Der Sport im Ort:Ganz oder gar nicht

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Isabel Maier, 22, mit ihrem Pferd Hi Joey in der Reitanlage in Wolfesing. (Foto: Christian Endt)

Die Springreiterin Isabel Maier aus Zorneding ist Oberbayerische Meisterin der Unter-21-Jährigen. Für sie und ihre Schwestern haben die Eltern eine eigene Trainingsanlage bauen lassen

Von Theresa Parstorfer, Zorneding

Heu bekommt Hi Joey dreimal am Tag. Hafer auch, aber nur eine viertel Portion. Müsli lediglich am Abend. Das steht auf dem weißen Schild auf der Box der beinahe schwarzen Warmblut-Stute. Über dem Namen und der Handynummer des Tierarztes ist der Name der Besitzerin zu lesen: Isabel Maier. Die 21-jährige Reiterin hat langes blondes Haar, zu einem sorgfältigen Pferdeschwanz gebunden, und ihre blauen Augen sind dezent geschminkt. Selbstverständlich und ruhig bewegt Isabel sich in der breiten, blankgefegten Stallgasse zwischen den aus den Boxen lugenden Pferdeköpfen. Die enorme Reitanlage Wolfesing zwischen Zorneding und Anzing ist für sie vielleicht sogar mehr erstes als nur das "zweite" Zuhause. Den Großteil ihrer Tage verbringt Isabel Maier hier, bis zu vier Pferde reitet sie am Tag - und wenn sie nicht gerade selbst im Sattel sitzt, hilft sie beim Ausmisten und der Versorgung der 30 Pferde.

Zum Reiten kam die Familie Maier über Isabels vier Jahre ältere Schwester Lisa. "Sie hat das durchgeboxt, obwohl unsere Eltern überhaupt keine Pferdemenschen waren", sagt Isabel Maier. Mit sieben Jahren wurde dann auch sie mit dem "Pferdevirus" infiziert - so steht es auf der Internetseite des Stalls. Zuerst saß sie auf Islandponys. "Damals hätte ich mich nie getraut auch nur über ein so kleines Hindernis zu springen", sagt sie und hält ihre Hand auf Kniehöhe. Aber dann mit 13 Jahren erreichte sie bei ihrem ersten Springturnier schon den zweiten Platz. "Die Reiterin, die damals Erste wurde, war schon sehr viel älter als wir anderen. Deshalb habe ich mir immer gesagt, eigentlich habe ich gewonnen", sagt Isabel und lacht. Mittlerweile kann sie sich das Wort "eigentlich" oft sparen: Sie ist amtierende "Oberbayerische Meisterin der Jungen Reiter", dem Turnier, an dem alle Unter-21-Jährigen Reiter in Oberbayern teilnehmen. Gegen 20 Konkurrenten musste sie sich dort durchsetzen. Vor kurzem hat sie zudem den "Eggersmann Junior Cup" bei den Munich Indoors gewonnen.

Nicht nur, weil Isabel jeden Tag hier ist um zu trainieren, ist der Stall ihr Zuhause. Es klingt fast wie in einem Mädchen-Traum, die acht Hektar große Anlage, inmitten von Wiesen und Wäldern, inklusive Halle, Führanlage, Paddocks, ein mit Küche, Bar und Couchen ausgestattetes Reiterstübchen und drei offiziell angestellten Pferdepflegern. All das haben die Eltern Ingrid und Andreas Maier vor zwei Jahren eigens bauen lassen. "Selbstverständlich ist das natürlich nicht", sagt Isabel Maier und lächelt beinahe entschuldigend, "aber vor ein paar Jahren haben wir uns die Frage gestellt: ganz oder gar nicht."

