Bahn-Siedlung in der Koloniestraße:Es kracht unterm Gebälk

Lesezeit: 5 min

Susanna Roghani hat in Kirchseeon vier Häuser gekauft. Geplante Umbaumaßnahmen aber hat ihr der Denkmalschutz bisher verweigert, weshalb sie nun Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Behördenchef einlegt

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Es geht um vier freistehende Häuser im Münchner Umland, also um nicht weniger als einen wahren Schatz in der heutigen Zeit - das möchte man zumindest meinen. Und doch sind die Immobilien für Susanna Roghani weitgehend wertlos. Eigentlich sogar noch schlimmer als das: Seit die 50-jährige selbständige Unternehmerin aus München die alten Gebäude in der Kirchseeoner Koloniestraße vor fünf Jahren erworben hat, haben sie ihr nicht nur keinen Gewinn gebracht, stattdessen aber einiges an Nerven gekostet. Grund dafür ist ein seit längerem schwelender Streit mit dem Landesamt für Denkmalschutz, das Umbaumaßnahmen an den Häusern bisher untersagt hat. Nun hat der Zwist eine neue Eskalationsstufe erreicht, denn Roghani hat beim Bayerischen Kunstministerium eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Generalkonservator Mathias Pfeil eingereicht.

"Da er die völlig unterschiedliche Handhabung der bestehenden gesetzlichen Regelungen im Bereich des Denkmalschutzes (...) zugelassen hat, richtet sich die vorliegende Dienstaufsichtsbeschwerde gegen seine Person", schreibt Susanna Roghani in ihrem Brief an Kunstminister Bernd Sibler (CSU). Mit "seine Person" ist Denkmalschutz-Chef Pfeil gemeint, mit der "völlig unterschiedlichen Handhabung" die aus Sicht der Unternehmerin willkürliche Bewertung durch dessen Behörde im Fall der Kirchseeoner Häuser. Denn diese lehne bisher jede bauliche Veränderung - insbesondere im Dachbereich - ab.

Genau dort will Roghani bei ihren Häusern aber eigentlich nachbessern - zumindest bei zwei von vier Gebäuden. Die selbständige Immobilieninvestorin hat die Kirchseeoner Häuser 2015 erstanden. Zwei Jahre zuvor waren die Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden, da sie zur Siedlung gehören, die die Königlich Bayerische Staatseisenbahn 1905 für deren Arbeiter nahe der Bahntrasse errichtet hatte. Dass es nicht ganz einfach werden würde, die teils recht maroden Häuser wieder auf Vordermann zu bringen, hatte Roghani bereits beim Kauf geahnt. Dass es ihr jedoch quasi unmöglich gemacht wird, damit habe sie nicht gerechnet.

"Ich will doch eigentlich nur Wohnraum schaffen", sagt die 50-Jährige, die geplant hatte, zwei der Gebäude abzureißen und auf dem Grundstück neue Häuser zu bauen. Die anderen beiden Immobilien sollten saniert werden. Nun, rund fünf Jahre nachdem sie die Tinte unter den Kaufvertrag gesetzt hat, stehen die Bauwerke aber immer noch. Und auch die Sanierung der anderen beiden Häuser geht mehr als zäh voran. Einen Teil davon habe sie inzwischen vermieten können, sagt Roghani, doch leicht sei es nicht, Interessenten dafür zu finden. Die Wohnungen werden noch mit einem alten Ölofen geheizt, teilweise befindet sich die Dusche direkt in der Küche - den Standard von vor über 100 Jahren wissen heute eben nur noch wenige Mieter zu schätzen.

Das Haus ist eines von vier Gebäuden im Bereich der Kirchseeoner Koloniestraße, die die Königlich Bayerische Staatseisenbahn für ihre Mitarbeiter errichtet hat. Die Denkmalbehörde erachtet diese als schützenswert und verbietet deshalb jegliche bauliche Veränderung. Sehr zum Ärger der Eigentümerin. (Foto: Christian Endt)

Ganz untätig war Roghani dennoch nicht. Etwa 30 000 Euro habe sie in jede Wohnung investiert, um diese zumindest halbwegs attraktiv zu gestalten. Ihr Hauptanliegen gilt aber seit Jahren den Dachgeschossen der beiden Häuser, die sie erhalten will. Da die Decke für heutige Ansprüche viel zu niedrig ist, wollte Roghani fünf tragende Holzbinder nach oben versetzen - hier allerdings schritt der Denkmalschutz ein. Man dürfe am Dachstuhl nichts verändern, hieß es von der zuständigen Sachbearbeiterin.

Es war der Anfang eines über die Jahre andauernden Streits, der nun in der Dienstaufsichtsbeschwerde gipfelt. Ein eher ungewöhnlicher Vorgang, wie vom Denkmalamt zu erfahren ist. Von dieser Möglichkeit werde nur selten Gebrauch gemacht, heißt es auf Anfrage der SZ. Dennoch werde man Roghanis Gesuch ernst nehmen, es müsse nun geprüft werden, ob die vorgebrachten Beschwerden zutreffend seien. Sollte dies der Fall sein, werde man dem Einzelfall entsprechend reagieren, teilt die Behörde mit. Zu dem aktuell laufenden Verfahren können jedoch keine genaueren Angaben gemacht werden.

Worum es Susanna Roghani in ihrem Schreiben an das Kulturministerium vor allem geht, ist, dass aus ihrer Sicht mit zweierlei Maß gemessen wird. "In München geht's, im Landkreis geht's nicht", sagt die Unternehmerin. Als Beispiel nennt sie etwa das ehemalige Frauengefängnis in der Au. "Hier wurde der gesamte Dachstuhl verändert. Er wurde mit Dacheinschnitten, Gauben und einem Anbau an die Häuserfront versehen", schreibt Roghani an den Kunstminister. Ähnliche Arbeiten seien am ehemaligen Straub-Haus in Ramersdorf oder an der Berufsschule am Sendlinger-Tor-Platz durchgeführt worden. Die Bewertung ihrer eigenen Immobilien bezeichnet die Unternehmerin deshalb als "willkürlich". Ihr Argument: "Wenn die Regelungen des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes so ausgestaltet sind, dass in München auch an denkmalgeschützten Gebäuden völlige Änderungen des Dachgeschosses möglich sind, die deutlich äußerlich erkennbar sind, muss dies auch in anderen Regionen in Bayern gelten."

Das will man beim Landesamt so pauschal aber nicht stehen lassen. Jedes Baudenkmal sei mit seinen architektonischen Eigenheiten und Schäden anders, sodass in seltenen Einzelfällen auch einmal Gründe gegen die Ausführung des Denkmalschutzes sprechen könnten, heißt es in einer Stellungnahme. Als einen solchen Einzelfall bewertet die Behörde Susanna Roghanis Immobilien offenkundig aber nicht. "Der Abriss eines grundsätzlich noch sanier- und nutzbaren Baudenkmals kann vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege nicht gutgeheißen werden", schreibt die Behörde zum Fall in Kirchseeon.

Zudem lägen ihr bislang keine konkreten Pläne über die Veränderungen am Dachstuhl vor. Es habe lediglich ein Beratungsgespräch gegeben, in dem der Eigentümerin mitgeteilt worden sei, dass man einer Anhebung eines Daches denkmalfachlich nicht zustimmen könne.

Laut Roghani ist das auch gar nicht ihr Ziel, es gehe nicht darum, das komplette Dach anzuheben, sondern nur die Holzkonstruktion leicht zu verändern, um dadurch etwas mehr Deckenhöhe zu bekommen. Das Schreiben an den Bayerischen Staatsminister ist deshalb nicht ihr einziger Schritt. Auch beim Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) will sie Anfang September vorstellig werden und um Unterstützung in der Sache bitten.

Beweismaterial, das ihr Vorhaben stützt, hat die Münchnerin jedenfalls. Bereits vor vier Jahren hatte sie bei einem Architekten, der als Sachverständiger für Denkmalschutz arbeitet, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin heißt es über die Häuser in Kirchseeon: "Die offizielle Denkmalbeschreibung bezieht sich auf den bauzeitlichen Zustand und ignoriert vollständig die inzwischen erfolgte Verdichtung, die Verwandlung des Dorfes zur vorstädtischen Siedlung mit guter Verkehrsanbindung." Und tatsächlich, die modernen Nachbargebäude erwecken nicht zwingend den Eindruck einer historisch bedeutsamen Siedlung.

Dennoch ist Susanna Roghani bisher mit allen Interventionen gegen das Verbot des Denkmalschutzamtes gescheitert. Selbst eine Klage vor dem Verwaltungsgericht lief ins Leere. Die Richter hatten zwar bei einem Ortstermin Verfahrensfehler bei der Bewertung festgestellt und eine erneute Abklärung durch die Fachbehörde gefordert. Diese ist laut Roghani aber schließlich vom gleichen Gutachter durchgeführt worden wie die ursprüngliche Prüfung, was die Unternehmerin auf die Palme bringt: "Das ist, als würde ich meine eigene Abiturprüfung korrigieren!" Derzeit will sie beim Verwaltungsgerichtshof eine Zulassung zur Berufung des Verfahrens erwirken, eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Nun versucht es die 50-Jährige also zudem direkt über das Staatsministerium. Ob ihre Erfolgsaussichten auf diesem Weg besser stehen, wagt die Unternehmerin mit Blick auf die Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht einzuschätzen. "Mal sehen, was dabei rauskommt." Es könnte allerdings sein, dass Susanna Roghanis Gesuch an den Kunstminister einer der letzten Akte im scheinbar nicht enden wollenden Theater um die Kirchseeoner Immobilien sein wird. Sollte sich nämlich bis zum Jahresende nichts in der Sache bewegen, überlegt sie, zumindest zwei der Häuser wieder zu verkaufen, denn: "Das hält doch kein Selbständiger durch."

© SZ vom 24.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: