Anzing/Forstinning:Fromme Musterschüler

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Eng zusammenarbeiten, dabei aber nicht die Identitäten der Gemeinden aufgeben: Das ist der Plan. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Pfarrverband Anzing-Forstinning entwickelt ein individuelles pastorales Konzept. Wichtige Ziele sind eine engere Kooperation der beiden Pfarreien und eine stärkere Öffnung nach außen

Von Anja Blum, Anzing/Forstinning

Ende gut, alles gut? Das hoffen jedenfalls die Verantwortlichen. Sie hoffen, dass das pastorale Konzept, das sich der Pfarrverband Anzing-Forstinning nun gegeben hat, künftig viel Gutes hervorbringen und die Zustimmung der Mehrheit gewinnen wird. Die beiden Seelsorger, Kirchenverwaltungen und Pfarrgemeinderäte haben einen umfangreichen Prozess angestoßen - obwohl 2012 bei einer Umfrage unter allen Haushalten (bei zwölf Prozent Rücklauf) knapp ein Drittel angegeben hatte, keine Veränderungen in und rund um die Kirche zu wünschen. Vor allem ein engeres Zusammenwachsen der beiden Pfarreien wurde teils kritisch gesehen, ganz nach dem Motto: "Des brauch ma ned".

Im Laufe vieler Diskussionen aber sei klar geworden, "dass man solchen Meinungen auch mal entgegenwirken muss", sagt Theologin Claudia Pfrang, bis vor kurzem Geschäftsführerin des Ebersberger Kreisbildungswerks. Als solche war sie maßgeblich an der Entstehung des pastoralen Konzepts beteiligt - und ist nun, als neue Direktorin der Stiftung Bildungszentrum in Freising, sehr stolz auf den Pfarrverband Anzing-Forstinning. "Hier und in Ebersberg ist es bereits gelungen, ein solches Konzept zu entwickeln, die Diözese aber fängt jetzt gerade erst mit ein paar Mustergemeinden an", sagt sie bei der Präsentation des Papiers.

In einem Pastoralkonzept setzen Pfarreien Schwerpunkte für ihre künftige Entwicklung, an denen sich Haupt- und Ehrenamtliche dann in ihrer Arbeit orientieren sollen. Zentrales Kennzeichen ist, dass so ein Konzept auf konkrete Maßnahmen abzielt. Sprich: Es sollen sich daraus greifbare Projekte entwickeln. Wichtig ist außerdem, dass es sich dabei nicht um ein starres Regelwerk handelt, sondern um eine Orientierungshilfe, die immer wieder überprüft und bei Bedarf angepasst wird. Geht es nach Erzbischof Reinhard Marx, sollen alle Pfarreien so einen Pastoralplan entwickeln - und damit auf die Zeichen der Zeit reagieren. Sowohl in Steinhöring als auch in Poing wurde das Projekt laut Pfrang jedoch nicht zu Ende geführt.

Die Anzinger und Forstinninger hingegen haben Durchhaltevermögen bewiesen und in einem etwa vierjährigen Prozess ein pastorales Konzept entwickelt. Dazu wurde zunächst die Situation in den Pfarreien und den Orten analysiert. Als Grundlage dienten einerseits die Ergebnisse einer Umfrage und andererseits Daten der Sinus-Studie, die Auskunft gibt über die verschiedenen Milieus, sowie viele Gespräche mit der politischen Gemeinde oder mit Vereinsvertretern. Eines der wichtigsten Ergebnisse lautet, dass sich die beiden Dörfer oberflächlich zwar ähneln, bei genauerem Hinsehen aber doch Unterschiede aufweisen. "Forstinning ist zum Beispiel eine Nuance traditioneller als Anzing", erklärt Pfrang. Daher hätten die Beteiligten zwar beschlossen, eine engere Kooperation der beiden Pfarreien als Ziel zu definieren, aber "die Identität der Orte" und ihre Eigenständigkeit durchaus zu bewahren.

So hat sich auch jede der zwei Pfarreien im Verband ein eigenes Leitbild gegeben. Auch die Ziele und deren Umsetzung wurden getrennt voneinander formuliert, obwohl sich vieles ähnelt und auch ineinandergreift. "Was sind wir, wofür stehen wir?" Um diese Fragen sei es in dem Prozess gegangen, erläutert Diakon Hans Dimke. Diese Art der Selbstreflexion schätzt auch Pfarrer Bernhard Waldherr sehr. "Der Pfarrgemeinderat zum Beispiel ist viel mehr als ein Festausschuss", sagt er, "und das ist toll."

Doch man könne "nicht ewig diskutieren", so Pfrang. Irgendwann müsse man auch mit der Umsetzung beginnen. Und diesen Zeitpunkt sehen die Verantwortlichen in Anzing und Forstinning gekommen. Ergebnis des Pastoralkonzepts sind viele Ideen, die teils bereits umgesetzt wurden oder werden: So hat man einige Strukturen aufgebrochen, etwa die festen Arbeitskreise abgeschafft und durch flexible "Kümmerer" ersetzt. "Jetzt geht es viel mehr um Themen, um konkrete Projekte, für die sich die Menschen zeitlich begrenzt einsetzen können", erklärt Anita Thiel, die Vorsitzende des Anzinger Pfarrgemeinderats. Ein wichtiger Punkt sei auch der Wunsch, als Pfarreien und Verband "nach außen sichtbarer und wiedererkennbarer" zu werden. Dies soll unter anderem durch ein einheitliches Design mit einem neuen Logo, das die gemeinsame Identität betont, befördert werden. Auch der Pfarrbrief - bislang eine Anzinger Spezialität - ist nun ein gemeinsames Projekt.

"Bei manchen Angeboten wussten die Menschen bislang gar nicht, dass wir der Veranstalter sind", sagt Thiel. Das soll sich nun ändern. Zu der verstärkten Öffnung nach außen gehört auch, Kulturveranstaltungen nicht nur im Pfarrheim, sondern auch mal im Café stattfinden zu lassen. Oder ein neuer Besuchsdienst für Zugezogene sowie eine Lange Nacht der Kirchen. Gute Erfahrungen hat der Pfarrverband bereits als Initiator von Runden Tischen zu den Themen Kinder, Jugend und Senioren gesammelt, so dass auch diese Neuerung wohl Bestand haben wird. "Es steht der Kirche als am Menschen orientierter Institution einfach sehr gut, sich als Netzwerker zu engagieren", sagt Pfrang.

Das Markenzeichen der Pfarreien aber sind und bleiben - wer hätte es gedacht - die Gottesdienste. An sie stellen die Menschen laut der Umfrage auch durchaus einen gewissen Anspruch. Besonders viel Wert gelegt wird dabei auf Musik, die Kommunion und eine verständliche Sprache. Die Predigt sollte eher lebenspraktisch orientiert statt theologisch orientiert sein. Für die Seelsorger kein Problem: "Wir wollen den Glauben hier in den Dörfern lebendig halten", lautet das Fazit Dimkes. Und dagegen kann eigentlich niemand etwas haben.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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