DJ Bobo in München:Einer für alle, alle für Bobo

Lesezeit: 4 min

Frauen kreischen, Männer wackeln mit den Hüften: Selbst Boybands haben nicht so enthusiastische Fans wie DJ Bobo. Mit seiner gigantischen "Circus"-Tour machte der Schweizer am Samstag Station in der Münchner Olympiahalle. Die Musik wird davon aber leider auch nicht besser.

Von Felix Reek

In der Olympiahalle ist Massenhysterie ausgebrochen. Frauen stehen auf den Stühlen und johlen, Männer tragen blinkende Sonnenbrillen. Ein kleiner Mann im silbernen Anzug ist gerade zwischen den Rängen aufgetaucht. Er rennt die Stuhlreihe hinunter, Hände recken sich nach ihm, eine italienische Flagge hängt über einer Bank, sein Name steht quer darüber. Einer der Zuschauer greift nach ihm, zieht ihn heran und küsst seine Hand. Der Messias ist da und er spielt Eurodance.

1993 hätte wohl niemand gedacht, dass 21 Jahre später DJ Bobo immer noch Hallen füllen würde. Da landete er mit "Somebody Dance With Me" seinen ersten Hit. Der Eurodance wütet in Deutschland und die Songs funktionieren alle nach einem ähnlichen Prinzip: Frau singt, Mann rappt. Dazu eine Ein-Finger-Kindermelodie auf dem Keyboard und ein paar Dance-Beats. Von DJ Bobos damaligen Kollegen ist keiner übrig geblieben. "2 Unlimited", "Mr. President", "Culture Beat", sie treten heute höchstens noch auf 90-er Jahre Trash-Partys oder in der RTL-Chartshow auf. DJ Bobo ist immer noch da. Das hat vor allem einen Grund: Während andere Bands des Genres nur austauschbare Marionetten eines Produzenten im Hintergrund waren, machte der Schweizer immer alles selbst. Die Musik, die Choreografien, die Shows.

Auch wenn der gefühlt letzte Hit "Chihuahua" elf Jahre zurück liegt, füllt DJ Bobo, der eigentlich Peter René Baumann heißt, auch heute noch Hallen. Rund 6000 Zuschauer sind es in München, 230 000 werden es auf der aktuellen "Circus"-Tour insgesamt sein, die im November im Europapark Rust endet. Die erfolgreichste in der Karriere des 46-jährigen Schweizers. Das Prinzip ist dabei so einfach wie genial: In einer Musikbranche, in der keine Musik mehr verkauft wird, konzentriert sich der Schweizer auf seine Konzerte und inszeniert sie als gewaltiges Spektakel. Die aktuelle Tour ist ein Wanderzirkus mit Akrobaten und Tänzern, die Bühne ein gigantischer Clown, der seine Arme ausbreitet. Ein Jahr Vorbereitung liegt hinter ihnen. Das beantwortet aber nicht die drängendste aller Fragen: Wer um Himmels Willen geht zu einem DJ-Bobo-Konzert?

Wenn Bobo kommt, wird geschrien

Es sind Menschen, die genau wegen dieser Show kommen. Die auch bei einer Aufführung von "Starlight Express" sitzen könnten oder einem anderen Musical. Die sich wahrscheinlich gar nicht großartig für Musik interessieren. Es wird sich schick gemacht, ordentlich Platz genommen und ein wenig im Programm geblättert. Das ist der erste Eindruck. Doch dann kommt DJ Bobo. Und alles ist anders. Die ersten Zuschauer springen schon jetzt auf. Der Schweizer greift zum Mikrofon. Kreischen. Er stellt sich vor, die Band, die Clowns, die Lichter. Ernsthaft, die Lichter? Dann singt er. Oder rappt er schon? So genau ist das nicht auszumachen, an den musikalischen Qualitäten hat sich bei dem Schweizer seit 1993 nicht viel getan. Noch immer ist er ein unterdurchschnittlicher Rapper, der Gesang ist sogar noch schwächer. Die Texte wiederholen immer wieder die Worte "Rhythm", "Beat" und "Party". Und die Tanzchoreografien sehen aus, als mache DJ BoBo einen Hampelmann. In 37 Variationen.

Trotzdem, als "Somebody Dance With Me" ertönt, steht auch der Rest des Saals. Ein wenig kommt man sich vor, wie bei einem Auftritt der Chippendales. Selbst ein älterer Herr mit Heinz-Erhardt-Gedächtnis-Scheitel nimmt gebannt jede Minute mit der Kamera auf, wagt nicht einmal zu atmen.

Frauen quieken, Männer wackeln mit den Hüften

Spätestens ab jetzt gibt es kein Halten mehr. Frauen quieken, Männer wackeln mit den Hüften. Hier weiß jeder, was er zu tun hat. Ein Armwink von DJ Bobo und die eine Hälfte des Saals ruft "Hey", die andere "Ho". Laola-Welle. Laola-Welle in Zeitlupe. Egal was dem Schweizer in den Sinn kommt, das Publikum führt es willfährig aus. Selbst als er Niki aus Kärnten und René aus München auf die Bühne holt und ihnen jeweils ein Mikro in die Hand drückt, regt sich kein Widerstand. Stattdessen singen sie "Don't Worry, Be Happy" mit ihm.

Am Ende des Songs dreht er sich schließlich zu den beiden um und sagt: "Wisst ihr was? Ich wollte schon immer mal ein DJ-Bobo-Konzert sehen." Er legt René aus München seine Jacke über die Schultern und setzt sich ins Publikum an dessen Platz. Während die beiden seinen größten Hit "Everybody" singen. Katastrophal schief, unglaublich lustig. Die Filmleinwand auf der Bühne zeigt DJ Bobo, wie er den beiden zujubelt. Einige Minuten später singt er seinen Hit einfach noch einmal selbst.

Ansonsten gibt es viel Akrobatik, Clowns, die ihre Späßchen machen, eine Frau die sich verbiegt. Vor, während und nach den Songs. Das lenkt davon ab, dass die Hits des Schweizers eher rar gesät sind. Als Zugabe singt er deswegen einfach noch einmal "Somebody Dance With Me". Und natürlich "There's A Party". Die Olympiahalle steht Kopf. Frauen, Männer, Kinder. Die italienische Flagge verliert sogar ein "o" und huldigt jetzt "DJ Bob".

Nach dem Konzerts ist die Stimmung aufgewühlt. In tiefstem bayrisch brüllt ein Mann in sein Handy: "Wo ich bin? DJ Bobo in Minga! Absolute Granate! Das hat mir meine Chefin geschenkt." Dann fragt er nach dem Ergebnis des Champions-League-Finales. Ein paar Meter weiter sagt eine Frau in den 30ern zu ihrer Freundin: "Das war so peinlich!", obwohl sie vor ein paar Minuten noch ausgelassen mitgesungen hatte. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. DJ Bobo liefert eine gigantische Show. Seine Songs möchte man hingegen am liebsten sofort vergessen. Wie seine Kollegen von Scooter hat der 46-Jährige sein musikalisches Verfallsdatum einfach ausgesessen und immer weiter gemacht. So lange, bis aus der peinlichen Erinnerung an die 90er Nostalgie wurde. Und in der schwelgt schließlich jeder gern. Auch wenn es manchmal ein bisschen peinlich ist.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: