Brandschutz:Gefahr im Rathaus

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Im Vaterstettener Verwaltungsgebäude muss für viel Geld der Brandschutz nachgerüstet werden. Dies soll aber die letzte Investition gewesen sein. Bis Jahresende will man Konzepte für einen Neubau vorlegen.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Das Vaterstettener Rathaus soll abgerissen werden. Dies beschloss der Gemeinderat am Donnerstag ohne Gegenstimmen. Vor dem Abriss muss allerdings noch einmal saniert werden: Um gefährliche Brandschutzmängel zu beheben, werden Investitionen in noch unbekannter Höhe nötig sein.

Dass der Zustand des 1970 eröffneten Verwaltungsbaus an der Wendelsteinstraße nicht der beste ist, dürfte niemanden im Gremium überrascht haben. Wohl aber dass, wie Bauamtsleiterin Brigitte Littke und Brandschutzexperte Stephan Zobel deutlich machten, der Aufenthalt im Rathaus durchaus riskant sein kann. Denn der Brandschutz im Rathaus ist derzeit nicht gewährleistet, im Falle eines Notfalles besteht laut Zobel "erhebliche Gefahr". Zwar gebe es, wie vorgeschrieben, zwei Fluchtwege, aber "wenn es im Erdgeschoss brennt, sind alle verraucht", so Zobel. Grund ist die Architektur des Rathauses mit seinem bis zum zweiten Stock offenen Lichthof. Über die Fenster, "unterstellend, dass man eines findet, das sich noch öffnen lässt", könne das Gebäude ebenfalls nicht komplett evakuiert werden. Auch über Feuerwehrleitern sei dies nicht in der notwendigen Zeit zu schaffen.

Dies ist für die Gemeinde in doppelter Hinsicht problematisch. Neben dem Risiko für Mitarbeiter und Besucher kommt noch jenes der Haftung hinzu. Denn, wie die Bayerische Versicherungskammer kürzlich mitteilte, besteht für das Rathaus derzeit nahezu kein Versicherungsschutz. Auf 6,4 Millionen maximale Schadenssumme ist das Gebäude versichert, würde es aber tatsächlich brennen, könnte man bestenfalls 20 Prozent der Schäden von der Versicherung erstattet bekommen, erläuterte Kämmerer Markus Porombka.

Dies liegt neben den offensichtlichen Brandschutzmängeln vor allem daran, dass derzeit niemand weiß, ob das Rathaus so gebaut wurde und genutzt wird, wie es genehmigt ist. Wäre dies der Fall, könnte man sich zumindest teilweise auf den Bestandsschutz berufen. Doch in den vergangenen 45 Jahren sind zahlreiche Umbauten und Umnutzungen erfolgt, die nicht immer in den Akten Niederschlag fanden. So gilt etwa das Rathaus offiziell immer noch als Arbeitsplatz für 30 Personen - mittlerweile sind es aber fast dreimal so viele. Auch gibt es zahlreiche Abweichungen von der Baugenehmigung, etwa dass statt feuerfester Wände hölzerne Schrankwände eingebaut wurden.

Im Gemeinderat wurde der Bericht mit einer Mischung aus Verwunderung, Entsetzen und Galgenhumor aufgenommen. Stefan Huber (CSU) sagte, es sei erstaunlich, "dass nie irgendwann, irgendwem aufgefallen ist, dass hier mehr als 30 Leute arbeiten". Er stellte auch die Frage, ob "Gefahr für Leib und Leben" bestehe. "Das sollte man nicht so laut sagen", entgegnete Zobel, denn dann müsste sofort eine Nutzungsuntersagung erfolgen. "Dann gehen wir lieber gleich nach Hause", witzelte Jo Neunert (SPD).

Um zu verhindern, dass man Mitarbeiter und Gemeinderäte sofort heimschicken muss, sind aber einige Notmaßnahmen erforderlich. So soll als erster Schritt eine Brandmeldeanlage für 85 000 Euro eingebaut werden. Außerdem müssen die Treppen eingehaust und mit einem zusätzlichen Ausgang versehen werden, was je mehrere 100 000 Euro kosten dürfte. Rund 150 000 Euro werden außerdem Maßnahmen kosten, die das Übergreifen eines Brandes vom zweiten auf den dritten Stock verhindern sollen.

Einigkeit herrschte im Gremium darüber, dass dies die letzte Investition in das Rathaus gewesen sein soll. Ein von der Verwaltung ins Spiel gebrachtes Sanierungskonzept wurde verworfen. "Wir wissen doch, das Ding gehört abgerissen", sagte Neunert, und habe dies bereits 2009 beschlossen. Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) erinnerte an entsprechende Berechnungen aus jener Zeit, wonach "die Sanierung so viel kosten würde wie eineinhalb neue Rathäuser". Für Axel Weingärtner (Grüne) wäre eine Sanierung "ein Fass ohne Boden". Roland Meier (FW) schloss sich an: "Wir sollten das als Chance sehen, den Saustall wegzuschieben."

"Das sieht der Bürgermeister aber anders", sagte CSU-Fraktionschef Michael Niebler und erntete prompt eine ungewöhnlich scharfe Replik des Angesprochenen. "Wer sagt, dass ich das anders sehe?", erwiderte sich Georg Reitsberger (FW), er sei nie pauschal gegen einen Abriss gewesen, "aber angesichts der finanziellen Situation können wir es uns auch nicht zu leicht machen".

Seine Mitarbeiter hätten gegen einen neuen Wirkungsort wenig einzuwenden. Ralf Schloemilch vom Bauamt verwies auf die beengte Situation, Littke wies darauf hin, dass viele Arbeitsplätze im Rathaus "nicht der Arbeitsschutz-Verordnung entsprechen". So seien die Büros im Sommer nicht zu kühlen, im Winter nicht zu heizen, es gebe Probleme mit der Lüftung, die noch dazu nach Öl stinke und vieles mehr. "Von Verwaltungsseite würden wir einen Abriss begrüßen."

Wie es danach weiter gehen kann, dazu soll sich die Verwaltung nun Gedanken machen und dem Gemeinderat bis Jahresende entsprechende Konzepte vorlegen.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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