Betrügerische Kaffeefahrten:Gefährliche Gewinne

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Ein Kirchseeoner versucht vergeblich, betrügerische Kaffeefahrten aufzudecken - auch die Polizei kann nicht viel ausrichten.

Malte Conradi

Einen "wunderschönen Tag", der ihm "noch lange in Erinnerung bleiben" würde, hatten sie ihm versprochen. 5000 Euro in bar sollten ihm ausgezahlt werden, "garantiert". Und als wäre das nicht genug, sollte er auch noch eine Videokamera, einen "Schlemmerkorb" mit feinsten Spezialitäten aus der Region" sowie die Chance auf ein "Traumhaus im Wert von 200.000 Euro" bekommen. Und doch ist Peter Weinelt nicht sonderlich enttäuscht, als er an einer Kirchseeoner Straße steht, während es langsam hell wird und der Bus einfach nicht auftaucht, der ihn zum Ort dieser wundersamen Bescherung bringen soll.

Nur vereinzelt rauschen Lieferwagen vorbei, der Zeitungsautomat wird gerade aufgefüllt. Weinelt weiß, dass er all die versprochenen Geschenke ohnehin nie bekommen hätte. Nur dass er sich ganz umsonst um vier Uhr morgens aus dem Bett gequält hat, ärgert ihn, nicht einmal Semmeln für ein Frühstück kann man um diese Zeit kaufen.

Eigentlich hatte Weinelt den Brief mit der Einladung und all den Versprechungen gleich in den Papierkorb befördert, als er gesehen hatte, worum es geht. Schon oft hat der pensionierte Fahrzeuglackierer von solchen betrügerischen Verkaufsveranstaltungen, sogenannten Kaffeefahrten, gehört. Weinelt weiß, dass die Besucher die versprochenen Geschenke niemals zu Gesicht bekommen werden und dass ihnen stattdessen Produkte zu weit überteuerten Preisen aufgenötigt werden. Je länger Weinelt über den dreisten Betrugsversuch nachdachte, desto wütender wurde er. Schließlich beschloss er, sich mit der beiliegenden Antwortkarte anzumelden. Sehen, wie es auf solch einer Kaffeefahrt zugeht, wollte Weinelt, um andere warnen zu können.

Denn noch immer fallen zahlreiche Menschen auf die plumpen Versprechungen der Kaffeefahrt-Veranstalter herein. Tatjana Halm spricht von einem "immensen Problem". Die Juristin der bayerischen Verbraucherzentrale erhält täglich mehrere Anrufe und Zusendungen von Betroffenen - meistens indes von solchen, die den Betrug erkennen und ihre Einladung empört an die Verbraucherschützer weiterleiten.

Darüber, wie viele Menschen tatsächlich zu Betrugsopfern werden, gibt es kaum seriöse Schätzungen. Juristin Halm geht von einer hohen Dunkelziffer aus. "Einige werden gar nicht verstehen, dass sie betrogen wurden, andere schämen sich zu sehr, um zuzugeben, dass sie auf so etwas hereingefallen sind", erklärt Halm. Das bestätigt Hendrik Polte, Leiter der Polizeiinspektion Ebersberg: "Niemand gibt gerne zu, dass er übers Ohr gehauen wurde."

Das Vorgehen der Betrüger ist immer das gleiche: In Serienbriefen werden dem Adressaten schier unglaubliche Versprechungen gemacht. Früher ging es dabei meist nur um einen schönen Ausflug und eine Mittagstafel - daher der Name "Kaffeefahrt". Seit einigen Jahren sei zu beobachten, sagt Juristin Halm, dass die Versprechungen größer werden, nun geht es meistens um hohe Bargeldbeträge und Elektronikartikel - so wie bei Peter Weinelt. Um ihre Chancen zu erhöhen, konzentrieren sich die Veranstalter auf ältere Menschen oder auf solche in schwierigen finanziellen Verhältnissen.

Mit Bussen werden die Teilnehmer meistens in entlegene Gasthöfe gebracht, in Hinterzimmern warten die Verkäufer. "Das ist psychologisch sehr gut geschultes Personal", sagt Juristin Halm. Mit einer Mischung aus gutem Zureden und sanftem Druck gelingt es den Veranstaltern immer wieder, Produkte zu überhöhten Preisen loszuschlagen.

"Fast immer werden Produkte angeboten, die gut für die Gesundheit sein sollen, zum Beispiel Magnetfeldprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel", schreibt die Aufsichts- und Ordnungsbehörde das Lahn-Dill-Landkreises, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, vor den grassierenden Betrügereien zu warnen. "Dass diese Waren zum 30-fachen bis 100-fachen des Einkaufspreises angeboten werden, ist normal", so die Aufsichtsbehörde weiter.

Die versprochenen Gewinne und Geschenke indes werden den Teilnehmern verweigert - mit windigen Ausreden oder dem Verweis auf sprachliche Finessen. Im vergangenen März etwa fand eine solche Verkaufsveranstaltung in einem Eglhartinger Gasthof statt. Die versprochenen Geldgewinne entpuppten sich dort als Rubbellose, der Lieferant der zugesagten Elektronikartikel habe Lieferschwierigkeiten, hieß es, und die angepriesenen Lebensmittel vertrügen die Temperaturschwankungen nicht.

So oder so ähnlich wäre es wohl auch auf "seiner" Fahrt gekommen, glaubt Weinelt. Dabei wären seine Chancen gar nicht schlecht, die Veranstalter auf die Herausgabe des versprochenen Geldes und der Produkte zu verklagen. Die Verantwortlichen allerdings verstecken sich hinter häufig wechselnden Tarnfirmen und Postfachadressen. "Reiseservice Hömmen" lautet der Absender auf Weinelts Einladung - mehr als ein Postfach verbirgt sich dahinter wohl nicht, vermutet Verbraucherschützerin Halm.

Ebersbergs Polizeichef Polte kennt das Problem. Auch bei ihm gehen in jedem Jahr mehrere Betrugsanzeigen gegen Kaffeefahrt-Veranstalter ein. Einladungen dazu tauchten immer wieder in den Briefkästen im Landkreis auf. "Für die Polizei ist es aber sehr schwierig, da etwas zu machen", sagt Polte. Die Hintermänner seien in aller Regel nicht zu ermitteln.

Für Weinelt war es am Ende tatsächlich ein unvergesslicher Tag, aber aus einem anderen Grund, als auf seiner Einladung versprochen wurde. Für die Veranstalter hat er nur ein Wort übrig: "Das sind für mich Grattler."

© SZ vom 14.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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