Ebersberg: Biesl-Wut bei den Trachtlern:Eine dringliche Angelegenheit

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Darf ein Trachtler in der Öffentlichkeit biesln? Und darf eine Bank dieses Bild veröffentlichen? Der Ebersberger Trachtenverband meint: Nein - und ist empört. Sehr empört.

Rita Baedeker

Eine Angelegenheit von hoher Dringlichkeit beschäftigt zurzeit den Vorstand des Bayerischen Inngau-Trachtenverbands: Auf dem September-Bild des Kalenders mit dem Titel "Brauchtum und Heimat im Landkreis Ebersberg", den die Raiffeisen- und Volksbanken im Landkreis für das Jahr 2011 herausgegeben haben, gibt ein Mann mit Trachtenhut, Feder, Joppe und Wadlstrümpfen gerade in aller Ruhe einem unaufschiebbaren menschlichen Bedürfnis nach.

Das Bild des Anstoßes: Ein Trachtler steht versonnen in der Landschaft und erleichtert sich. Die Raiffeisen- und Volksbanken wählten das Foto für ihren Kalender über "Brauchtum und Heimat im Landkreis Ebersberg" aus - sehr zum Ärger des Trachtenverbandes, der nun einen Protestbrief schrieb. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Randnotiz mit Alpenpanorama" lautet die Bildunterschrift auf dem Foto von SZ-Fotograf Peter Hinz-Rosin, der zusammen mit Fotografen-Kollegen von der Ebersberger Zeitung den Kalender mit Szenen von jahreszeitlich typischen Volksfesten und Umzügen gestaltet hat. Der Trachtler steht auf einer grünen Wiese, schaut versonnen in Richtung Alpenkette - und wässert dabei Klee, Löwenzahn und Hahnenfuß. Ein feiner, Richtung Erdboden zielender Wasserstrahl zeigt an, dass der Mann tut, was ein Mann, fern von Haus und Häuserl, manchmal tun muss.

Die optische "Randnotiz", die der Fotograf spontan im Vorbeifahren eingefangen hat, und die offenbar mehrheitlich den Juroren des Kalenders gefiel, hat beim Trachtenverband Ablehnung und Unverständnis ausgelöst. Walter Weinzierl, Vorstand des Verbands, hat einen Brief an die Bank mit Kopie an alle Trachtenvereine im Landkreis geschrieben, in dem er seinem Ärger über die Veröffentlichung durch ein "bodenständiges Bankinstitut" Erleichterung verschafft. 13000 Inngau-Trachtler und Trachtlerinnen mit ihren Familien seien durch Darstellung und Bildunterschrift beleidigt worden, erklärt Weinzierl.

Dass manche Fotografen Trachtler gerne beim Biertrinken oder sonstigen Lustbarkeiten ablichteten, um ihre Vorurteile zu untermauern, und dass bodenständige Landsleute in ihrem Gwand stärker in der Öffentlichkeit stehen als "Zivilisten", dessen sei man sich bewusst. In seinem Schreiben missbilligt er daher nicht nur die Bildauswahl der Verantwortlichen der Bank. Er prangert auch das Verhalten des "wilden Bieslers" an und ermahnt die Mitglieder, sich im Trachtengewand anständig zu benehmen. "So ein Verhalten gefällt uns nicht, egal in welcher Kleidung", sagt Weinzierl. Eine Antwort auf seinen Brief hat er bisher nicht erhalten. Der SZ gegenüber ließ Wolfhard Binder, Vorstandschef der Raiffeisen-Volksbank Ebersberg erklären, er sei zu einer Stellungnahme nicht bereit.

Dass dieses Bild Diskussionen auslösen würde, sei klar gewesen, erklärt Kalender-Fotograf Hinz-Rosin. Als Fotograf freue er sich jedoch, wenn über das Thema Heimat und Brauchtum auch gesellschaftliche Tabus kontrovers diskutiert würden. Für ihn habe die Szene nichts Anstößiges. Die weite Landschaft, die Kopfhaltung des Mannes; all das suggeriere Leichtigkeit und Entspannung. "Das Bild hat für mich etwas Meditatives." Es liege ihm völlig fern, damit Vorurteile gegen Trachtenvereine zu schüren oder zu bestätigen. Weinzierl dagegen sagt: "Der Kalender ist ansonsten schön geworden." In seinen Augen ist es aber anstößig, wenn man jemanden beim Biesln auch noch fotografiert.

Doch nicht überall scheint die künstlerische und bildliche Darstellung öffentlichen Pinkelns ein schweres Vergehen zu sein. In Brüssel etwa hat es die Gestalt des "Manneken Pis" zum Wahrzeichen der Stadt geschafft.(Kommentar)

© SZ vom 29.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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