Architekt vs. Gemeinde:Zorn auf Zorneding

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So hätte die das Bauprojekt an der Eglhartinger Straße aussehen sollen. Nach vier Jahren Planung ist dort aber immer noch eine grüne Wiese. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zwischen einem Grafinger Architekten und der Gemeinde ist ein Streit um ein Bauprojekt für Einheimische entbrannt. Während man sich im Rathaus keiner Schuld bewusst ist, droht dem Planer nun die Insolvenz

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Wer sich im Münchner Umland auf dem freien Markt ein Eigenheim zulegen will, muss in aller Regel viel Geld mitbringen. Deutlich günstiger werden Wohnungen und Häuser dagegen, wenn sie im Rahmen eines Bauprojekts für Einheimische realisiert werden. Für eine Gemeinde ist es deshalb eigentlich ein ziemlicher Glücksfall, wenn ein Grundstückseigentümer sein Bauland für so ein Vorhaben zur Verfügung stellt. Zu einem solchen Glücksfall hätte auch eine Fläche an der Eglhartinger Straße im Zornedinger Ortsteil Pöring werden können, doch nach langer Planung steht das Projekt nun vor dem Aus - und zwischen Gemeinde und Architekt ist ein handfester Streit entbrannt.

"Wir hängen da voll mit unserer Existenz drin", sagt Michael Hüttinger. Der Architekt aus Grafing war vor etwa vier Jahren von einem privaten Bauwerber damit beauftragt worden, die Fläche zwischen Asylbewerberunterkunft und dem Beginn der Wohnbebauung in Pöring zu überplanen. Dort hätten demnach fünf Reihenhäuser, zwei Einfamilienhäuser und zwei Mehrfamilienhäuser mit jeweils acht Wohnungen entstehen sollen. Einen Teil davon hätte der Grundstückseigentümer für sich selbst gebaut, der Rest hätte als vergünstigter Wohnraum an interessierte Zornedinger gehen sollen. Die Formulierung im Konjunktiv deutet es aber bereits an: dazu ist es nicht gekommen.

Für Architekt Michael Hüttinger ist das aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar. Im Jahr 2016 bereits habe er den Auftrag bekommen, einen Bebauungsplan zu erarbeiten. Bei der anschließenden routinemäßigen Auslegung im Rathaus habe es keinerlei Einwände dagegen gegeben, nach einem Personalwechsel im Bauamt sei es aber plötzlich still um das Projekt geworden. "Die Planung war eigentlich komplett fertig", so Hüttinger.

Doch nicht nur das: Es hatten sich auch bereits ausreichend Interessenten gefunden, um eine Baugenossenschaft zu gründen. Laut Hüttinger habe diese insgesamt 13 Mitglieder gehabt, die sich in Zorneding ein Eigenheim zulegen wollten. "Die Familien sind natürlich jetzt auch vor den Kopf gestoßen", sagt der Architekt.

Etwas vor den Kopf gestoßen hatte man sich zu der Zeit aber auch in der Gemeinde gefühlt, wo man mit Hüttingers Vorgehen alles andere als glücklich war. Dieser habe nämlich bereits Geld von den Bauinteressenten eingesammelt, bevor der Bebauungsplan überhaupt von der Gemeinde genehmigt worden ist. "Mir hat das damals schon nicht gefallen", sagt Bürgermeister Piet Mayr (CSU) heute. Ihm seien aber die Hände gebunden gewesen, da es nie einen Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Architekten gegeben habe. "Ich habe die Leute aber davor gewarnt, Geld zu zahlen", so der Bürgermeister.

Hüttinger allerdings verteidigt sein Vorgehen - das ihm im Nachhinein selbst teuer zu stehen kommen dürfte. Die 5000 Euro, die er von den Interessenten bekommen habe, seien eine Art Rückversicherung gewesen, dass sie es tatsächlich ernst meinen mit ihrem Bestreben. Bei Baugenossenschaften werde immer ein gewisser Geldbetrag hinterlegt, das sei ein ganz normales Vorgehen, sagt Hüttinger. Dieses Geld allerdings - bei 13 Interessenten immerhin 65 000 Euro - muss der Architekt nun wieder zurückzahlen, was ihn vor eine große finanzielle Herausforderung stelle. Das sei existenzbedrohend für seine Firma, sagt der Grafinger, dem nun sogar die Insolvenz droht.

Aus dem Zornedinger Rathaus darf Hüttinger allerdings kein Mitleid erwarten. Im Gegenteil: Dort war man ziemlich verärgert über das vermeintliche Vorpreschen des Architekten. Dieser habe bereits damit begonnen, Wohnungen zu vergeben, ohne dass die Gemeinde den Bebauungsplan überhaupt abgesegnet hatte, sagt Bürgermeister Mayr. Und ohnehin sei dieser so auch gar nicht realisierbar gewesen: Nach Rücksprache mit dem Landratsamt hätten sich Probleme mit den Abstandsflächen, dem Brandschutz und dem Wasserschutz ergeben. Kleinigkeiten, die man hätte regeln können, entgegnet Hüttinger, der der Gemeinde eine Kommunikation "unter aller Sau" vorwirft.

Sonderlich viel Kommunikation zwischen dem Architekten und dem Rathaus dürfte es künftig ohnehin nicht mehr geben. Nachdem die Verwaltung in Absprache mit dem Grundstückseigentümer zwischenzeitlich einen anderen Planer mit dem Projekt beauftragt hatte, ist man nun komplett von dem Vorhaben abgerückt. Für kurze Zeit stand noch zur Debatte, auf der Fläche sozialen Wohnungsbau zu realisieren, inzwischen hat der Gemeinderat aber beschlossen, das Bauprojekt vorerst nicht weiterzuverfolgen. Das lag vor allem daran, dass sich die Interessenten inzwischen vom Genossenschaftsmodell verabschiedet hatten und lieber eine Baugemeinschaft gründen wollten. Bei Ersterem hätten die Mitglieder für ihre Anteile bezahlt und wären quasi Mieter gewesen, bei Zweiterem aber wären sie selbst zu Eigentümern geworden, die sich nur die Baunebenkosten geteilt hätten. Die Mehrheit im Gemeinderat lehnte diese Konstellation ab.

Damit dürfte das letzte Wort aber noch nicht gesprochen sein. Laut Bürgermeister Mayr liege der Ball nun wieder beim Grundstückeigentümer. Dieser wisse Bescheid, dass für den Moment alle Planungen eingestellt sind, sollte er aber einen neuen Bauantrag einreichen, würde sich der Gemeinderat damit beschäftigen. Und auch Hüttinger hat sein Projekt in Pöring noch nicht zu den Akten gelegt. Er sei überzeugt vom Einheimischen-Baumodell und würde deshalb seine Pläne gerne weiterverfolgen. Ob es dazu kommt, hängt in erster Linie am Grundstückseigentümer - und schließlich auch an der Zusammenarbeit mit der Gemeinde. Aus Hüttingers Sicht jedenfalls ist die Tür noch nicht komplett verschlossen: "Wir müssen jetzt versuchen, einen neuen Anfang zu finden."

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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