Bauland-Ausweisung:Auf dem Acker wachsen Millionen

Lesezeit: 4 min

Wenn aus Wiesen und Feldern Bauland wird, profitieren davon zunächst einmal die Grundstücksbesitzer. Die Folgelasten haben die Kommunen zu tragen. Doch einen Ausgleich zu schaffen, damit tun sich manche Stadt- und Gemeinderäte schwer.

Von Isabel Meixner

Wenn in Markt Schwaben in diesem Jahr im Baugebiet Ziegelheide die Bagger anrollen, werden sich darüber nicht nur die Familien freuen, die im Einheimischenmodell ein vergünstigtes Grundstück ergattert haben. Sondern vor allem die Familie, der die gesamte Fläche nördlich des Adalbert-Stifter-Wegs gehört. Sie hat sich in den Verhandlungen dafür, dass sie sechs Parzellen vergünstigt an Einheimische verkauft, die restlichen 24 Grundstücke gesichert, die sie zu marktüblichen Preisen verkaufen kann. Den Gewinn darf sie, ebenso wie bei den sechs Grundstücken im Einheimischenmodell, zu 100 Prozent behalten. Ein Abschlag an die Gemeinde, die die langfristigen Kosten für den Bevölkerungszuwachs trägt? Fehlanzeige.

Es ist nicht das erste Mal, dass Grundbesitzer in Markt Schwaben in einer Weise von Bauland-Ausweisungen profitieren, die mit Blick auf andere Gemeinden als äußert hoch bezeichnet werden kann. Zum Vergleich: In Anzing, wo jüngst 24 Parzellen im Bereich Kaiserweg/Flurstraße entstanden sind, behielt der Eigentümer acht Grundstücke.

In Markt Schwaben nahm diese Entwicklung dagegen schon vor knapp 30 Jahren ihren Lauf: Als das Gewerbegebiet, das sich nördlich der Geltinger Straße von Kaufland bis zu Seidenader Maschinenbau erstreckt, erschlossen wurde, weigerten sich die acht betroffenen Eigentümer, ihren Grund - zu dem Zeitpunkt Acker - herzugeben. Es sei denn, die Gemeinde zahlt 300 Mark pro Quadratmeter. Markt Schwaben zahlte. 47 Millionen D-Mark für knapp über 160 000 Quadratmeter. Zum Vergleich: In anderen Gemeinden zahlt man heutzutage je nach Lage zwischen zehn und 15 Euro pro Quadratmeter für Ackerfläche. "Der Preis war deutlich zu hoch", sagt Bürgermeister Georg Hohmann (SPD).

Wer im Landkreis Grund besitzt, kann sich glücklich schätzen. Denn Flächen, speziell mit Baurecht, sind rund um München gefragter denn je. In Poing zahlten Interessenten um die Jahrtausendwende für den Quadratmeter ausgewiesenen Baulands noch 570 Euro; im Grundstücksmarktbericht, der letztmals 2013 mit Zahlen aus 2012 erschien, lag der Betrag bereits bei 730 Euro. Auch in Vaterstetten sowie innerorts in Grafing zahlt man längst 700 Euro pro Quadratmeter und mehr.

Pikanterweise geht es bei diesen Abmachungen häufig um Grundstücke von Lokalpolitikern. So auch im Fall der als Millionärssiedlung verschrienen "Wolfsschlucht" in Grafing. 2011 hatte der Stadtrat mit der Mehrheit von CSU und Freien Wählern beschlossen, künftig nicht mehr als Erwerber aufzutreten, sondern auf das Vertragsmodell zu setzen ( siehe Infokasten). 2012 wies selbiges Gremium das Gebiet von Max Josef Schlederer, dem damaligen Fraktionschef der CSU im Stadtrat, als Bauland aus. Schlederer wiederum hatte die Wolfsschlucht bereits an einen Bauträger in Starnberg verkauft.

In dem Vertrag wurde der Frei&Essler Baumanagement GmbH ein Rücktrittsrecht eingeräumt, sollte der Stadtrat das Gebiet nicht zu Bauland machen. In einem umstrittenen Vertrag erlaubte die Stadt Frei&Essler außerdem, alle Grundstücke selbst zu bebauen. Die Folge des Deals: Die günstigste Doppelhaushälfte kostet rund 700 000 Euro. Plus Garage. Plus Grunderwerbsteuer. Plus Notar. Kosten, die sich nur einer von rund 40 Bauwerbern leisten kann, wie kürzlich offiziell wurde.

