Kreisklinik:Es geht nicht nur um die Ästhetik

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Chefarzt Timm Oliver Engelhardt über Brustverkleinerungen in der Kreisklinik Ebersberg.

Interview von Sibylle Föll, Ebersberg

Bei Patientinnen, die für eine Brustverkleinerung in die Plastische Chirurgie und Handchirurgie der Kreisklinik Ebersberg kommen, geht es nicht nur um Schönheitsideale. Meistens leiden die Frauen, körperlich und psychisch. Der Chefarzt der Abteilung, Timm Oliver Engelhardt, erläutert, wann eine Operation medizinisch notwendig sein kann.

SZ: Wann spricht man von einer belastenden, großen Brust?

Timm Oliver Engelhardt: Wenn sie im Verhältnis zur Körpergröße und zum Körpergewicht überproportional groß beziehungsweise schwer ist. Festgelegte Maße gibt es dafür bisher nicht. Für die Einschätzung der Notwendigkeit einer Brustverkleinerung ist für uns wichtig, dass bei der Patientin eine funktionelle Störung im Vordergrund steht, nicht nur die Ästhetik.

Timm Oliver Engelhardt ist Chefarzt der Abteilung für plastische Chirurgie an der Kreisklinik Ebersberg. (Foto: Alexander Zettl/oh)

Welche funktionellen Störungen können das sein?

Gerade jetzt im Sommer, wenn es sehr heiß ist, können sich durch Schwitzen und die Reibung von Haut an Haut unter der Brust Entzündungen, Ekzeme und sogar Pilzinfektionen bilden. Bei vielen Frauen kommt es auch zu schmerzhaften Verspannungen in der oberen Rückenmuskulatur, in den Schultern und im Nacken über Fehlhaltungen bis hin zu degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule und Fehlhaltungen. Denn das Gewicht der Brust zieht den Oberkörper nach vorne und das ist eine starke Belastung für den Bewegungsapparat. Häufig beklagen sich unsere Patientinnen auch über tief einschneidende BH-Träger. Nicht zuletzt können ebenso psychische Belastungen den Wunsch nach einer kleineren Brust auslösen. Betroffene schämen sich oft, tun sich schwer bei der Partnersuche oder leiden darunter, verschiedene Sportarten nicht ausüben zu können, meiden unter Umständen soziale Kontakte. Die Folge kann eine Depression sein.

Sind das auch alles Symptome für eine medizinisch notwendige Brustverkleinerung?

Aus ärztlicher Sicht ja. Dennoch ist in vielen solcher Fälle eine Kostenübernahme der operativen Therapie durch die Krankenkassen nicht garantiert. Wir engagieren uns für unsere Patientinnen maximal und suchen immer gemeinsam nach Lösungen. Ich empfehle Betroffenen vor der Antragstellung bei der Krankenkasse durch die Kreisklinik zunächst - sofern nicht bereits geschehen - alle konservativen Therapien auszuschöpfen. Das sind je nach Beschwerden eine orthopädisch angeordnete Physiotherapie, eine Psychotherapie oder eine Behandlung durch den Hautarzt. Meiner Erfahrung nach bringt das zwar oft kurzfristig eine Linderung, langfristig gesehen werden dadurch jedoch nur die Symptome bekämpft, nicht die Ursache. Mein Rat: Uns für die Antragstellung möglichst auch Gutachten der Fachärzte zur Verfügung zu stellen.

Kann sich jede betroffene Frau einer Brustverkleinerung unterziehen?

Grundsätzlich ja. Für diese Operation gelten die gleichen Voraussetzungen wie für andere größere Eingriffe, denn sie ist mit allgemeinen Narkose- und Operationsrisiken verbunden. Das heißt, die Patientin sollte, abgesehen von den genannten Beschwerden, gesundheitlich fit sein. Außerdem sollte sie im Fall einer medizinisch notwendigen Brustbehandlung möglichst Normalgewicht haben. Oft steht eine übergroße Brust in Zusammenhang mit dem Körpergewicht, das heißt, übergewichtige Frauen haben oft auch größere Brüste. Wir raten diesen Frauen zunächst zur Gewichtsabnahme. Es ist jedoch ein Irrglaube, dass sich bei einer Gewichtsreduktion die Brust einfach verkleinert und eine Operation überflüssig macht. Zwar verringert sich das Brustvolumen, weil das Fettgewebe weniger wird, aber der Hautmantel schrumpft nur wenig. Beschwerden durch den engen Hautkontakt werden also bleiben. Hier empfiehlt sich eine Straffung der Brust und gegebenenfalls eine Füllung mit körpereigenem Gewebe oder einem Implantat.

Gibt es standardisierte Verfahren für die Brustverkleinerung?

Es gibt zahlreiche, verschiedene standardisierte Operationstechniken, wir berücksichtigen daneben jedoch auch bei jeder Patientin individuell verschiedene Aspekte, etwa den Habitus und die Körperform. Ziel der Operation ist es, die Brustgröße proportional dem Körper anzugleichen. Zudem haben Patientenwünsche einen Einfluss. Eine Rolle bei der Wahl des Verfahrens spielen aber auch Hobbies, ob sie zum Beispiel bestimmte Sportarten ausüben möchte, und die Lebenssituation. Möchte sie noch Mutter werden und stillen? Dann sollte ein Verfahren angewendet werden, bei dem die Durchblutung der Brustwarze gewährleistet bleibt und Milchgänge geschont werden. Bei extrem großen, hängenden Brüsten kann die Brustwarze mit Vorhof entfernt und an einer ansprechenderen Stelle wieder eingesetzt werden. Das kann unter Umständen ästhetische Vorteile haben, die Empfindung und Funktion wird dadurch jedoch beeinträchtigt.

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