Ebersberg:Auf eigenes Risiko

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach dem tödlichen Badeunfall im Ebersberger Klostersee gibt es Kritik an der Wasserwacht. Die Verantwortlichen betonen, dass es eine völlige Sicherheit für Schwimmer nicht geben könne.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Fast zwei Tage lang hatten die Retter vergeblich gesucht, am Sonntagmittag dann die traurige Gewissheit - der seit Samstag vermisste Badegast war im Klostersee ertrunken. Bei der Stadt hat man auf den tragischen Unfall bereits reagiert.

"Wir trauern mit der Witwe und allen Angehörigen des in unserem Klostersee Ertrunkenen", schreibt der derzeit amtierende Zweite Bürgermeister Toni Ried in einer Pressemitteilung. Der ganze Vorfall sei "eine schreckliche Tragödie." Auch im Internet, in den sozialen Medien, gab und gibt es viel Anteilnahme - aber darunter mischt sich mitunter auch Kritik: Die Wasserwacht habe zu wenig getan, um das Unglück zu verhindern.

Statt des Badesees hätte man bei der Wasserwacht eher die Brotzeit im Blick oder die Spielkarten, so ein Kommentator, ein anderer beschwert sich, dass mehr auf die Einhaltung der Hausordnung geachtet werde als auf eventuell Ertrinkende. Ein Vorwurf, den Robert Hofmann entschieden zurückweist. Er ist Technischer Leiter der Kreiswasserwacht und war am Wochenende Einsatzleiter bei der Suche nach dem Vermissten. Man habe getan, was möglich war, um den 54-Jährigen noch lebend zu finden - was in diesem Fall allerdings sehr schwierig gewesen sei.

Die Wasserwacht ist keine Badeaufsicht

Zum einen, weil niemand gesehen hatte, wann und wo der Verunglückte untergegangen war. Erst als er längere Zeit von seiner Schwimmrunde nicht zurückkehrte, hätten sich Angehörige Sorgen gemacht und die Wasserwacht alarmiert. Dass von den Rettern zuvor niemand mitbekommen hatte, dass der Mann im See versank ist laut Hofmann kein Versäumnis. Zum einen sei die Wasserwacht keine Badeaufsicht. Eine solche gibt es überall dort, wo Bäder betrieben werden - was auf den Klostersee ausdrücklich nicht zutrifft. Denn dieser ist ein öffentlich zugängliches Gewässer.

Die Aufgabe der Wasserwacht sei daher auch nicht die eines Bademeisters, sondern sie leistet ganz allgemeine Rettungs- und Sanitätsdienste. Das reicht von aufgeschlagenen Knien bis zum Herzinfarkt, "die meisten Einsätze haben wir an Land". Natürlich achte man auch darauf, was im Wasser vor sich geht, versichert Hofmann. Dennoch sei es am Klostersee einfach nicht möglich, das komplette Gewässer ständig im Auge zu behalten. Schließlich sei ein See eben kein Schwimmbecken, für eine lückenlose Überwachung "müsste man schon jedem Schwimmer einen Aufpasser hinterherschicken".

Denn die meisten tödlichen Badeunfälle ereignen sich völlig unbemerkt. Den laut um Hilfe rufenden und mit den Armen wedelnden Ertrinkenden gebe es nur selten, sagt Hofmann, "90 Prozent versinken völlig lautlos". Ursache können ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt oder einfach Probleme mit dem Kreislauf sein, die an Land völlig harmlos, im Wasser aber schnell lebensgefährlich sein könnten.

Die Überlebenchance sinkt pro Minute um zehn Prozent

Eben auch, weil oft niemand das Untergehen bemerkt. Ist ein Schwimmer erst einmal unter Wasser, ist Eile geboten. Laut Hofmann sinkt die Überlebens-Chance pro Minute um zehn Prozentpunkte - länger als zehn Minuten bleiben den Rettern also meist nicht, sagt Hofmann. In Ausnahmefällen haben Personen zwar auch länger überlebt, aber mehr als eine halbe Stunde sei eigentlich unmöglich.

Im überschaubaren Schwimmbecken oder in einem kleinen und klaren Weiher sei es vielleicht noch möglich, jemanden in dieser Zeit zu finden, im Klostersee gestaltet sich dies allerdings deutlich schwieriger. Normalerweise springen die Rettungsschwimmer bei Alarm sofort mit Taucherbrille und Schnorchel ins Wasser, um den Vermissten zu finden, doch: "Es gibt null Sicht", so Hofmann.

Der Ertrinkende kann wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche treiben und trotzdem selbst vom Hubschrauber aus - wie er auch am Wochenende im Einsatz war - nicht zu sehen sein. Zwar habe man am Samstag sofort Rettungstaucher angefordert, diese seien auch schnell am See eingetroffen, aber in dem trüben Wasser sei es auch für diese nur schwer möglich, einen Vermissten zu finden. "Die können eigentlich nur tasten", beschreibt Hofmann das Problem.

Die Stadt lobt die Professionalität des Einsatzes

Bei der Stadt will man sich der Kritik aus dem Netz nicht anschließen, ganz im Gegenteil. Ried lobt die Rettungskräfte ausdrücklich für ihre "kompetente Vorgehensweise und Koordination" bei der Vermisstensuche: "Es hat mich sehr beeindruckt, wie professionell dieser Einsatz verlaufen ist." Darüber, ob man die Sicherheit am See weiter verbessern kann, müsse man nun natürlich nachdenken, so Ried.

Er selbst ist allerdings mit der Arbeit der Wasserwacht sehr zufrieden, und trotz des tragischen Vorfalles am Wochenende seien tödliche Ereignisse im See höchst selten. Ried selbst kann sich überhaupt nur an fünf Fälle erinnern, in denen jemand im See ertrunken ist. "Ob ein Bademeister das besser macht, ist zu bezweifeln." Was man bei der Stadt aber keinesfalls wolle, ist den See in ein Freibad mit Zaun und Kassenhäuschen zu verwandeln. Denn das Schöne am Klostersee sei doch gerade, dass er rund um die Uhr für alle und kostenlos zugänglich ist, betont Ried.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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