurrenz. Mit Altem Speicher und Altem Kino ist Ebersberg mittlerweile so etwas wie die Kulturmetropole des Landkreises geworden, in keiner anderen Kommune gibt es ein derart dichtes kulturelles Angebot. "Da macht es einfach keinen Sinn, parallel einen Kulturverein am Leben zu erhalten", sagt Kratzer. "Da haben wir keine Chance." Zumal die Zusammenarbeit mit dem Betreiber von Altem Kino und Speicher nicht ganz einfach sei. "Mehr sage ich dazu jetzt aber nicht."

Der Verein hat 280 Mitglieder

Derzeit zählt der Kulturkreis 280 Mitglieder, eine durchaus beachtliche Zahl - doch sie trügt ein wenig. "Ein paar sind 60, viele 70 und manche 80 - 50 ist kaum jemand", beschreibt Kratzer die prekäre Lage. Auch die Vorsitzende selbst feiert bald ihren 73. Geburtstag. Insofern fehlt es dem Kulturkreis zusätzlich zu allen anderen Problemen schlicht an Nachwuchs, der den Verein mit Elan in eine neue Zeit führen könnte.

Zumal nicht nur der Chefposten vakant wäre, sondern auch die Ämter von Schriftführerin Christa Schmidmaier und Kassier Franz Desloch. Letzterer habe mit seiner Entscheidung aufzuhören den Stein endgültig ins Rollen gebracht, erzählt Kratzer, er sei "der berühmte erste Dominostein" gewesen.

Traurig ist Kratzer über das Ende des Kulturkreises allerdings "kein bisschen". Sie sei einfach nur noch ausgelaugt, sagt sie. "Aber ich will nicht als zerfledderte Kulturleiche enden, sondern mich jetzt mit noch wehenden Fahnen verabschieden." Und einen Nachfolger zu suchen - das sei schlicht sinnlos: zu viele Widrigkeiten stünden ihm bevor, zu wenig Zukunft. "Das will ich niemandem antun."

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: