Anzinger Buchbinderei:Handgebundene Bücher aus Lachsleder für 300 Euro

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Anwar Ziesel, Christoph Bückers und Kathrin Palsherm. (Foto: Christian Endt)

Die Anzinger Buchbinderei "Bookstation" fertigt Unikate an und umhüllt sie mit exklusiven Materialien. So mancher Kunde hat sehr spezielle Wünsche.

Von Johanna Feckl, Anzing

Die Schachtel misst ungefähr 15 auf 25 Zentimeter. Tannengrün. Sie macht einen robusten und zugleich schicken Eindruck. Alles andere wäre auch unpassend, schließlich enthält diese Kartonkassette etwas ziemlich teures: Der Preis liegt je Exemplar bei 298 Euro. Das ist viel Geld für ein Buch in einer Schachtel. Aber das herkömmliche 9,95-Euro-Taschenbuch gibt es auch nicht nur 20 Mal. Und es ist auch nicht eingebunden in Maulbeerbaumrinde, die aussieht wie Hunderte kunstvoll drapierter und miteinander verflochtener Fasern. Ein herkömmliches Taschenbuch ist ebenso wenig mit einer Fadentechnik geheftet. Die Bookstation in Anzing macht solche Sammlerstücke möglich: eine echte Edelbuchbinderei.

Angefangen hat die Geschichte der Bookstation zunächst aber ein wenig anders, mit einer Druckerei nämlich. 2003 hatte Henning Siegmund die Idee, Bücher digital zu drucken. Bei einem solchen Verfahren werden die Informationen zu einem Druckbild direkt von einem Computer auf eine Maschine übertragen, die dann die gewünschte Darstellung meistens per Laser oder Tintentröpfchen auf Papier bringt. "Das war damals ein total neues Verfahren", erklärt Anwar Ziesel. Der 51-jährige gelernte Drucker ist ein Freund von Siegmund. 2007, als das Unternehmen von Schwaben an den Bodensee zog, stieg er in den Betrieb ein und führte ihn mit Siegmund gemeinsam.

Eine Luxusausgabe kann gerne mal 300 Euro kosten. (Foto: Christian Endt)

Vier Jahre später kehrte Siegmund Deutschland den Rücken, die Bookstation wurde verkauft - an Christoph Bückers, der das Unternehmen nach Anzing brachte. Der 54-Jährige stammt aus einer Buchbinderfamilie: Zuletzt war er Geschäftsführer einer Industriebuchbinderei in der Anzinger Gutenbergstraße 5a, direkt gegenüber der Bookstation, bis er sie 2013 verkaufte. Mit der Bookstation kam auch Anwar Ziesel nach Anzing, außerdem holte Bückers Kathrin Palsherm mit ins Boot. Zu dritt führen sie den Betrieb.

Es kommt auf das "Aufschlagverhalten" an, aber nicht nur

Palsherm steht vor einem Tisch voller Bücher im Büroraum. Zielgerichtet greift sie ein Buch heraus. "Das ist eine Fadenbindung", erklärt sie. "Man erkennt das ganz leicht am Aufschlagverhalten." Was für den Laien kompliziert klingen mag, ist eigentlich ganz leicht zu verstehen: Palsherm klappt das Buch ungefähr in der Mitte auf und legt es auf dem Tisch ab. Die zwei aufgeschlagenen Seiten bilden beinahe einen Winkel von 180 Grad. Finger, die das Buch offenhalten, sind da nicht notwendig.

Es liegt einfach so da. Links Seite 74, rechts Seite 75. Beide perfekt lesbar. "Bei einer Klebebindung hingegen gibt es eine Klammerwirkung", sagt Palsherm. "Da klappt das Buch immer wieder zu." Diese Variante ist günstiger als eine Fadenbindung. Es komme aber nicht nur darauf an, welches Aufschlagverhalten oder, allgemeiner gesprochen, welche Qualität das fertige Buch haben solle, ergänzt die 41-Jährige. Faktoren wie die Art des Papiers und seine Stärke sowie das Material des Einbands spielten ebenso eine wichtige Rolle bei der Frage nach der passenden Bindung.

Die Fadenheftmaschine stammt aus dem Jahr 1965,Simon Pleßl weiß sie zu bedienen. (Foto: Christian Endt)

Palsherm und Bückers kennen sich aus Zeiten, als die Bookstation noch am Bodensee zu Hause war. Als Meisterin im Buchbindehandwerk arbeitete die Grafingerin in der Bückers-Industriebuchbinderei. In der Bookstation ist sie nun technische Geschäftsführerin. Bückers, der Papier- und Kunststoffverarbeitung studierte, ist für den kaufmännischen Bereich verantwortlich, und Ziesel für sämtliche Angelegenheiten im Vertrieb. Dazu kommen ein Auszubildender, eine weitere Meisterin und ein Mediengestalter, eine Buchhalterin und eine Hilfskraft. Insgesamt acht Menschen, die sich in der Bookstation um besondere Bücher kümmern.

