Baumschutz contra Ausbau:Angesägtes Vorzeigeprojekt

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Das Berufsförderwerk Kirchseeon ist von alten Bäumen umgeben. Einige sollen für die Erweiterung der Einrichtung gefällt werden. (Foto: Christian Endt)

Mit viel Begeisterung hat man in Kirchseeon die Erweiterungspläne des Berufsförderwerks aufgenommen. Doch nun gibt es Kritik an dem Vorhaben. Der Bund Naturschutz lehnt das Millionenprojekt sogar komplett ab

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Es war auf bestem Wege, ein Vorzeigeprojekt der Gemeinde zu werden, inzwischen zieht die geplante Generalsanierung des Berufsförderwerks (BFW) in Kirchseeon aber auch kritische Stimmen auf sich. Allen voran beim Ebersberger Kreisverband des Bundes Naturschutz kann man sich mit der rund 50 Millionen Euro teuren Maßnahme überhaupt nicht anfreunden. Dort kommen die Verantwortlichen nach Durchsicht der vorliegenden Pläne gar zu dem Schluss, den Ausbau der Schule komplett abzulehnen. Ihre Haltung begründen sie mit einem aus ihrer Sicht zu starken Eingriff in die Natur.

Ein solcher werde nicht vermeidbar sein, kündigte bereits der beauftragte Landschaftsarchitekt Günter Schalk an, als er zusammen mit BFW-Geschäftsführer Günther Renaltner das Projekt im Juli dieses Jahres im Kirchseeoner Marktgemeinderat vorstellte. Ziel ist es, bis zum Jahr 2027 auf dem Gelände am südlichen Ortsrand einen modernen Bildungscampus für Lehrende und Lernende zu schaffen. Dafür allerdings sind umfangreiche Baumaßnahmen an den in die Jahre gekommen Gebäuden notwendig. Unter anderem soll die Mensa komplett abgerissen und direkt nebenan neu gebaut werden. Auch einige Nebengebäude sind stark sanierungsbedürftig und sollen wieder auf Vordermann gebracht werden.

Nun befindet sich der BFW-Campus - eine Anlaufstelle für Menschen, die ihre bisherige Arbeit aufgrund eines körperlichen oder psychischen Schicksalsschlags nicht mehr ausüben können und nun eine neue berufliche Perspektive suchen - in einem "speziellen Umfeld", wie Architekt Schalk im Gemeinderat sagte. Die Bildungseinrichtung nämlich liegt eingebettet von einem Waldstück im Süden des Marktes. Auf dem Gelände selbst stehen mehrere alte Bäume - von denen einige für die Umbauarbeiten abgesägt werden müssten. Die BFW-Verantwortlichen kündigten aber bereits an, großzügige Ersatzpflanzungen anlegen zu wollen. Außerdem verweist Geschäftsführer Renaltner erneut darauf, dass unterm Strich nach dem Umbau sogar weniger Fläche versiegelt sei, als bisher. Beim Bund Naturschutz gibt man sich damit aber offenbar nicht zufrieden.

"Buchen und Eichen, die beim Bau der bestehenden Anlagen vor 50 Jahren sicherlich schon über 100 Jahre alt waren, sollen der Kettensäge zum Opfer fallen", schreiben BN-Kreisvorsitzender Olaf Rautenberg und der Kirchseeoner Ortsvorsitzende Michael Bernauer in einer umfangreichen Stellungnahme. Die beiden Naturschützer kritisieren, dass ein solcher Eingriff in den Baumbestand nicht mit den selbst gesteckten Klimazielen der Marktgemeinde vereinbar sei. Daran würden auch die vom Berufsförderwerk angekündigten Ersatzpflanzungen nichts ändern, denn: "Der bestehende Baumbestand ist bereits ökologisch wertvoll, und kann durch diese Maßnahme nicht verbessert werden", heißt in dem Schreiben.

Besonders bitter aus Sicht des Bundes Naturschutz ist, dass ein Teil der zu fällenden Bäume just für die Erweiterung des Parkplatzes weichen soll. Die Stellplätze sollen laut Planung um zehn Prozent auf dann 583 erhöht werden. "Aus dem jetzigen Parkgelände würde ein Parkplatzgelände", sagt dazu Michael Bernauer. Hinzu komme eine Zunahme an Lastwagen-Bewegungen, weitere Lärm- und Abgasbelastungen sowie eine Steigerung des Autoverkehrs. All das sei "ein Anachronismus für die umweltpolitischen Ziele der Marktgemeinde Kirchseeon".

Gänzlich neu sind die Einwände des Bundes Naturschutz indes nicht. Bereits als das Projekt im Gemeinderat vorgestellt wurde, gab es vereinzelt Bedenken, was die Grünanlagen angeht. Zwar segnete das Gremium das Vorhaben ohne Gegenstimme ab, allerdings unter der Bedingung, dass keine "naturschutzfachlichen Belange betroffen sind, die dem geplanten Projekt möglicherweise entgegenstehen", wie es im Beschluss von damals heißt. Um eventuelle Bedenken auszuräumen, hatte es Mitte November einen Ortstermin mit Vertretern des Bundes Naturschutz, der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt, dem örtlichen Bauamt, sowie Marktgemeinderäten und Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) gegeben.

Dieses Treffen jedoch ließ bei den Naturschützern anscheinend einige Fragen unbeantwortet. "Wie sich der ökologische Fußabdruck durch die Baumaßnahme verbessern soll, ist uns schleierhaft", schreibt der BN. Statt schlicht die Zahl der Parkplätze zu erhöhen, hätten Rautenberg und Bernauer lieber "Mobilitätskonzepte, von denen Beschäftigte und Umschüler profitieren können". Von denen nämlich gibt es im BFW nicht gerade wenige. Von insgesamt rund 700 Schülern aus dem ganzen Bundesgebiet pendeln täglich etwa 250 nach Kirchseeon. Dazu kommen rund 220 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit. Um dieses Verkehrsaufkommen sinnvoll steuern zu können, braucht es dem BN zufolge Lösungen, etwa durch den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs oder durch finanzielle Anreize, um auf das eigene Auto zu verzichten.

Das befürchtete Verkehrsproblem und der Eingriff in den Baumbestand lässt für die Naturschützer deshalb nur einen Schluss zu: Sie lehnen die Baumaßnahme in der vorgestellten Form ab. Olaf Rautenberg jedenfalls wähnt sich mit dieser Sichtweise nicht alleine und geht sogar noch einen Schritt weiter: "Vielleicht müssen wir Wählerinnen und Wähler entscheiden lassen, ob sie das wirklich wollen."

© SZ vom 30.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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