Rot leuchten im Schein der Abendsonne die bizarren Felsformationen des Monument Valley im US-Bundesstaat Utah. Vor dem spektakulären Massiv ragt kohleschwarz das Geäst eines knorrigen Baums über der roten Sandwüste auf - ein Motiv, das keiner vergisst, der es einmal gesehen hat. Auch Stefanie Lipp, die diesen Holzschnitt geschaffen hat, war beeindruckt von der Weite und Dramatik dieser Landschaft. "Auf weiter Flur" lautet der Titel der Ausstellung von Farbholzschnitten, Radierungen und Siebdrucken des Projektseminars Q 12 am Gymnasium Grafing, die von diesem Donnerstag an in der Galerie der SZ-Redaktion Ebersberg gezeigt wird.
Zwölf Schülerinnen haben diese Ausstellung jeweils in Zweiergruppen erarbeitet. 200 Originale sind dabei entstanden. Ziel des Seminars war, dass die jungen Leute von A bis Z alles selber in die Hand nehmen, was zur Vorbereitung und Planung einer Ausstellung gehört: edle Einladungskarten für die Vernissage gestalten, die Pressearbeit übernehmen, Rahmen organisieren, mit Ösen versehen und mehr - was eben ein Galerist so alles zu erledigen hat. So professionell sind die Schülerinnen an ihre Aufgaben herangegangen, dass der Redaktion nicht mehr zu tun bleibt, als sich auf möglichst viele Besucher zu freuen.
Die elf Holzschnitte und Hand-Radierungen, die bis Ende Januar im Redaktionsflur hängen, entstanden in der Schule, die Siebdrucke auf zwei Rucksäcken, die ebenfalls gezeigt werden, in einem Münchner Betrieb. Die Rahmen für die Bilder durften die Künstler bei den Kollegen am Gymnasium Vaterstetten ausleihen. "Die Schüler lernen in einem P-Seminar vor allem Eigenständigkeit", sagt Kunstlehrerin Christine Lindenmüller. Sie hatte die Idee, das Thema Drucktechnik anzubieten. Schon beim Hängen der Bilder gab es zustimmende Kommentare; auch der stets kritische SZ-Fotograf zeigte sich beeindruckt.
Bei den Holzschnitten wurde mit einer "verlorenen Platte", wie man diese Technik nennt, gearbeitet. Gedruckt wurde in drei Schritten. Bei diesem Verfahren werden vom ersten Schnitz- und Druckvorgang bis zum letzten die druckenden Teile des Holzstocks immer kleiner. Das Motiv kristallisiert sich nach und nach heraus. Es gibt bei der Technik keine Probedrucke und auch keine Möglichkeit, Nachdrucke herzustellen. Der Druckstock selbst, die Holzplatte, ist verloren. "Gerade diese Technik zwingt einen dazu, die Bildvorstellung auf das Wesentliche zu reduzieren und sich von einer wirklichkeitsgetreuen Naturwiedergabe abzuwenden", schreibt die Schülerin Sophie Heuer in ihrem Projektbericht. "Als Inspiration und Vorlage dienten Erinnerungen an einen früheren Urlaub, Orte, die man gerne besuchen möchte, oder Plätze, die Gefühle und Empfindungen spiegeln."
Geschnitzt wurde mit Hohleisen und Geißfuß. Die reduzierte und expressionistische Bildsprache, die den Schülerinnen hier gelang, ist ebenso beeindruckend wie die Komposition. Fröhlich wirkt das Mosaik weißer Häuser, von oben betrachtet, mit roten Dächern inmitten grünen Laubs von Lena Tikovsky. Die Erinnerung an Ferientage am Strand leuchtet aus dem Druck "Memories" von Lea Drollmann. Franziska Senger illustriert das Thema "Wanderlust" mit einem alten Käfer-Kombi am Seeufer, auf dessen Dach sich gemütlich das Alpenpanorama bewundern lässt. Und Alicia Gold beschwört in ihrer Arbeit "Lunar" die magische Wirkung des Mondes hinter schwarzen Ästen, die sich wie Finger in die riesige Sichel zu krallen scheinen.
Vernissage der Ausstellung "Auf weiter Flur" mit Holzschnitten, Radierungen und Siebdrucken des P-Seminars Q 12 am Gymnasium Grafing in der SZ-Redaktion Ebersberg ist am Donnerstag, 10. Dezember, 19.30 Uhr (bis 31. Januar, geöffnet Montag bis Freitag 10 bis 18, Sonntag 11 bis 17 Uhr), an Tagen vor einem Feiertag , am 24./25. und 31.Dezember sowie am 5. Januar ist geschlossen.