"Manche unserer Kunden treten schon mit ganz speziellen Wünschen an uns heran", sagt Ziesel und zieht ein weiteres Buch hervor. Es ist das mit dem Einband aus moosgrüner Maulbeerbaumrinde. "Oder das hier", Ziesel präsentiert ein Buch, dessen Deckel aus Kupfer besteht. Und dann eines mit einem Lachsledereinband. Wieder ein anderes ist in Stoff - ein sehr teurer aus Schottland, wie Ziesel sagt - gebunden, in der oberen Hälfe mittig wölbt sich eine durchsichtige Halbkugel hervor, darin prangt das Bild eines Auges. "Das hier alles zeigt recht gut, was buchbindetechnisch alles möglich ist."

Die Anzinger "Bookstation" ist eine echte Edelbuchbinderei. (Foto: Christian Endt)

Die Bücher, die Ziesel präsentiert, hat ein Kunde aus der Schweiz in Auftrag gegeben. Der Verlag Zagava verlegt Bücher aus den Fantastik- und Gruselgenres ausschließlich mit einer sehr aufwendigen Gestaltung. Es sind Sammlerstücke, die Auflage liegt meist bei etwa hundert Stück. Je exklusiver die Materialien, desto weniger Exemplare gibt es - und desto teurer ist der Preis für den Kunden, der das Buch im Laden kauft.

Wie ein 3-D-Buch, in das man hineingreifen kann

Manchmal gibt es von den ohnehin schon besonderen Werken noch Luxusausgaben. Wie das Buch, dessen Einband aus mehreren Buchdeckeln besteht. Sie liegen übereinander, jeweils in der Mitte ist eine Aussparung. Bei dem äußersten Deckel ist das Loch am größten, bei dem darunter ist es ein wenig kleiner, dann noch kleiner und noch einmal kleiner. Es sieht aus wie ein 3-D-Buch, in das man hineingreifen kann. Bis zu 300 Euro kann ein solches Exemplar am Ende kosten.

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Meistens läuft es so, dass der Schweizer Verlag an Bookstation Materialien schickt, die er gerne für einen Buchumschlag haben möchte. Dann beginnt in Anzing ein kreativer und oft kniffliger Prozess, in dem die Bookstation-Crew testet, ob und wie der Kundenwunsch umgesetzt werden kann. "Manchmal gibt es aber auch eine natürliche Grenze", sagt Ziesel. Der 51-Jährige erinnert sich zum Beispiel an die waghalsige Idee, einen Buchrücken aus Porzellan anzufertigen.

Die Mitarbeiter der "Bookstation" gestalten unter anderem wertvolle Unikate. (Foto: Christian Endt)

Freilich sind nicht alle Werke, die in der Bookstation angefertigt werden, von solch einer Exklusivität wie die Zagava-Bücher. Sie stellen eher die obere Spitze dessen dar, was im Buchbindehandwerk machbar ist. Daneben kümmern sich die drei Geschäftsführer und ihre fünf Mitarbeiter auch um die Herstellung von Finanzberichten diverser Unternehmen, oder um Portfolios zu Projekten oder Produkten, um Jubiläums- und Verabschiedungsbücher. "Oft kommen auch Privatkunden, die ihren eigenen Roman ohne Verlag veröffentlichen möchten", sagt Ziesel. "Oder Design-Studenten, die für ihre Abschlussarbeit eine besondere Bindung suchen."

Ihre Anfänge, nämlich das Drucken, hat die Bookstation aber nicht vergessen: Vier bis fünf Tonnen verschiedene Papiersorten lagern in der Werkstatt. Nach wie vor druckt der Betrieb in einem digitalen Verfahren. Das ist für kleine Auflagen wie jene, die in der Bookstation hergestellt werden, ideal. "Grundsätzlich machen wir alles ab einer Auflage von einem Stück", sagt Palsherm und lacht. In solchen Fällen greift sie manchmal sogar selbst zu Nadel und Faden und bindet das Buch per Hand. Die Fadenheftmaschine aus dem Jahr 1965, die das sonst erledigt, steht dann still. Oft ginge es ohne Maschine einfach schneller. "Aber der Laie sieht es dem fertigen Buch nicht an, ob es per Hand oder mit der Maschine gebunden ist."

Meistens umfassen die Auflagen in der Bookstation aber doch ein wenig mehr Exemplare: 50 bis 200 Stück ist der Regelrahmen. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass große deutsche Verlage für eine durchschnittliche Taschenbuch-Auflage etwa 8000 Bücher drucken. "Aber wir leben ja nicht davon, dass wir viel machen", sagt Bückers. "Sondern davon, dass wir etwas besonderes machen." Etwas, das ein bisschen Pfiff hat eben.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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