Altes Kino Ebersberg:Ein Engel aus Österreich

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Felix Schobesberger, alias der "Blonde Engel", überzeugt in Ebersberg mit seiner Improvisationsfähigkeit. (Foto: Christian Endt)

Felix Schobesberger beglückt sein Publikum

Von Wolfgang Langsenlehner, Ebersberg

Ein Vorteil der räumlichen Nähe zumindest Südbayerns zum Nachbarland Österreich, ist auch der unkomplizierte kulturelle Austausch, besonders im Bereich Kabarett. Die vielbeschworene geistige und historische Verwandtschaft der Nachbarn kommt hier zum Tragen, aber auch die Unterschiede, die sich bei genauerer Betrachtung offenbaren. Am Freitag landete der "Blonde Engel" in Ebersberg, um sein Publikum mit einem "bunten Strauß aus Liedern" zu beschenken. Trotz des oberösterreichischen Dialekts kann er selbstverständlich davon ausgehen, dass er hier in Bayern verstanden wird, doch spätestens bei den von ihm so bezeichneten Austriazismen werden die sprachlichen Unterschiede deutlich. Die "Hackn", hierzulande als "Arbeit" bezeichnet, wird noch erklärt, aber für die verbleibenden österreichischen Ausdrücke verweist der Blonde Engel, der im echten Leben Felix Schobesberger heißt, auf seine Begleitung, seinen Fahrer und Übersetzer, der im Publikum sitzt.

Das Auftreten des Künstlers auf der Bühne löst zunächst Enttäuschung aus, da er in dunklem, glänzendem Anzug erscheint - so stellt man sich den Blonden Engel nicht vor. Durch seine ursympathische, charmante Art nimmt er jedoch jeden im Raum sofort für sich ein. Und bei der Zugabe kommt dann doch noch sein Engeloutfit zum Einsatz.

Eine weitere merkliche Verwandtschaft zwischen den beiden Nachbarvölkern zeigt sich im Humor, bei dem es große Überschneidungen, aber auch nuancenreiche Unterschiede gibt. Grundsätzlich lässt er sich dies- und jenseits der Grenze oftmals als direkt, hinterfotzig, derb und manchmal auch selbstironisch charakterisieren und viele Witze und Pointen zünden in beiden Gebieten gleich gut. Doch die Österreicher sind oftmals noch einen Tick drastischer, schwärzer, schonungsloser und nicht zuletzt morbider. Wenn der Hypochonder sich auf seinen Grabstein als letzten Gruß "Glaubt's es ma jetzt?" schreiben lässt, wird die spezielle Beziehung der Österreicher zu Krankheit und Tod ersichtlich. Beim "Urban birding" begegnet den Zuhörern ein Vogel, der es auch schon vorher ins österreichische Liedgut geschafft hat: die Taube. Wenn sich zwei Exemplare um ein letztes Stück Salzstangerl streiten, kann man einem außergewöhnlichen Naturschauspiel beiwohnen und muss dazu nicht einmal aufs Land fahren, sondern kann es in Schobesbergers Heimatstadt, der beschaulichen Industriestadt Linz, am Taubenmarkt live erleben. Aufmerksam geworden ist er auf diese neue Form der Naturbeobachtung durch eine Buchbesprechung auf dem Radiosender Ö1, dem "einzigen Sender, der nach der Zuhörerzahl benannt ist". Und dieser einzige ist nach Selbstauskunft er selbst.

Die Kunst des Understatements und der Selbstironie zeigt sich in seinem ganzen Auftreten, den Zwischentexten und Überleitungen. Sich selbst bezeichnet er konsequent als Kleinkünstler und betont, dass er versucht die Mittelmäßigkeit seiner Songs mit schlechten Witzen dazwischen durch Niveaugefälle zu heben. Das wirkt liebenswert und nicht aufgesetzt. Doch der Eindruck vom netten Künstler von nebenan täuscht. Dafür kann der Musiker schlichtweg zu gut Gitarre spielen. Seine stilistische Bandbreite von Rock'n'Roll, Pop, Jazz und diversen Unter- und Nebenströmungen, von zarten Balladen bis hin zu fetzigen Solos ist voluminös.

Hinzu kommt eine ausgeprägte Fähigkeit zur spontanen Improvisation. Als er gleich zu Beginn von der Technik ausgebremst wird, nutzt er diesen Moment, um darauf hinzuweisen, es läge wahrscheinlich am ausgefeilten Playbacksystem, das nicht nur Lied für Lied übertragen werden muss, sondern behutsam Silbe für Silbe und deswegen langsam ist. Als er später Rock'n'Roller auf Zuruf imitieren möchte, reagiert das Publikum im mäßig gefüllten Alten Kino eher zach, wie er es ausdrücken würde. Es dauert auch eine Weile, bis die Zuhörer ihm die sieben Wörter für seine Spontankomposition nennen. In dem wehmütigen Lied "Meine Heimat ist das Meer" bringt Schobesberger Känguru, Donaudampfschiffkapitän, Aussichtsturm, U-Boot, Liebeskummer, Darmspiegelung und Fasching unter, nicht ohne sich selbst über seine aus dem Nichts zusammengezimmerten Reime zu amüsieren und beim Spielen mitzulachen. Das zaubert ein breites Grinsen in die Gesichter der Zuschauer, die schließlich beschwingt den Heimweg antreten.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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