Baldhamer Opernsängerin:Ein "wildes Ding"

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Heide von Fleissner schmettert auch mit 80 noch Arien. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ihren 80. Geburtstag feiert Heide von Fleissner mit Zumba

Von Karin Kampwerth, Vaterstetten

Ob es wirklich nur der "gute Draht zum Chef" ist, wie Heide von Fleissner den Herrgott zu nennen pflegt? Oder ob es diese Gesamtkomposition sein könnte, die beste Gesundheit mit überschäumender Lebensfreunde zusammenführt, damit die Baldhamer Opernsängerin immer noch jeden Morgen singend und tanzend begrüßen kann? Nicht zuletzt kommen sicher auch die italienischen Wurzeln ihres Vaters hinzu, die von Fleissner anführt, warum sie auch mit 80 Jahren noch "ein wildes Ding" ist. Vor einer Woche hat sie ihren runden Geburtstag mit der Familie samt zwei Enkelkindern gefeiert, an diesem Samstag sind nun die Freundinnen an der Reihe. Die Jubilarin lädt aber nicht zum gesetzten Kaffeetrinken ein, sie veranstaltet lieber eine Zumba-Party.

"Da hat sie ganz schön Angst gehabt, dass das nicht klappt", verrät ihr Mann Karl Baron von Fleissner, ebenfalls ausgebildeter Opernsänger und deshalb kundig in allen Tonlagen. "Sie hat vor Schmerzen die Engelein singen hören", sagt er über den Hexenschuss, der seine Frau kurz vor dem Jubeltag ereilt hatte. Doch vor der Sause zu brasilianischer Musik in den Räumen der VHS, wo sie jeden Montag einen Zumba-Kurs besucht, ist alles wieder gut. Nun freut sich von Fleissner auf einen gelungenen Nachmittag, der von ihrer Tochter Elisabeth organisiert wird. Unter den Gästen einziger Mann neben dem eigenen wird "der Schorsch" sein. Gemeint ist Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger. Der wolle kommen, weil er sowas noch nie gesehen habe. Wobei von Fleissner unklar lässt, ob der Zumba-Tanz oder die Kombination mit einem 80. Geburtstag gemeint ist.

Wer die von Fleissners kennt, und das sind in Baldham und Vaterstetten sicher viele, wird sich jedenfalls kaum wundern. Das schillernde Paar gehört zu den Originalen in der Gemeinde. Karl von Fleissner, 82, hat als König-Ludwig-Double bereits vor der Kamera gestanden und als junger Mann mit Schauspielgrößen wie Ruth Leuwerik, Maria Schell, Rudolf Prack Filme gedreht, bevor er einen Kosmetiksalon in Baldham eröffnete. Seine Heide ist als Charity-Lady immer noch unermüdlich für Menschen in Not im Einsatz.

Einst hat sie die Vaterstettener Tafel gegründet und in den Anfängen nach Geschäftsschluss selber in den Mülltonnen der Supermärkte nach brauchbarem Essen gesucht. Heute nennt man das Containern. Es hat allerdings nicht lange gedauert, bis von Fleissner die Geschäftsinhaber überreden konnte, ihr die Lebensmittel offiziell zur Verfügung zu stellen "Schnurren" nennt die 80-Jährige charmant ihre Überzeugungskraft, die den Kaufleuten vermutlich kaum eine Wahl gelassen hat. Obst, Gemüse, Milchprodukte - all das hat von Fleissner dann persönlich an ihre "Schäfchen", wie sie die Bedürftigen liebevoll bezeichnet, ausgeliefert. Weil aber Not und Armut im reichen Vaterstetten immer mehr Menschen betraf, hat von Fleissner die Tafel an die Nachbarschaftshilfe übergeben.

Ihren "Verein zur Unterstützung bedürftiger Bürger der Orte Vaterstetten, Baldham, Zorneding" behält sie aber weiter unter ihren Fittichen. So konnte der Verein gerade zwei alleinerziehenden Vätern, die von Obdachlosigkeit bedroht waren, eine Wohnung vermitteln. Und sie half einer jungen Frau, deren Mutter gestorben war, sich für die Beerdigung einzukleiden. Ohnehin werde ihrem Verein viel Kleidung gespendet. "Alles ordentliche Sachen", wie von Fleissner betont. Die würden bei ihr abgegeben, weil sie für den Altkleidercontainer viel zu schade seien - und sie in der Doppelgarage, die nur mit einem Auto belegt ist, genügend Platz zur Lagerung hat. Heide von Fleissner unterstützt mit den Spenden an den Verein aber auch Rentner mit schmalem Auskommen, zum Beispiel bei der Bezahlung von Medikamenten, die die Krankenkassen nicht übernehmen, und sie besucht einsame Senioren im Heim, "um ein bisserl Gaudi zu machen" und auch mal Zumba vorzutanzen.

Bei so viel Engagement kann Heide von Fleissner zu ihrem 80. Geburtstag ein Fazit wohl zurecht ziehen: "Ich denke, dass mein Chef ganz zufrieden mit mir ist."

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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