Wenn in Markt Schwaben in diesem Jahr im Baugebiet Ziegelheide die Bagger anrollen, werden sich darüber nicht nur die Familien freuen, die im Einheimischenmodell ein vergünstigtes Grundstück ergattert haben. Sondern vor allem die Familie, der die gesamte Fläche nördlich des Adalbert-Stifter-Wegs gehört. Sie hat sich in den Verhandlungen dafür, dass sie sechs Parzellen vergünstigt an Einheimische verkauft, die restlichen 24 Grundstücke gesichert, die sie zu marktüblichen Preisen verkaufen kann. Den Gewinn darf sie, ebenso wie bei den sechs Grundstücken im Einheimischenmodell, zu 100 Prozent behalten. Ein Abschlag an die Gemeinde, die die langfristigen Kosten für den Bevölkerungszuwachs trägt? Fehlanzeige.
Von wegen günstiger Wohnraum für Einheimische: Die Doppelhaushälften in Grafing sind so teuer geworden, dass von 40 Interessenten nur einer übrig geblieben ist.
(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)Es ist nicht das erste Mal, dass Grundbesitzer in Markt Schwaben in einer Weise von Bauland-Ausweisungen profitieren, die mit Blick auf andere Gemeinden als äußert hoch bezeichnet werden kann. Zum Vergleich: In Anzing, wo jüngst 24 Parzellen im Bereich Kaiserweg/Flurstraße entstanden sind, behielt der Eigentümer acht Grundstücke.
In Markt Schwaben nahm diese Entwicklung dagegen schon vor knapp 30 Jahren ihren Lauf: Als das Gewerbegebiet, das sich nördlich der Geltinger Straße von Kaufland bis zu Seidenader Maschinenbau erstreckt, erschlossen wurde, weigerten sich die acht betroffenen Eigentümer, ihren Grund - zu dem Zeitpunkt Acker - herzugeben. Es sei denn, die Gemeinde zahlt 300 Mark pro Quadratmeter. Markt Schwaben zahlte. 47 Millionen D-Mark für knapp über 160 000 Quadratmeter. Zum Vergleich: In anderen Gemeinden zahlt man heutzutage je nach Lage zwischen zehn und 15 Euro pro Quadratmeter für Ackerfläche. "Der Preis war deutlich zu hoch", sagt Bürgermeister Georg Hohmann (SPD).
Wer im Landkreis Grund besitzt, kann sich glücklich schätzen. Denn Flächen, speziell mit Baurecht, sind rund um München gefragter denn je. In Poing zahlten Interessenten um die Jahrtausendwende für den Quadratmeter ausgewiesenen Baulands noch 570 Euro; im Grundstücksmarktbericht, der letztmals 2013 mit Zahlen aus 2012 erschien, lag der Betrag bereits bei 730 Euro. Auch in Vaterstetten sowie innerorts in Grafing zahlt man längst 700 Euro pro Quadratmeter und mehr.
Pikanterweise geht es bei diesen Abmachungen häufig um Grundstücke von Lokalpolitikern. So auch im Fall der als Millionärssiedlung verschrienen "Wolfsschlucht" in Grafing. 2011 hatte der Stadtrat mit der Mehrheit von CSU und Freien Wählern beschlossen, künftig nicht mehr als Erwerber aufzutreten, sondern auf das Vertragsmodell zu setzen (siehe Infokasten). 2012 wies selbiges Gremium das Gebiet von Max Josef Schlederer, dem damaligen Fraktionschef der CSU im Stadtrat, als Bauland aus. Schlederer wiederum hatte die Wolfsschlucht bereits an einen Bauträger in Starnberg verkauft.
In dem Vertrag wurde der Frei&Essler Baumanagement GmbH ein Rücktrittsrecht eingeräumt, sollte der Stadtrat das Gebiet nicht zu Bauland machen. In einem umstrittenen Vertrag erlaubte die Stadt Frei&Essler außerdem, alle Grundstücke selbst zu bebauen. Die Folge des Deals: Die günstigste Doppelhaushälfte kostet rund 700 000 Euro. Plus Garage. Plus Grunderwerbsteuer. Plus Notar. Kosten, die sich nur einer von rund 40 Bauwerbern leisten kann, wie kürzlich offiziell wurde.
Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne), die ihre Wahl im vorigen Jahr nicht zuletzt wegen dieses Skandals gegen CSU-Kandidatin Susanne Linhart gewonnen hat, möchte nun im Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zum Einheimischenmodell durchbringen: Bedarfs- und Erschließungsflächen sollen der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt werden und ein Viertel Grafingern zu verbilligten Konditionen. Die Frage, ob Zwischenerwerbs- oder Vertragsmodell zum Einsatz kommen, wird wohl von Baugebiet zu Baugebiet entschieden. Im Bereich Aiblinger Straße, wo erneut Platz für Einheimische geschaffen werden soll, hat der Stadtrat mehrheitlich für das Vertragsmodell gestimmt, jenes aus der Wolfsschlucht also. Bauträgerhäuser sollen aber künftig ausgeschlossen werden, sagt Obermayr.