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne), die ihre Wahl im vorigen Jahr nicht zuletzt wegen dieses Skandals gegen CSU-Kandidatin Susanne Linhart gewonnen hat, möchte nun im Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zum Einheimischenmodell durchbringen: Bedarfs- und Erschließungsflächen sollen der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt werden und ein Viertel Grafingern zu verbilligten Konditionen. Die Frage, ob Zwischenerwerbs- oder Vertragsmodell zum Einsatz kommen, wird wohl von Baugebiet zu Baugebiet entschieden. Im Bereich Aiblinger Straße, wo erneut Platz für Einheimische geschaffen werden soll, hat der Stadtrat mehrheitlich für das Vertragsmodell gestimmt, jenes aus der Wolfsschlucht also. Bauträgerhäuser sollen aber künftig ausgeschlossen werden, sagt Obermayr.

Auch in Vaterstetten rief das Thema im Gemeinderat in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen hervor, ausgelöst vor allem von Gemeinderat Manfred Schmidt (FBU/AfD). Er nennt es "eine schreiende Ungerechtigkeit", dass Einzelne vom "leistungslosen Vermögenszuwachs" profitieren und nicht die Kommune, in deren Ermessen es liegt, Baurecht zu geben oder nicht.

Jüngstes Beispiel: CSU-Gemeinderat Manfred Vodermair wurde genehmigt, auf seiner Fläche in Baldham-Dorf vier Häuser zu bauen. Für Schmidt ein Fall von "Klientelwirtschaft". Er nennt außerdem das Parsdorfer Gewerbegebiet, bei dem es die Gemeinde versäumt habe, sich über ein Kommunalunternehmen frühzeitig die Flächen und damit den späteren Gewinn zu sichern.

Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) hält dagegen: Die Gemeinde habe dem Investor im städtebaulichen Vertrag zur Auflage gemacht, die Kosten für die Nordtangente und die Ortsumfahrung zu übernehmen sowie der Feuerwehr Parsdorf 300 000 Euro zugute kommen zu lassen. Im Fall Vodermair sieht er keinen Anlass, dem Inhaber eine Abgabe abzuverlangen, es handele sich um ein kleines Baugebiet.

In der Zuzugsgemeinde Poing, die in den vergangenen 25 Jahren ihre Einwohnerzahl auf inzwischen 15 000 Bürger mehr als verdoppelt hat, ist das Wachstum seit Jahrzehnten geplant: Bauträger haben sich die Flächen, auf denen die Neubaugebiete entstanden sind, bereits in den Siebzigerjahren gesichert und sich in der Arbeitsgemeinschaft "Am Bergfeld" zusammengeschlossen. Darin Mitglied sind laut Homepage die Gemeinde Poing selbst, die kommunale Grundstücksbeschaffungs- und Erschließungsgesellschaft Ebersberg, Bauträger der Firmengruppen Deutsche Wohnen, Südhausbau und Uni-Credit sowie Bauunternehmer Günther Blieninger.

Die Bauträger werden vertraglich an den Kosten für die Infrastruktur beteiligt. Seit 1996 gilt in Poing die Regel, dass zehn Prozent von jedem Neubaugebiet verbilligt an Einheimische und weitere zehn Prozent umsonst an den sozialen Wohnungsbau gehen. Auch die Flächen für Infrastruktur muss der Bauträger der Gemeinde kostenlos abtreten, sagt Rathaussprecher Thomas Stark.

Ein eigenes Modell hat die Stadt Ebersberg entwickelt: Will sie ein landwirtschaftliches Areal bebauen, kauft sie es dem Grundeigentümer zu einem Preis ab, der deutlich über dem Betrag von Ackerfläche liegt. So haben beide Seiten etwas vom Wertzuwachs, sagt Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU), ein Abkommen, das von Baurechtlern kritisch gesehen wird ( siehe Interview). Je nach Verhandlung kann der Eigentümer auch Grundstücke für Kinder zurückhalten, die Erschließungskosten - 80 bis 100 Euro pro Quadratmeter - werden auf den Käufer umgelegt.

Die Fälle Ebersberg und Markt Schwaben zeigen, dass es die Gemeinden auf Jahre prägt, wie Politiker Bauland ausweisen. Markt Schwaben spürt die Folgen des Gewerbegebiets bis heute. Die 47 Millionen Mark haben den Haushalt belastet und die Grundstückspreise nachhaltig verdorben, sagt Bürgermeister Hohmann: "Alle wissen, was vor fast 30 Jahren gezahlt wurde. Keiner würde seinen Acker für 30, 50 Euro verkaufen."

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: