Arbeitslosenzahlen:Rekordbilanz mit Abstrichen

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Das Jobcenter bringt so viele Menschen in Beschäftigung wie nie zuvor. Dennoch gibt es Verbesserungsbedarf

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wenn ein Chef sagt, er blicke optimistisch auf das kommende Jahr, bedeutet das in aller Regel, dass seine Firma finanziell gut aufgestellt ist und man neue Projekte angehen kann. Nun ist das Ebersberger Jobcenter zwar kein Unternehmen im klassischen Sinne, die Rahmenbedingungen sind sehr zu Freude von Geschäftsführer Hermann Schmidbartl aber dennoch positiv. Nicht nur, dass die Zahl der erfolgreichen Integrationen in ein Arbeitsverhältnis so hoch wie noch nie ist, darüber hinaus stellt der Bund für 2019 auch wieder mehr Geld zur Verfügung. Laut Schmidbartl gelte es deshalb nun, die Marktchancen im Landkreis Ebersberg zu nutzen.

Als der Jobcenter-Chef die Zahlen für das Jahr 2018 vorlegt, kann er gleich mehrere Rekorde vermelden. So sei eben jene Integration in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit mit 703 Fällen der höchste Wert, den das Ebersberger Jobcenter je erreicht hat. Derweil ist der Arbeitsmarkt weiter aufnahmefähig, 3260 gemeldete freie Stellen - und damit 274 mehr als noch im Vorjahr - sind ebenfalls ein Spitzenwert. "Sensationell hoch" ist Schmidbartl zufolge auch die Integrationsquote von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Diese lag 2018 bei 73,8 Prozent, 13,7 Prozentpunkte höher als 2017. Mit Blick auf diese Werte sagt Schmidbartl deshalb: "Wenn die Motivation gegeben ist, dann bekommen wir jeden in einer Beschäftigung unter."

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Zahlen nicht von ungefähr kommen - und sie sich für das Jahr 2019 wohl auch nicht halten lassen. Schmidbartl zufolge habe der Bund in den Jahren 2015 und 2016 mehr Mittel zur Verfügung gestellt als zuletzt 2017. "Diese Gelder wirken aber zeitversetzt." Der Effekt zeige sich nun, werde aber 2019 wieder nachlassen. Ein neuerlicher Aufschwung ist erst vom nächsten Jahr an zu erwarten, denn heuer hat der Bund seinen Geldbeutel wieder weiter geöffnet. Insgesamt steht dem Jobcenter ein Budget von etwas mehr als vier Millionen Euro zur Verfügung, das sind 364000 Euro mehr als im Vorjahr.

Der Grund für die größere Finanzspritze ist das neue Teilhabechancengesetz, das zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. Dadurch sollen - wie der Name schon sagt - die Chancen für Langzeitarbeitslose auf Teilhabe am Arbeitsleben verbessert werden. Zu den Neuerungen zählen Schmidbartl zufolge eine fünf Jahre währende Förderung von Langzeitarbeitslosen in Form von Lohnkostenzuschüssen bei der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, aber auch eine intensivere Begleitung in den beruflichen Wiedereinstieg. "Bislang durften wir vom Jobcenter aus keine Nachbetreuung machen", sagt Schmidbartl. Durch die Gesetzesänderung sei es nun möglich, Coaches zur Verfügung zu stellen, die Langzeitarbeitslose in den ersten Monaten begleiten. Für den Jobcenter-Geschäftsführer ein wichtiger Schritt, denn "vor allem die ersten drei Monate sind besonders schwierig". In dieser Zeit würden oft schon recht banale Gründe dazu führen, dass Arbeitsstellen wieder aufgegeben werden. Durch die neuen Möglichkeiten wolle man versuchen, dass die Beschäftigungen nun länger andauern.

Auch in die grundlegende Unterstützung der Langzeitarbeitslosen will das Jobcenter in diesem Jahr mehr investieren. "Wir wollen die Leute zwar so schnell wie möglich in den Markt bringen. Aber das geht eben nicht immer", so Schmidbartl. Deshalb würden nun Maßnahmen aufgelegt, die unter anderem eine ärztliche Betreuung oder auch eine Schuldnerberatung vorsehen.

Neben den Langzeitarbeitslosen sollen auch Flüchtlinge möglichst dauerhaft in Arbeit untergebracht werden. Schmidbartl würde sich sogar wünschen, dass die Integrationsquote in den Arbeitsmarkt von mehr als 70 Prozent wieder etwas zurückgeht. "Häufig fehlen den Menschen einfach noch wichtige Voraussetzungen, um dauerhaft arbeiten zu können. Das Ganze ist noch nicht nachhaltig." Mit speziellen Programmen für eine höhere Qualifizierung, etwa im Bereich Systemgastronomie, wolle man dafür sorgen, dass auch hier die Beschäftigungen länger anhalten.

"Insgesamt ist das aber Jammern auf hohem Niveau", gibt Schmidbartl zu. Das bestätigt auch ein Blick auf die Statistik. Von der Gesamtarbeitslosenquote im Landkreis von 1,9 Prozent entfallen 0,6 Prozent auf das Jobcenter, die restlichen 1,3 Prozent sind Kurzzeitarbeitslose und unterliegen damit der Zuständigkeit der Agentur für Arbeit. Der Bestand an Personen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen, lag Ende 2018 bei 470, um 28 weniger als ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der Bedarfsgemeinschaften ist im gleichen Zeitraum um 185 auf 1202 zurückgegangen. Insgesamt zeige sich aber eine hohe Dynamik, so stehen 2037 Zugängen in die Arbeitslosigkeit 2209 Abgänge gegenüber. Zwei Werte bereiten dennoch Anlass zur Sorge. So gibt es im Landkreis Ebersberg etwa 650 nicht erwerbsfähige Leistungsbezieher - Kinder unter 15 Jahren also, die in Bedarfsgemeinschaften aufwachsen. "Hier müssen wir uns überlegen, wie wir die am besten abholen und beim Übergang von Schule in den Beruf begleiten können." Eine neu gegründete Jugendberufsagentur in Kooperation mit dem Landratsamt soll dabei helfen.

Vergleichsweise hoch ist mit 829 Personen auch der Bestand an Langzeitleistungsbeziehern, die seit mehr als zwei Jahren ohne Arbeit sind. Hermann Schmidbartl ist deshalb froh, dass die Politik hier den Hebel ansetzt und mehr Mittel für eben jene Gruppe zur Verfügung stellt. "Natürlich würden wir uns trotzdem noch mehr Geld wünschen, um noch mehr bewegen zu können", sagt der Jobcenter-Chef. Dieser ist sich sicher, die Zahl der Langzeitarbeitslosen in den nächsten Jahren auf 400 bis 500 senken zu können, "wenn wir konsequent weiterarbeiten".

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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