Bei der Entscheidung half gewiss die Tatsache, dass Isabel Maier zwei bis drei Turniere im Monat reitet. Abwechselnd mit ihren Pferden Hi Joey und Berlissima. Beide habe sie unglaublich gern, aber vor allem seit einem Sturz von Berlissima während eines Turniers im vergangenen Juli, hat sie noch mehr Respekt, wenn sie auf der 1,72 Meter großen Oldenburger Stute sitzt. "Mit ihr reite ich jetzt ganz bestimmt ein bisschen verhaltener. Ich versuche, sie mit so vielen Galoppsprüngen wie möglich nahe ans Hindernis ran zu bringen. Da mache ich es ihr mit meiner Unsicherheit etwas schwer." Einen Kinnhaken hatte das Pferd ihr versetzt, als es den Kopf vor einer Hürde in die Höhe riss. Ein paar Minuten war Isabel bewusstlos, aber abgesehen von einer leichten Gehirnerschütterung "hatte ich nicht einmal einen blauen Fleck", erinnert sie sich. Nicht erst seit dem Sturz jedoch ist Hi Joey ihr "Herzenspferd". "Leichtfüßiger" sei die 14-Jährige Stute, "weniger Pferd, so dass da sofort eine Reaktion kommt", sagt Isabel.

In Wolfesing trainieren die Pferd und Reiterin unter guten Bedingungen für schwere Wettkämpfe. (Foto: privat)

"Ganz oder gar nicht", das war die entscheidende Frage für Familie Maier. Auch wenn der Reitbetrieb viel Arbeit bedeutet, stehen in der Familie nach wie vor alle hinter der Entscheidung für "Ganz". "Reiten ist eben auch ein Teamsport", sagt Isabel, "beispielsweise ein Turnier würde ich ohne Hilfe gar nicht schaffen." Ihre älteste Schwester oder ihr Vater, der hauptberuflich Orthopäde ist, fahren den hinter den Stallungen geparkten monströsen Hänger-Lastwagen, wenn es zu Turnieren oder dem Trainer in Augsburg geht. Ihre Mutter ist für die Verwaltung und die Bewirtung des Hofes zuständig. Obwohl sie sich selbst niemals auf ein Pferd setzen würde, kennt Ingrid Maier alle Fachbegriffe, alle Turnierklassen. Sie erinnert sich an jedes Pferd, jeden Hof und jede Medaille ihrer Töchter. "Ich glaube, meine Eltern sind da so voll dabei, weil wir so immer noch so viel Zeit miteinander verbringen", sagt Isabel Maier.

Mittlerweile stört es sie auch nicht mehr, dass zur Konzentration auf den Reitsport dazugehört, auf das "typische Studentenleben" zu verzichten. Schon während ihrer Schulzeit in München auf dem Isar-Gymnasium sei sie stets die gewesen, die sich nicht auf einen Nachmittag am See freute, sondern darauf, mehr Zeit im Stall verbringen zu können. Nur "ganz selten" habe sie keine Lust auf Reiten, sie wolle keinen anderen Alltag, kein anderes Leben führen. "Letztes Jahr war ich mit beiden Pferden für ein halbes Jahr in Münster zum Trainieren und habe da auch alleine gewohnt. Das war nett, weil man da natürlich noch mehr tun und lassen kann, was man will, aber eigentlich bin ich lieber hier bei meiner Familie", sagt Isabel Maier.

Seit drei Semestern studiert sie deshalb Immobilien- und Baumanagement an der Fernuniversität Ismaning, sodass sie zwischen den wenigen Präsenzphasen an der Fachhochschule jeden Tag im Stall sein kann. Sie kann sich gut vorstellen, dass ihr dieses Studium bei einer zukünftigen Verwaltung des Hofes helfen könnte. Geplant ist zudem, noch ein Wohnhaus neben dem Stall zu bauen, so dass Isabel Maier vielleicht bald jede der drei täglichen Portionen Heu selbst in die Boxen ihrer Hi Joey bringen kann - und das zweite Zuhause zum Hauptwohnsitz wird.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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