Deutsche Bahn:Markt Schwabener Bahnhof bleibt Albtraum für Rollstuhlfahrer

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Trotz jahrzehntelanger Bemühungen im Ort wird die Station nun doch nicht barrierefrei umgebaut.

Von Korbinian Eisenberger

Der Bahnhof Markt Schwaben hat zwei Aufzüge, die beide funktionieren. Für die Barrierefreiheit des Bahnhofs wäre dies eine sehr gute Nachricht, hätten beide Liftanlagen nicht diese Besonderheit: Sie tragen Rollstuhlfahrer-Symbole, führen aber nicht zum Bahnsteig, sondern zu einem Durchgang und von dort auf eine Treppe zu den Gleisen. So sieht es in Markt Schwaben seit den 1990er Jahren aus - und so wird es auch künftig bleiben.

Seit dem Bau der beiden Aufzüge laufen in Markt Schwaben Bestrebungen, einen barrierefreien Zugang zu den vier Bahngleisen zu schaffen. Bis dato war man seitens der Gemeinde Markt Schwaben davon ausgegangen, dass der Umbau im Jahr 2020 erfolgt. Am Dienstagabend gab es in dieser Mission den nächsten Dämpfer: An der Erreichbarkeit der Züge wird sich in Markt Schwaben auf absehbare Zeit nichts ändern. Dies ging aus einer Präsentation der Deutschen Bahn im Markt Schwabener Gemeinderat hervor. Entsprechend unzufrieden fielen die Reaktionen im Sitzungssaal aus. Zwei Mitarbeiter der zuständigen Bahn-Abteilung DB Netz gaben als Begründung die jüngsten Veränderungen an, die sich mit Einführung des neuen "Verkehrswegeplan 2030 plus" ergeben hätten. Aufgrund "der veränderten verkehrlichen Bedingungen sei eine Umplanung erforderlich gewesen", hieß es darin. "Eine sehr unschöne Situation", wie einer der beiden Sprecher erklärte.

Wer mit Rollstuhl und Kinderwagen unterwegs oder anderweitig beeinträchtigt ist, muss oft auf Hilfe hoffen oder wählt lieber gleich andere Transportmittel. Markt Schwabens Bahnhof ist hier kein Einzelfall im Landkreis Ebersberg. Auch in den Gemeinden Poing und Zorneding gibt es seit Jahren Ärger um den schwierigen Zugang zu den dortigen Bahnsteigen. So wird der Zornedinger Bahnhof von der Bahn zwar offiziell als barrierefrei bezeichnet, die dort installierte Rampe ist jedoch so steil, dass Rollstuhlfahrer ohne Hilfe kaum eine Chance haben hochzukommen. In Poing soll im Frühjahr 2020 eine nagelneue Fußgänger- und Radlerunterführung unter den Gleisen hindurch eröffnet werden, der Bahnsteig aber weiter nur über eine steile Treppe erreichbar sein.

Das Projekt soll nun im Jahr 2021 umgesetzt werden

Eigentlich hätte der barrierefreie Ausbau durch die Bahn in einem Zug erfolgen sollen, bei der Ausschreibung fand sich allerdings laut Bahn keine Firma, die auch nur annähernd den gesteckten Finanzrahmen eingehalten hätte. Nun will die Bahn das Projekt im Jahr 2021 umsetzen, geplant sind unter anderem zwei Außenbahnsteige, ein Bahnsteigdach, der Einbau eines Blindenleitsystems - und eben die Verbindung zu der neuen Unterführung.

In Markt Schwaben tut sich hingegen so gut wie nichts, auch deshalb kämpft die örtliche Bürgerinitiative Bahnausbau seit Anfang der 1980er Jahre etwa für Lärm- und Erschütterungsschutz - und eben Barrierefreiheit. "Diese Themen begleiten uns seit Jahrzehnten mit Hoffnungen und Enttäuschungen", erklärt Mitgründerin und CSU-Gemeinderätin Monika Schützeichel am Mittwoch auf Nachfrage.

Am Abend zuvor waren sich die Gemeinderäte im Markt Schwabener Rathaus einig wie selten. "Es muss doch möglich sein, dass Leute mit Beeinträchtigung in die S-Bahn kommen", schimpfte CSU-Gemeinderat Hermann Bogenrieder. Ähnlich unzufrieden reagierte Bürgermeister Georg Hohmann (SPD), der die Zusammenarbeit mit der Bahn mit einem nicht enden wollenden Tennismatch verglich. "Das Spielchen spielen wir nun seit vielen Jahren", so Hohmann. Noch deutlicher wurde Elfriede Gindert (CSU). Die Bahn leiste sich am Markt Schwabener Bahnhof "seit 30 Jahren eine Fehlplanung".

Die Maßnahmen hängen unmittelbar mit dem Verkehrswegeplan zusammen

Der Kritik im Gremium ließen die Bahnvertreter weitere Erklärungen folgen. Hintergrund seien "Anpassungen im Zuge des Verkehrswegeplans 2030 plus", deren direkter Zusammenhang zum Markt Schwabener Bahnhofsumbau die Gemeinderäte offenbar überraschte. Bisher hatte man dort drei Maßnahmen einkalkuliert: einen zusätzlichen - dann fünften - Bahnsteig als Ergänzung für die zweite Stammstrecke. Den viergleisigen Ausbau zwischen München-Ost und Markt Schwaben. Und den barrierefreien Ausbau des Bahnhofs - hierfür wurde vergangenes Jahr bereits ein Planfeststellungsverfahren eröffnet.

Als neues Argument für planerische Verschiebungen nennt die Bahn nun, zwei weitere Bahnprojekte, die - so ist seit einiger Zeit klar - am Bahnhof Markt Schwaben zusammenlaufen werden: Die Ausbaustrecke München-Mühldorf-Freilassing (ABS 38) und die Zweigleisigkeit der S-Bahnlinie 2 ab Markt Schwaben in Richtung Erding.

Diese Erklärung reichte im Gremium den wenigsten aus. Es kamen mehrere Nachfragen auf, warum das für Markt Schwaben so wichtige Projekt Barrierefreiheit nun auf Eis gelegt wird. So kam etwa die Idee für einen Art diagonalen Treppenlift auf. Die beiden Bahn-Mitarbeiter teilten darauf hin mit, dass sie beide für kleine Projekte wie die Gestaltung eines örtlichen Bahnhofs nicht zuständig sieien, und nannten eine Stelle, an die man sich wenden könne. Bürgermeister Hohmann nahm dies zum Anlass für eine letzte Wortmeldung und schloss mit dem Satz: "Das geht langsam in den Bereich des Unerträglichen."

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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