Auszeichnung für Emmeringerin:"Nach der Jurysitzung hat man immer zehn Feinde mehr"

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Elisabeth Mehrl ist erfahrene Jurorin und Ausstellungsmacherin. (Foto: Christian Endt)

Die Malerin Elisabeth Mehrl aus Emmering bekommt das Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten verliehen. Es ist ein hart verdienter Preis.

Von Anja Blum, Emmering

Per se sind bildende Künstler wohl eher Einzelkämpfer. Im Gegensatz zu Musikern oder Theaterleuten stehen sie alleine an der Staffelei, müssen sich alleine um Ausstellungsraum und Fortkommen bemühen. Der Schöpfer des Gemäldes nebenan? Mindestens unwichtig, wenn nicht gar Konkurrenz, schließlich geht es darum, die Gunst des Publikums auf das eigene Werk zu lenken.

Umso bemerkenswerter also, wenn eine Künstlerin mal aus dieser Reihe heraustanzt, sich nicht nur um die eigene Schöpfungskraft dreht, sondern die zeitgenössische Kunst ganz generell voran bringen will. Ohne dabei auf den eigenen Vorteil zu schielen. Eine solche Ausnahmefigur ist Elisabeth Mehrl. Die Malerin aus Emmering wurde nun mit dem Ehrenzeichen des bayerischen Ministerpräsidenten ausgezeichnet, und zwar für ihr außerordentliches Engagement im Bereich der Kunstförderung.

"Mir ging es immer darum, Raum für zeitgenössische Kunst zu schaffen. Sie muss raus aus dem stillen Kämmerlein und einen Diskurs anbieten", erklärt Elisabeth Mehrl bei einem Treffen in ihrem Atelier. Für dieses Ziel setzt sie sich unermüdlich ein, seit mehr als 30 Jahren. In unzähligen Gremien und Vereinen war und ist Mehrl engagiert, regional wie überregional, hat schon viele Ausstellungen organisiert, in zahlreichen Jurys mitgewirkt, Preise sowie Zuschüsse verteilt.

Der Vorschlag kam von der Rosenheimer Oberbürgermeisterin

Etwa in dem bundesweiten Vergabegremium für Künstlerförderungen, dem Kunstfonds Bonn, oder im Rahmen der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst München. Neben der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft war Mehrl in der Künsterinnengemeinschaft Gedok aktiv, außerdem im Wasserburger AK 68 sowie im Ebersberger Kunstverein. "Ich habe tatsächlich schon viel Zeit und Energie für andere verwendet", sagt die 62-Jährige und lächelt.

Trotzdem sei sie freudig überrascht gewesen von der Auszeichnung, schließlich gebe es viele andere, die auch sehr viel leisteten. Dem Ministerpräsidenten für das Ehrenzeichen vorgeschlagen wurde Elisabeth Mehrl von der Rosenheimer Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, die wiederum von einem Stadtrat auf die Malerin aufmerksam gemacht worden war.

Schließlich ist Mehrl bereits seit 1985 im Rosenheimer Kunstverein aktiv, war dort 18 mal Jurymitglied und saß 16 Jahre im Beirat, seit 2013 ist sie die Vorsitzende. Als diese habe sie "wesentlich zur Öffnung und Neuorientierung des Kunstvereins beigetragen und damit zur Vermittlung von Kunst und Kultur für ein breites Publikum", heißt es in der Laudatio der Oberbürgermeisterin.

Fragt man Mehrl, wie es zu all dem kam, sagt sie, es habe sich halt so ergeben. Der Grund ist vermutlich einfach darin zu suchen, dass sie das sehr gerne macht: in Jurys über Kunst debattieren, aus heterogenen Werken eine Ausstellung komponieren, vielversprechende Kollegen fördern. "Es ist schön, etwas bewirken zu können, und an diesem kreativen Reichtum teilzuhaben", sagt sie. "Zu erleben, wie sich die Dinge am Ende fügen". Kunst sei wie eine fremde Sprache: Man könne nicht immer alles verstehen, aber je mehr man sich darauf einlasse, desto besser werde es.

Sie war Anfang 30 - "unter lauter älteren Männern"

Allerdings sei die Arbeit als Jurorin oder in Hängekommissionen beileibe kein Zuckerschlecken, sagt Mehrl. Viele Diskussionen würden sehr hitzig geführt, "und nach der Jurysitzung hat man immer zehn Feinde mehr". Insofern seien diese Erfahrungen stets "hart, aber lehrreich" gewesen. Mehrl kennt nun beide Seiten der Medaille.

Bestens in Erinnerung geblieben sind ihr die ersten Debatten über Kunst in Rosenheim, da war sie Anfang 30 - "unter lauter älteren Männern". Darunter ein "Lokalmatador", der Bad Aiblinger Maler Peter Tomschiczek, "was er gesagt hat, war Gesetz". Doch Mehrl ging unbedarft an die Sache ran, fragte ganz naiv nach und sagte unverhohlen ihre Meinung über die eingereichten Werke.

Da habe Tomschiczek sie angebrüllt, was sie denn überhaupt wolle: Sie könne ja kaum einen Pinsel halten! "Da sind mir die Tränen gekommen und ich bin raus - aber dann auch gleich wieder rein", erzählt Mehrl. "Das wollte ich mir nicht bieten lassen." Eine Erfahrung, die sie "gestählt" habe. Mittlerweile sei ihr Verhältnis zu Tomschiczek sehr gut, "auch wenn wir nach wie vor selten einer Meinung sind", sagt Mehrl und lacht.

Ein weitere einschneidende Situation erlebte die Emmeringerin einst in Wasserburg, dort wurde ihr eigenes Werk ausjuriert - vor ihren Augen. "Keiner der Kollegen wusste, dass das mein Bild war, und ich habe nur ganz still zugehört. Als sie es dann gemerkt haben, wollten sie die Entscheidung zurücknehmen - aber das habe ich nicht zugelassen."

Mit den Tränen gekämpft

Auch da habe sie mit den Tränen gekämpft, sagt Mehrl, und dabei eine wichtige Lektion gelernt: Man müsse solche Entscheidungen immer sportlich nehmen, denn oftmals gehe es dabei nicht um mangelnde Qualität, sondern um ganz andere Aspekte. Erstens nämlich sei Kunst immer auch Geschmackssache, und zweitens müsse die Jury stets die Gesamtschau einer Ausstellung im Blick haben: Manchmal ähnelten sich künstlerische Positionen zu sehr, dann wieder wolle man einen bestimmten thematischen Schwerpunkt setzen. "Es gibt viele Gründe für Ablehnung."

Doch Mehrl bewahrt in ihrem Herzen auch viele gute Erinnerungen rund um ihr Engagement, schnell fällt ihr eine Sitzung des Kunstfonds Bonn ein, wo staatliche Gelder für Ausstellungsprojekte zu vergeben waren. "Da hatte ich in der Vorauswahl sehr vielschichtige, feine Zeichnungen von einer mir damals noch unbekannten Silke Schatz in der Hand, die mich gleich fasziniert haben", erzählt sie. Für diese Arbeit habe sie sich eingesetzt - und am Ende seien sämtliche Koryphäen überzeugt gewesen: Schatz durfte sich über den mit 25 000 Euro dotierten Hauptpreis freuen. "Und jetzt stellen Sie sich mal vor, ich hätte diese Blätter gleich am Anfang zur Seite gelegt...", sagt Mehrl. "Das ist, als hielte man ein kleines Saatgut in Händen."

Eine wohlige Gänsehaut verursacht der Malerin auch der Gedanke an einen Wettbewerb für Kunst am Bau, es ging um ein neues klinisches Demenzzentrum. "Da gab es so eine kleine Vase, die auf den ersten Blick total kitschig erschien. Aber dann habe ich gesehen, dass sie eine geflickte Bruchstelle aufwies - und damit eine wunderbare Metapher war für die Situation der Betroffenen: nicht mehr ganz heil, aber die Form, die Würde des Menschen, ist immer noch da." Ist es ein Wunder, dass am Ende eine große Version dieser Vase das Demenzzentrum schmückte?

Vor allem Neugierde sei nötig, um eine gute Jurorin und Ausstellungsmacherin zu sein, sagt Mehrl, eine grundsätzliche Offenheit für die unterschiedlichsten künstlerischen Positionen. Außerdem hilfreich sei freilich ein gerüttelt Maß an Erfahrung und Gespür, unabdingbar zudem die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen. "Das ist doch nämlich alles nicht so wichtig", sagt Mehrl und lächelt.

Auch mit ihrer eigenen Malerei hat sie schon viele Menschen überzeugen können, gewann Wettbewerbe und Auszeichnungen, erst kürzlich durfte sie sich über den Kunstpreis des Landkreises Ebersberg freuen. Mehrls Thema ist seit vielen Jahren die Sehnsucht nach Vollkommenheit und Fülle: ein spirituelles Gefühl, das die Malerin in profanen Bildern einzufangen sucht.

Sie malt Schmuck, wunderbare Geschmeide in allen Varianten, Ringe, Ketten, Perlen, Edelsteine, Gold. Doch nicht um aufdringlichen Prunk und Protz geht es hier, sondern um träumerischen Idealismus. Diese Überzeugung ist wohl die Klammer, die Mehrls konzeptionelle Malerei und ihr Engagement für Kultur verbindet: "Ich glaube fest daran, dass Kunst die Welt ein bisschen besser macht."

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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