Bauern:Die Lösung liegt in der Bio-Landwirtschaft

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Sinkende Milchpreise, lange Arbeitstage: Eine Grafinger Familie erklärt, warum sie dennoch den Hof der Eltern übernommen hat und damit glücklich ist.

Von Christian Endt, Grafing

"Das ist schon ein besonderes Gefühl", sagt Leonhard Veicht, "wenn ich morgens die Kühe auf die Weide rausrennen sehe." Sobald er das Stalltor öffne, würde die ganze Herde von selbst nach draußen gehen. "Dann rennen alle zusammen eine Runde über die Wiese und wenn ihnen die Luft ausgeht, fangen sie an zu fressen." Von Frühjahr bis Herbst verbringen Veichts Kühe fast jeden Tag draußen im Grünen. Der Landwirt aus dem Grafinger Ortsteil Gasteig stellt gerade auf Bio-Landwirtschaft um, da ist das so vorgeschrieben. Nur wenn es richtig nass ist, lässt Veicht das Vieh im Stall: "Sonst machen die mir aus der Wiese einen Acker."

Vor vier Jahren hat Leonhard Veicht mit seiner Frau Maria den Hof seiner Eltern übernommen. Schon vorher hat der 34-Jährige fast jeden Tag im Stall mitgearbeitet. "Für mich war immer klar, dass Landwirtschaft das richtige ist", sagt er. Vor allem die Arbeit mit den Tieren gefällt ihm - und die Selbstständigkeit: "Du bist voll eigenverantwortlich". Sein jüngerer Bruder sei "eher so der Maschinenmensch, der hat dann Landmaschinenmechaniker gelernt". Daher sei schon früh klar gewesen, dass Leonhard Veicht den Hof übernehmen wird.

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Morgens um sechs schlüpft Veicht in seinen Blaumann und geht raus, quer über den Hof in den Stall und melkt seine 40 Milchkühe, außerdem hat er gerade auch noch 70 Jungtiere im Stall. "Du stehst auf und bist gleich in deiner Arbeit drin. Du musst nicht im Auto sitzen, musst nirgendwo hinfahren."

Die drei Söhne helfen schon mal mit

Im Winter bekommen die Tiere anschließend ihr Futter, im Sommer sperrt er nur das Gatter auf und sie suchen sich auf der Weide ihr Frühstück selbst. Den Rest des Tages macht Veicht, was gerade ansteht: Irgendwas ist immer zu reparieren. Neben der Viehhaltung baut er auch sein Futtergetreide selbst an. Seit ein paar Jahren führt Veicht außerdem noch einen Holzhandel. Zwischen 18 und 19 Uhr macht er meistens Feierabend.

Es sind lange Arbeitstage, einerseits. Andererseits sieht es gar nicht so sehr nach Arbeit aus, wenn Veicht mit der Mistgabel im Stall steht. Um ihn herum toben dann meistens seine drei Söhne Thomas (2), Ludwig (4) und Florian (6). die quirligen Buben nehmen auch schon mal einen Rechen in die Hand und helfen mit. "Das ist schon toll, wenn die Kinder mit auf dem Hof aufwachsen. Das war bei mir auch so, und so soll es auch sein."

Jung und Alt unter einem Dach in einem Beruf: Die Familie Veicht ist glücklich auf ihrem Bauernhof in Gasteig bei Grafing. (Foto: Christian Endt)

Sorgen macht ihm vor allem der immer weiter sinkende Milchpreis. "Wir haben in den letzten Jahren viel investiert, und das muss auch wieder reinkommen. Die Bank fragt nicht, wie es dir geht." Auf der Landwirtschaftsschule habe es daher immer geheißen: Wachsen oder weichen. "Da hieß es, man braucht mindestens 120 Kühe und möglichst viel Fläche, immer mehr und noch mehr", sagt Veicht. "Du bist in einem Hamsterrad. Da hast du keine Familie mehr, kein Leben mehr. Da kriegst du von deinen Kindern nichts mit." In der Bio-Landwirtschaft, wo für den Liter Milch ein paar Cent mehr gezahlt werden, sah Veicht einen Ausweg. Außerdem "hat es in unsere Betriebsstruktur gut reingepasst", sagt er.

Der Familienrat hat der Umstellung auf Bio zugestimmt

Tatsächlich ist der Veicht-Hof mit seiner überschaubaren Größe und der Wiese neben dem Stall schon nah dran an der romantischen Vorstellung von Landwirtschaft. "Die Weidehaltung wollte ich auch im Konventionellen schon immer machen, weil es einfach besser für die Tiere ist", sagt Leonhard Veicht. Irgendwann habe er den Familienrat einberufen und die Umstellung vorgeschlagen. "Naja, wennst meinst", habe der Vater geantwortet. Inzwischen seien aber alle überzeugt, dass es der richtige Weg ist. Vor allem im Sommer sei die Milchleistung zwar etwas zurückgegangen. Da bekommen die Kühe kein Kraftfutter mehr, sondern nur das, was sie auf der Weide finden. Dafür fallen aber auch die Kosten für zugekauftes Futter weg.

Die Familie wirkt glücklich mit dem eingeschlagenen Weg. Als Maria und Leonhard in der hellen Küche am großen Holztisch sitzen und ihre Geschichte erzählen, wuseln alle drei Kinder um sie herum. Der Opa schaut ab und zu rein, wenn es etwas zum Betrieb zu besprechen gibt oder einfach, um ein paar Worte zu wechseln. Arbeit und Familienleben gehen bei den Veichts fließend ineinander über.

"Nur für uns als Paar haben wir gerade wenig Zeit", sagt Maria Veicht. Einer von beiden hat immer zu tun oder muss auf die Kinder aufpassen. Einmal die Woche nimmt sie sich aber Zeit für ihren "Mädelsstammtisch", sagt sie. Leonhard ist im Trachtenverein aktiv und spielt Eishockey in einer Hobbymannschaft. "Wenn man nur mit Bauern zusammen ist, kommt man schnell in eine Spirale, wo alles schlecht geredet wird", sagt er. "In der Kabine komme ich auch mal mit einem Banker oder einem Anwalt zum Ratschen und höre andere Ansichten."

Marias Eltern hatten auch einen Bauernhof, haben ihn aber in ihrer Kindheit aufgegeben. Dass sie jetzt wieder in einen eingeheiratet hat, lag am Mann: "Ich wollt halt ihn, mit allem was dazugehört." Inzwischen hätte sie sogar gern noch ein bisschen mehr: "Ich fände es schon schön, wenn wir ein bisschen mehr Kleinvieh hätten", sagt sie. "Ein paar mehr Hühner, vielleicht Schweinderl oder Schafe." Einen richtigen Bauernhof eben.

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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