"Bach and more":Sündenknecht und Vergebung

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Kammerchor "Con Voce" erntet in Sankt Ottilie stürmischen Beifall

Von RITA BAEDEKER, Grasbrunn

Als am Sonntag um 18 Uhr die Wahllokale schließen, ist auch das Konzert des Zornedinger Kammerchors Con Voce in der Katholischen Wallfahrtskirche Sankt Ottilie in Möschenfeld fast zu Ende. "Bin schon sehr gespannt" oder "mal schaun, was passiert", so lauten Satzfetzen, die man vor Beginn auf dem kleinen Friedhof aufschnappt. Und, klar, gemeint ist nicht das Konzert. Anders als vielerorts im Land an diesem Tag, herrscht hier nach 18 Uhr nichts als Freude und Zuspruch. Denn die Streicher des Barockensembles Vaterstetten, der Frauenchor unter der bewährten Leitung von Matthias Gerstner und die Solistinnen Monika Lichtenegger, Sopran, und Franziska Gündert, Alt, überzeugen mit einer berührenden und reifen musikalischen Leistung.

Mit Léo Delibes' eingängiger "Messe brève" beginnt der sonnige Herbstnachmittag. Draußen wiegen sich goldene Blätter im Wind, leuchten mit dem prunkenden Gold an den Altären um die Wette. Delibes, Ballett- und Opernkomponist des 19. Jahrhunderts, hat mit seiner einzigen, für Kinderstimmen und Orgel geschriebenen Messe ein liebenswürdiges Stück Kirchenmusik geschaffen, anmutig und liedhaft die Sätze. Deren schlichte, innig hymnische Motive gestaltet der Frauenchor mit Empfindsamkeit und Transparenz.

Eine Zeitreise aus der Belle Époque zurück in die Ära des Barock folgt mit Domenico Scarlattis "Salve Regina" für Frauenchor, Streicher und Orgel. Die liturgische Formel "Sei gegrüßt, o Königin" ist Teil des Stundengebets, und dieses kommt aus tiefer Seelennot. Verbannt ins Tal der Tränen, rufen die Kinder Evas zur Mutter der Barmherzigkeit. Dieses Rufen, Bangen und Hoffen bricht sich bei Scarlatti Bahn in dramatischer Mehrstimmigkeit. Der Chor findet hier zu einer intensiven, klaren und homogenen Klangwirkung.

Hauptwerk des Konzerts der Reihe "Bach and more" von Gerstner ist Johann Sebastian Bachs Vertonung des Psalms 51: "Tilge, Höchster, meine Sünden" (Bach-Werke-Verzeichnis 1083), eine Bearbeitung des lateinischen "Stabat Mater" von Giovanni Battista Pergolesi mit einem eigens dazu gedichteten deutschen Text. Der Psalm geht eigentlich auf König David und einen bekannten "Skandal" aus dem Alten Testament zurück: David hat sich die schöne, aber verheiratete Bathseba in sein Bett geholt. Als der Prophet Nathan ihm seine Sünde vorhält, tut David mit diesem flammenden Schuldbekenntnis Buße.

Die 14-teilige Kantate erklingt in der Besetzung für Sopran, Alt, Frauenchor, Streicher und Basso Continuo. Von der Einsicht, dass Gott kein anderes Opfer als die Wahrheit akzeptieren werde, bis zur Aufforderung, ihn rein zu waschen, reicht des Königs Appell. Ein bisschen manipulativ argumentiert der reuige Sünder dann aber auch: "Herz und Geist, voll Angst und Grähmen, Wirst du, Höchster, nicht beschämen, Weil dir das dein Herze bricht."

Bach, der Pergolesis Komposition verdichtet und erweitert hat, folgt mit einem vielgestaltigem Chorsatz und einer reichen eigenständigen Instrumentierung der Beichte des "Sündenknechts" in ihrer ganzen Dramatik und Hoffnung. Chor, Solistinnen und Kammermusiker geben den Emotionen des Flehens, Bittens und Klagens, aber auch der Vorfreude auf Vergebung eindringliche Tiefe, die in der nur mäßig besetzten Kirche mit lang anhaltendem Applaus belohnt wird - bevor daheim an den Fernsehschirmen ganz andere jammern, klagen, Buße tun oder auch jubilieren.

Das nächste Konzert der Reihe "Bach and More" findet statt am Samstag, 10. November, 19 Uhr, in der evangelischen Petrikirche Baldham: Unter der Rubrik "Orgel plus III" erklingen Werke von Rheinberger, Bruch, Kirchner und Reger für Violoncello und Orgel. Es musizieren Klaus Kämper und Matthias Gerstner.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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