Landkreis Ebersberg:Busengrapscher kommt mit Bewährungsstrafe davon

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Der Prozess fand vor dem Ebersberger Amtsgericht statt. (Foto: Christian Endt)

Weil er eine Frau sexuell belästigte, muss ein Mann aus dem Landkreis Ebersberg 10 000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Aus dem Amtsgericht von Wieland Bögel, Ebersberg

Keine Zeugen, keine Beweise, aber dafür zwei komplett widersprüchliche Aussagen: Aus dieser schwierigen Ausgangslage hatte nun das Amtsgericht ein Urteil zu fällen. Konkret ging es um den Vorwurf der sexuellen Nötigung. Der Geschäftsführer eines Restaurants im östlichen Landkreis soll die Mitarbeiterin eines Hotels massiv bedrängt und begrapscht haben, was der aber vehement bestritt.

Nach mehr als drei Stunden Verhandlung glaubte das Gericht der Aussage des Opfers und verurteilte den Angeklagten zu einer Haftstrafe von 18 Monaten auf Bewährung. Außerdem muss er der Frau 10 000 Euro Schmerzensgeld bezahlen.

"Hast du Drogen genommen?", mit diesen Worten habe sie zunächst auf die Zudringlichkeiten des Angeklagten reagiert, so die Geschädigte vor Gericht, "ich kannte ihn so gar nicht". Tatsächlich wirkt der 41-Jährige nicht wie das Klischee vom Busengrapscher. Mit adrettem Haarschnitt, in dunklem Sakko mit Hemd und Krawatte könnte er auf dem Weg zu einem Geschäftstermin gewesen sein; stattdessen musste er sich für einen Vorfall im November 2015 verantworten.

Laut Angabe der 22-Jährigen sei sie an dem Tag gerade dabei gewesen, die Zimmer in dem Hotel herzurichten. Im selben Haus befindet sich das Lokal, in dem der 41-Jährige als Geschäftsführer arbeitet und das auch als Frühstücksraum für die Hotelgäste dient. Der Angeklagte sei zu ihr ins Zimmer gekommen, habe ausdrücklich gefragt, ob sie alleine sei - ihr Chef war an dem Tag verreist - und dann die Tür abgeschlossen. Anschließend fragte er unverblümt "ob ich mit ihm Geschlechtsverkehr haben will", was die junge Frau aber entschieden verneinte.

"Ich habe ihm gesagt, dass er das lassen soll"

Sie drohte sogar, aus dem Fenster im ersten Stock zu springen, sollte er seine Avancen nicht unterlassen. Was der Angeklagte aber nicht getan habe, stattdessen habe er sie vom Fenster weggedrängt, dieses geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Als die Zeugin Richtung Tür gegangen sei, habe er sie mit beiden Armen von hinten gepackt und sie auch betatscht.

Danach sei sie aufs Bett gedrückt worden, so die Zeugin weiter, der Angeklagte habe ihr außerdem unter die Bluse und den BH gefasst. "Ich habe ihm gesagt, dass er das lassen soll", schilderte die 22-Jährige. Irgendwann habe der 41-Jährige aufgehört, den Raum verlassen und gesagt, alles sei nur ein Spaß gewesen.

Überhaupt nichts sei gewesen, behauptete stattdessen der Angeklagte. Über seine Verteidigerin ließ er ein längeres Statement verlesen, in dem er die "existenzbedrohenden Vorwürfe" - der Verpächter des Restaurants will deswegen den Vertrag vorzeitig kündigen - bestritt. Weder an dem Tag der angeblichen Tat noch an einem anderen sei er zu der 22-Jährigen in ein Hotelzimmer gekommen.

Was allerdings gegen den Angeklagten sprach, war eine - dann nicht zustande gekommene - Vereinbarung, deren Entwurf dem Gericht auch vorlag. Demnach hätte sich der Angeklagte in aller Form bei der Geschädigten für sein Verhalten entschuldigt, diese sollte im Gegenzug auf eine Anzeige verzichten.

Sprach sich der Angeklagte mit dem Zeugen ab?

Auch eine Verschwiegenheitsklausel enthält das Papier: Wer zu Außenstehenden darüber spricht, hätte 5001 Euro zahlen müssen. Und obwohl sie "alles versucht habe, um hier nicht sitzen zu müssen", so die Zeugin, sei sie auf diesen Deal nicht eingegangen und habe stattdessen Anzeige bei der Polizei erstattet.

Dass man sich zunächst außergerichtlich einigen wollte, bestätigten auch der Angeklagte und der Chef der Geschädigten, der gleichzeitig Verpächter des Lokals des Angeklagten ist. Seine Mitarbeiterin habe sich ihm einige Tage nach dem Vorfall anvertraut, als er sie auf ihre damals schlechte Stimmung angesprochen habe. Er habe daraufhin "zunächst das Gespräch gesucht" mit seinen Pächtern und eine Lösung finden wollen, "dass es nicht nach außen dringt". Die dann aber vorgeschlagene Vereinbarung sei nicht akzeptabel gewesen, stimmte er der Geschädigten zu.

Ebenfalls keinen guten Eindruck bei Gericht machte, dass der Angeklagte einen möglichen Zeugen des Geschehens - einen seiner Mitarbeiter im Lokal - nicht nur zur Vernehmung gefahren, sondern bis kurz davor auch noch mit ihm telefoniert hatte. Auch wenn beide betonten, es habe sich nur um belanglose Gespräche gehandelt, etwa wo man sich danach zur Heimfahrt treffen soll, stand mehr oder weniger offen der Vorwurf der Zeugenbeeinflussung im Raum. Eine Aussage dazu, was an dem Tag im Hotelzimmer geschehen war, gab es aber weder von diesem noch von den übrigen Zeugen.

Was für das Gericht auch nicht nötig war, so Vorsitzender Markus Nikol in seiner Urteilsbegründung. Die Aussage der Geschädigten sei glaubhaft und schlüssig. Außerdem spreche für ihre Version, dass sie zunächst versucht habe, die Sache ohne Anzeige zu regeln und vor Gericht "keinen Belastungseifer" gezeigt habe.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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