Bürgerentscheid zum Flughafenausbau:"Es wird spannend"

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Umweltschützer warnen, durch die dritte Startbahn am Münchner Airport werde der Klimawandel vorangetrieben. Falsch, behauptet Flughafen-Chef Kerkloh. Werde nicht gebaut, landeten die Jets eben anderswo.

Marco Völklein

Wasserdampf, Kohlendioxid, Stickoxide" - aus Alfred Schreiber sprudeln die Giftstoffbezeichnungen nur so heraus. "Hinzu kommt", fügt der Mann vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) aus Erding an, "dass die Emissionen in großer Höhe rund dreimal so klimaschädlich sind wie vergleichbare Emissionen am Erdboden." Schreiber regt sich auf. Darüber, dass "immer nur vom Klimaschutz geredet wird". Und darüber, dass, wenn man mal konkret etwas tun könnte, gar nichts geschehe. So wie jetzt beim geplanten Ausbau des Münchner Flughafens. Mit der dritten Start- und Landebahn werde der Flugverkehr angeheizt, sagt Schreiber. Am Ende würden noch mehr Schadstoffe in die Luft geblasen. Und die vereinbarten Klimaschutzziele, die auch die Bundesregierung beispielsweise mit dem Kyoto-Protokoll anerkannt habe, "diese Ziele werden so nicht erreicht".

Die Kondensstreifen, die Flugzeuge hinterlassen, verstärken die Bildung von Zirruswolken. (Foto: dpa)

Für Naturschützer wie Schreiber zählt der Luftverkehr zu den größten Verursachern der Klimaerwärmung. Neben dem Ausstoß an CO2 führen sie auch den Wasserdampf an, der von den Jets in großer Höhe ausgestoßen wird und der zur Bildung von Kondensstreifen und "Zirruswolken" führe. Das sind, vereinfacht ausgedrückt, Eiswolken, die auch aus den Kondensstreifen der Jets entstehen - und die in großer Höhe dafür sorgen, dass die Wärme, die von der Erde abgestrahlt wird, nicht mehr in den Weltraum entweicht. Die Erde heizt sich somit wie in einem Treibhaus auf. Hinzu kommt, dass Flugzeuge Stickoxide ausstoßen, die in Reiseflughöhen Ozon aufbauen, ergänzt Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes in Dessau. Und dieses Ozon wiederum "wirkt dort als sehr starkes Treibhausgas". Für Ursula Philipp-Gerlach, Anwältin aus Frankfurt, steht daher fest, dass "der Flugverkehr weltweit zu zehn Prozent an der Klimakatastrophe" beteiligt ist. "Tendenz steigend."

Der Anwältin kommt bei der weiteren Auseinandersetzung um die Flughafenerweiterung eine wichtige Rolle zu. Denn sollten am Sonntag beim Bürgerentscheid die Ausbaugegner unterliegen, werden sie weiter gegen das Projekt kämpfen - unter anderem juristisch vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Philipp-Gerlach vertritt dabei den Bund Naturschutz, der nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2011 bei Großprojekten explizit die Belange des Natur- und Klimaschutzes einbringen darf. Bislang hat sich aber noch kein Gericht mit den weltweiten Klimaauswirkungen eines Großprojekts auseinandergesetzt - Philipp-Gerlach und die Leute vom Bund Naturschutz betreten juristisches Neuland. "Es wird spannend", sagt die Anwältin.

In der Tat könnten die Standpunkte beim Thema Klimaschutz gegensätzlicher nicht sein. Denn Flughafenchef Michael Kerkloh findet, dass nur mit dem Bau der dritten Piste Verbesserungen beim Umweltschutz zu erreichen seien. So komme es zu Spitzenzeiten immer wieder "zu Staus am Boden und in der Luft", sagt Kerkloh, weil das bestehende System mit zwei Bahnen nahezu ausgelastet sei. "Fünf bis sechs Maschinen", sagt Kerkloh, "stehen dann an den Startbahnköpfen", warten auf die Startfreigabe "und blasen Kerosin raus." Durch diese Warterei würden die Jets in München pro Jahr etwa acht Millionen Liter Kerosin verbrennen. Ein zügigerer Betriebsablauf am Boden und damit auch weniger Warteschleifen in der Luft würden dem Klima somit eher helfen als schaden.

Ähnlich argumentiert auch die Regierung von Oberbayern, die als zuständige Behörde die Baugenehmigung erteilt hatte. Deren Aufgabe war es, die Vor- und Nachteile des Großprojektes zu ermitteln und abzuwägen - und dann zu entscheiden, ob sie den Bau erlauben und welche Auflagen der Flughafen gegebenenfalls zu beachten hat. Bei der Genehmigung für die dritte Startbahn, moniert nun aber Anwältin Philipp-Gerlach, habe die Bezirksregierung zwar viele Aspekte betrachtet und viele Argumente abgewogen - nur den Klimaschutz komplett ausgeklammert. Hätte man dies aber in die Betrachtung einbezogen, sagt Philipp-Gerlach, hätte die Regierung feststellen müssen, "dass ein weiterer Ausbau des Flughafens wesentlich zur Erhöhung des Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen beitragen wird". Und dann wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgegangen, argumentiert die Anwältin. Genau an diesem Punkt will sie vor Gericht ansetzen.

Flughafen und Bezirksregierung entgegnen, übergeordnete Ziele wie den Klimaschutz könne man nicht an einem konkreten Projekt wie der dritten Start- und Landebahn festmachen. Das Problem sei nur "global" zu lösen, sagt Kerkloh - beispielsweise mit dem Handel von Emissionsrechten oder durch die Weiterentwicklung der Triebwerke, um den Verbrauch weiter zu drosseln. "Dafür allerdings ist nicht der Münchner Flughafen zuständig", sagt Kerkloh. Das sei Aufgabe der Politik. Und in dem kleinen Rahmen, der dem Flughafen zur Verfügung stehe, tue man ja auch schon einiges: Unter anderem habe sich der Münchner Airport verpflichtet, durch "nachhaltiges Bauen" seinen CO2-Ausstoß bis 2020 auf dem Niveau von 2005 konstant zu halten. Um das zu erreichen, soll zum Beispiel das neue Satellitenterminal, das der Airport derzeit zusammen mit der Lufthansa für 877 Millionen auf dem östlichen Vorfeld errichtet, 40 Prozent weniger CO2 ausstoßen. "Ältere Gebäude werden nachgerüstet", ergänzt ein Flughafensprecher. Und über emissionsabhängig gestaffelte Landeentgelte versuche man, schadstoffarme Jets nach München zu holen. "Das lässt sich weiterentwickeln."

Kerkloh ist sich zudem sicher: Ob mit oder ohne dritte Startbahn - die Maschinen werden so oder so fliegen. Bei einer Ablehnung des Projekts "werden sie allerdings an München vorbeifliegen". Der weltweite Trend hin zu mehr Luftverkehr sei nicht zu stoppen, glaubt auch Münchens Lufthansa-Chef Thomas Klühr. Ausbaugegner wie Alfred Schreiber halten dagegen: Doch, genau das sei möglich. Und mit dem Verzicht auf die dritte Piste könne man damit anfangen.

© SZ vom 11.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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