Große Kontrollaktion:"Die E-Scooter san no schlimmer"

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Erwischt: Der 21-jährige Münchner ist am Montagnachmittag von der Polizei am Odeonsplatz gestoppt worden, weil er mit einem E-Scooter unerlaubterweise durch die Fußgängerzone gefahren ist. Den Strafzettel mit 15 Euro Bußgeld erhielt er gleich ausgehändigt. "Ich hätte mit mehr gerechnet", sagte er. (Foto: Corinna Guthknecht)
  • Die Polizei hat in München bereits Hunderte Fahrer von Elektrorollern aus dem Verkehr gezogen, die betrunken oder zu zweit auf den Scootern standen.
  • Probleme gibt es oft auch mit Touristen - denn viele achten mehr auf Sehenswürdigkeiten als auf die Straße.
  • Die CSU würde die Flitzer rund um das Oktoberfestgelände am liebsten verbieten.

Von Thomas Anlauf, München

Der ältere Mann auf dem Odeonsplatz ist gar nicht gut auf Zweiräder zu sprechen. "Jeden Tag werd' ich fast von fünf zusammengefahren", herrscht er die Verkehrspolizisten auf dem Platz an. Die Radler seien schon übel, "aber die E-Scooter san no schlimmer", schreit er. Die Polizisten nicken geduldig, genau deshalb sind sie an diesem Montagnachmittag hier. Erstmals gibt es eine große Kontrollaktion ausschließlich für Fahrer der neuen Elektroroller. Seit Mitte Juni sind die kleinen Flitzer in München erlaubt - und eine erste Bilanz der Polizei ist erschreckend: Innerhalb von knapp zwei Monaten wurden 418 Scooterfahrer erwischt, die zu viel getrunken hatten, 167 von ihnen hatten mehr als 1,1 Promille im Blut. Bei bislang 22 Verkehrsunfällen zogen sich zwölf Rollerfahrer Verletzungen zu.

Für die Münchner Polizei sind die neuen Elektroroller eine Herausforderung im immer dichter werdenden Straßenverkehr. Denn viele Nutzer kennen die Verkehrsregeln für die kleinen Flitzer nicht, andere steigen nach zu viel Alkohol im Biergarten auf die kleinen E-Scooter und landen nicht selten auf der Straße oder, wenn sie Glück haben, nur im Gebüsch. In Schlangenlinien fährt an diesem Montagnachmittag am Odeonsplatz keiner der kontrollierten Scooter-Lenker. Zwei junge Männer werden allerdings aus dem Verkehr gezogen, weil sie zu zweit auf dem Leihgefährt in der Residenzstraße unterwegs sind. Die beiden Männer in kurzen Jeans sind einsichtig, nehmen das Bußgeld in Höhe von zehn Euro an. Doch einer der Beamten wird plötzlich stutzig, er nimmt die Zwei mit zum Urintest um die Ecke, Verdacht auf Drogen. Doch Fehlanzeige.

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Wenig später kurvt ein junger Mann über den Odeonsplatz und wird gestoppt. Der 21-Jährige räumt sofort ein: "Ja, ich bin in der Fußgängerzone gefahren." Den Strafzettel in Höhe von 15 Euro hält er sogar in die Kamera der Pressefotografen. "Ich hätte mit mehr gerechnet", sagt er. Anders eine Mutter, die mit ihrer Tochter auf einem kleinen Scooter unterwegs ist. Als sie gestoppt wird, schüttelt sie den Kopf, davon habe sie noch nie etwas gehört, dass das nicht erlaubt sei. Sie parkt den Roller frustriert mitten auf der Straße, obwohl der Polizeibeamte es bei einer mündlichen Verwarnung belässt.

Die Polizei kann, aber muss in solchen Fällen keine Bußgelder verhängen. "Ich habe die Erfahrung gemacht, man hat mehr davon, wenn man die Leute nur mündlich verwarnt", sagt Polizeioberkommissar Michael Eichner von der Verkehrspolizei. Denn von ihrem Erlebnis mit der Polizei werde die Frau sicherlich in ihrem Bekanntenkreis berichten, so spreche sich das Tandemfahrverbot schnell herum.

Die frühere Münchner Stadträtin Verena Bentele, inzwischen Präsidentin des Sozialverbands VdK, fordert dennoch schärfere Regeln für die Scooter. Sie befürchtet, dass gerade Ältere, Menschen mit Behinderung und Kinder von der unachtsamen Fahrweise einiger Scooterfahrer besonders gefährdet sein könnten. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband will sogar verpflichtende Kurse für E-Rollerfahrer. Doch das wird sich nur schwer durchsetzen lassen. In München sind viele Touristen mit den Scootern unterwegs, die gerade in der Innenstadt an jeder Ecke gemietet werden können. Für sie ist die Fahrt besonders riskant: Viele konzentrieren sich mehr darauf, ihr Ziel zu finden, statt auf den Straßenverkehr zu schauen. Klaus Bogenberger, Professor für Verkehrstechnik an der Bundeswehruniversität München, sieht das Problem: Es müsse "besser bekannt gemacht werden, welche Regeln gelten" - auch da zum Beispiel viele der Touristen auf E-Scootern die Straßenverkehrsordnung "gar nicht kennen".

Mit betrunkenen Rollerfahrern könnte es in wenigen Wochen ein spezielles Problem geben: Die CSU-Fraktion im Stadtrat fordert, Elektroroller während der Wiesn rund ums Festgelände zu verbieten. OB-Kandidatin Kristina Frank (CSU) betont: "Rowdy-Verhalten, Leute behindern und betrunken fahren - geht gar nicht." Paul Bickelbacher, Verkehrsexperte bei den Grünen im Stadtrat, ist wichtig, dass die Hersteller den Kunden besser erklären, die Geräte nicht mitten auf dem Gehweg abzustellen. Jens Röver (SPD) beobachtet die Entwicklung der Scooter "sehr genau, weil viele im Weg rumstehen". Er will ein Gespräch mit allen Anbietern suchen. Am Montag parkte ein herrenloser E-Scooter sogar mitten in der Fußgängerzone - direkt vor dem Polizeipräsidium.

© SZ vom 06.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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