Corona-Pandemie im Landkreis Ebersberg:Die Pioniere

Lesezeit: 3 min

Auch im Landkreis Ebersberg geht es nun mit den Corona-Impfungen los - den Anfang machen am Sonntag zwei ältere Herren. In den nächsten Wochen werden vor allem Heimbewohner zum Zug kommen

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Als es vorbei ist, rollt Konrad Seidl seinen blau karierten Hemdärmel wieder herunter, packt die Papiere zusammen und verabschiedet sich. "Ich habe es praktisch nicht gespürt, der Kollege macht das sehr gut", sagt Seidl, seine Augen über der Maske verraten, dass er lächelt. Mehr als 30 Jahre war er in Grafing als Allgemeinmediziner tätig, nun will er noch einmal etwas für seine früheren Patienten tun: ihnen zeigen, dass es aus seiner Sicht keinen Grund gibt, Angst vor einer Impfung gegen das Coronavirus zu haben. Deshalb hat sich der 84-Jährige bereit erklärt, sich an diesem Sonntagmorgen öffentlich impfen zu lassen, als einer der Ersten im Landkreis Ebersberg.

Das Vakzin lagert bis zur Verwendung gut gekühlt im Untergeschoss des früheren Sparkassengebäudes. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es ist ein besonderer Tag für alle Beteiligten, das merkt man, als um kurz nach acht Uhr nach und nach alle am neuen Impfzentrum eintreffen, das in der Schalterhalle des früheren Sparkassengebäudes eingerichtet wurde. Bis zu 250 Menschen können hier künftig täglich gegen das Coronavirus geimpft werden, doch erst einmal werden es wesentlich weniger sein, das liegt daran, dass der Impfstoff noch nicht in ausreichenden Mengen zugeteilt ist. 100 Impfdosen für den Landkreis Ebersberg hat das Technische Hilfswerk am Samstag in Haar abgeholt, den Großteil packt ein mobiles Impfteam am Sonntagmorgen gleich wieder ein, es soll im Pflegestern-Pflegeheim in Poing eingesetzt werden. 40 Impfdosen aber sollen an diesem Tag im Impfzentrum in Ebersberg verwendet werden, in vier Behandlungszimmern haben die Ärzte alles für die Impflinge vorbereitet.

Konrad Seidl geht durch die Tür mit der Nummer zwei, hier wartet schon Alexandre Descieux auf ihn. Sonst arbeitet der junge Mediziner im Isarklinikum, nun hat er sich gemeldet, um außerdem im Ebersberger Impfteam tätig zu sein. Auch viele andere Ärzte wollen offenbar bei dieser Pionierarbeit mit dabei sein. "Wir sind überrannt worden", berichtet Liam Klages, der Leiter des Impfzentrums, über den Bewerbungsprozess. Nun stehe ein Pool aus 80 Ärzten für den Einsatz im Impfzentrum bereit. Viele von ihnen hätten Erfahrung in der Notfallmedizin, erläutert Klages, was auch für den Fall wichtig sei, dass es einmal zu Impf-Nebenwirkungen komme.

Noch ist es ein sehr ausgewählter Personenkreis, der Zutritt zum Impfzentrum erhält. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Über solche klärt Alexandre Descieux nun auch Seidl in dem kleinen Behandlungszimmer auf, eine Plexiglasscheibe trennt ihn von seinem Patienten, an den er auch einige persönliche Fragen stellt. Ob er in letzter Zeit an Fieber oder einer anderen Krankheit gelitten habe? Ob er vor kurzem geimpft worden sei? Ob er schwere chronische Erkrankungen habe? Alle diese Fragen seines jungen Kollegen verneint Seidl. Nur einmal sagt er ja, als es darum geht, ob er einen Blutverdünner einnehme. "Dann ist das Risiko, dass Sie einen Bluterguss bekommen, erhöht", erläutert Descieux. Eine Kontraindikation sei die Tatsache aber nicht, sagt er, also kein Grund, notwendigerweise auf die Impfung zu verzichten. Allerdings liegt die Entscheidung im Ermessen des Arztes - ein Kollege in einem anderen Behandlungszimmer entscheidet fast gleichzeitig bei einem anderen Patienten anders: Der 90-jährige Alois Freundl, der sich ebenfalls gerne hätte impfen lassen, erhält das Vakzin an diesem Tag daher nicht. Ähnlich geht es der 84-jährigen Hildegard Ranner, bei der der zeitliche Abstand zu einer erst kürzlich erfolgten Grippeimpfung zu kurz gewesen wäre. Statt vier Pionieren sind es also letztlich nur zwei, die vor den Augen der Öffentlichkeit den Pieks mit der Impfnadel erhalten: Außer Konrad Seidl ist das noch August Paul, dem 81-Jährigen ist so leicht vor nichts bange, viele Ebersberger kennen ihn noch als langjährigen Kommandanten der hiesigen Feuerwehr.

Künftig sollen hier 250 Menschen täglich geimpft werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gemeinsam ist allen, die am Sonntag gekommen sind, dass sie älter als 80 Jahre alt sind und deshalb zur Risikogruppe gehören. Auch in den kommenden Wochen werden es vor allem Senioren sein, die den Impfstoff erhalten. Im Landkreis werden künftig zwei mobile Impfteams die Senioreneinrichtungen besuchen und diejenigen impfen, die das wünschen. Für die Termine im Ebersberger Impfzentrum konnten sich Interessierte über die Hotline anmelden. Das Interesse sei groß, es gebe bereits eine Warteliste, sagt Norbert Neugebauer. Der frühere Bürochef des Landrats fungiert heute als Bindeglied zwischen dem Impfzentrum und dem Landratsamt. Das Callcenter hat er bereits einem kleinen Test unterzogen und es bei einem Anruf um einen Termin für eine Impfung gebeten. Freundlich wurde dem 62-Jährigen eine Absage erteilt, er solle doch vielleicht im Februar noch einmal anrufen, sagte die Mitarbeiterin.

Wie schnell es geht, bis auch Jüngere die Impfung erhalten können, hängt auch vom Nachschub ab. Je 500 Impfdosen erhält das Ebersberger Impfzentrum an diesem Dienstag und Donnerstag, erläutert Liam Klages, danach soll es zunächst wöchentlich 1000 Dosen geben. Eine davon wird noch einmal Konrad Seidl erhalten, denn weitgehend immun ist man erst nach der zweiten Impfung. Deshalb wird er in genau 21 Tagen wieder einen Termin am Impfzentrum in Ebersberg haben. "Mir geht's gut", sagt er, als sich der Arzt einige Minuten nach der Impfung noch einmal nach seinem Befinden erkundigt. Dann winkt er in die Runde: "Ich hab's für heute. Jetzt möchte ich frühstücken."

© SZ vom 28.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: