Demografischer Wandel in Ebersberg:Rückschlag und Hoffnung

Lesezeit: 3 min

Wegen finanzieller Schwierigkeiten muss die Caritas ihr Beratungsangebot für pflegende Angehörige Ende April einstellen. Dafür bringt der Landkreis seinen neuen Pflegestützpunkt auf den Weg, der im Sommer starten soll

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Gesellschaft wird immer älter, das Thema Pflege rückt deshalb zunehmend in den Fokus. Doch wer für sich selbst oder für Angehörige nach passender Betreuung im letzten Lebensabschnitt sucht, steht oftmals auf verlorenem Posten. Im Landkreis Ebersberg gab es dafür eine Beratungsstelle, die beim Caritas-Zentrum angesiedelt war. Die Betonung liegt auf "war", denn aus Kostengründen wird dieses Angebot nun eingestellt. Von Sommer an soll es aber ein neues, landkreiseigenes Hilfsprojekt geben: einen sogenannten Pflegestützpunkt, der als neutrale Anlaufstelle für Fragen rund um die Versorgung im Alter zuständig sein wird. Den entsprechenden Beschluss hat nun der Ausschuss für Soziales, Familie und Bildung des Kreistags gefasst. Wie die Zeit dazwischen überbrückt werden soll, ist derzeit jedoch unklar.

Bevor Landrat Robert Niedergesäß gemeinsam mit Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer (beide CSU) die Unterschrift unter den Stützpunkt-Vertrag setzen konnte, hatte Christine Deyle vom Caritas-Zentrum Ebersberg noch schlechte Nachrichten für alle Pflegebedürftigen im Landkreis: Nach vielen Jahren müsse man das Beratungsangebot für pflegende Angehörige zum 30. April dieses Jahres einstellen. "Das ist keine Frage des Bedarfs", so Deyle. Vielmehr könne man die Kosten für die Beratung einfach nicht mehr stemmen, es fehle ein "höherer fünfstelliger Betrag". Bislang hatte es Anlaufstellen an drei Standorten gegeben, die Refinanzierung des Fachbereichs sei aber nicht mehr tragbar. "Sehr bedauerlich", nannte das Deyle, die deshalb hofft, dass der Pflegestützpunkt des Landkreises so schnell wie möglich seinen Betrieb aufnehmen kann.

Das soll - sofern man entsprechendes Personal findet - noch in diesem Sommer der Fall sein. Die Räumlichkeiten für den Hauptsitz jedenfalls hat man bereits fix, wie Jochen Specht, Leiter des Teams Demografie im Landratsamt, nun im Ausschuss sagte. Demnach soll der Pflegestützpunkt über der Raiffeisenbank am Ebersberger Marienplatz angesiedelt werden. Die dortigen Räume seien ebenso barrierefrei erreichbar, wie auch die drei weiteren geplanten Standorte im Landkreis: in den Bürgerzentren Vaterstetten und Glonn sowie im Bürgerhaus Poing. Dort sollen Hilfesuchende eine wohnortnahe, umfassende und unabhängige Beratung zu allen Themen rund um die Pflege erhalten. Die Idee dahinter geht auf Anträge der CSU/FDP- und der SPD-Fraktion im Kreistag zurück.

Mit der Vertragsunterzeichnung vom Mittwochnachmittag ist der Landkreis Ebersberg der erste in ganz Bayern, der diese neue Art der Unterstützung auf den Weg bringt. Pflegestützpunkte gibt es im Freistaat zwar schon länger, erst nach einem Landtagsbeschluss vom Dezember vergangenen Jahres haben die Kommunen nun aber Initiativrecht. Gleichzeitig haben sich die kommunalen Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen auf einen entsprechenden Rahmenvertrag geeinigt. Für den Landkreis Ebersberg bedeutet das vor allem eine finanzielle Entlastung, er trägt lediglich ein Sechstel der Kosten des Pflegestützpunktes. Den Rest übernehmen der Bezirk Oberbayern sowie die Kranken- und Pflegekassen.

Neben der individuellen Beratung können bei der Anlaufstelle auch Versorgungsanbieter vermittelt werden. Zudem sollen, wie Jochen Specht erklärte, Bedarfserhebungen stattfinden und es soll präventiv gearbeitet werden, etwa durch Vorträge zum Thema Pflege. Zunächst ist geplant, den Stützpunkt mit einer Vollzeitstelle auszustatten, ausgelegt ist das Projekt aber für 2,38 Stellen. Und was das Angebot angeht, hat man für die Zukunft schon die ein oder andere "Vision", wie Specht sagte. So sei denkbar eine Art Pflegplatzbörse in Kooperation mit den Heimen zu entwickeln, oder mit einem mobilen Pflegestützpunkt durch den Landkreis zu touren.

Bei all der Freude, die im Gremium über diese, wie Thomas Huber (CSU) sagte, "Sternstunde in der Pflegepolitik", herrschte, wollte Specht aber nicht verschweigen, dass sich durch den Stützpunkt die strukturellen Probleme im Betreuungsbereich nicht lösen lassen. "Wir werden deshalb nicht mehr Heime und Pflegekräfte haben." Auf diesen Umstand wies auch Wilfried Seidelmann (Freie Wähler) hin, der vom Staat mehr Finanzmittel forderte: "Das Sozialsystem ist kein Sparschwein."

Dennoch war man sich im Ausschuss einig, mit dem Pflegestützpunkt einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben. Nun muss der am Mittwoch unterschriebene Errichtungsantrag beim Landkreistag eingereicht werden. Außerdem steht die Beantragung der Förderung beim Landesamt für Pflege noch aus - und schließlich muss noch ein Mitarbeiter gefunden werden, der den Stützpunkt betreut. Die Stelle soll von sofort an ausgeschrieben werden.

Geht alles glatt, kann der Stützpunkt in diesem Sommer eröffnen. Allerdings wäre der Landkreis nach dem Caritas-Aus einige Monate ohne Beratungsangebot. Von der Kreis-Verwaltung heißt es deshalb, man prüfe intensiv verschiedene Überbrückungsoptionen.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: